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Das macht einfach keinen Spaß mehr

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Ein neuer Weg

Ein neuer Weg

„DAS MACHT EINFACH KEINEN SPASS MEHR!“

Ein Satz, der in letzter Zeit viel zu oft zu hören war. Dabei ist Spaß ein entscheidender Faktor für Erfolg. Für die Mode gilt das ganz besonders. Was ist da passiert? Was verdirbt heute den Spaß in der Modebranche? Und was bereitet im Job ungebrochen am meisten Spaß? Text: Kay Alexander Plonka, Nicoletta Schaper. Illustration: Claudia Meitert@Caroline Seidler

ERLEBNISWELTEN

Daniel P. Werner, Buyer Denim & Urbanwear, The KaDeWe Group

„Mode ist stark mit Emotionen verbunden und die Zeiten sind nicht einfach. Das Überangebot in Kombination mit der gefühlt unsicheren wirtschaftlichen Lage hält den Kunden oft von Emotionskäufen ab und die Mehrzahl der Einkäufer ist entsprechend vorsichtig geworden. Meist werden nur noch vermeintlich einfache Teile und Kollektionen geordert und dadurch wird das Bild in den Stores immer vergleichbarer. Die Emotionen, die Mode wecken sollte, gehen verloren und damit auch der Spaß. Wir sollten uns wieder dessen bewusst werden, dass es die Chance gibt, den Kunden mit Erlebniswelten abzuholen. Diesen Ansatz haben wir bei unserem neuen Concept Store The Storey gewählt. Wir überzeugen unsere Kunden in München durch ein spezielles, einzigartiges Einkaufserlebnis, das vom japanischen Ramen-Restaurant, das dieses Jahr startet, bis hin zum speziellen Programm wie Resident-DJs reicht. Emotionen wecken, den Kunden zum Staunen, Lächeln und vielleicht auch zum Kopfschütteln bringen. So kommt der Spaß zurück und damit auch der Umsatz.“

UNMENSCHLICHE BEDINGUNGEN

Bruno Heller, Inhaber Ciolina, Bern

„Es gibt insgesamt eine zu starke Fixierung auf monetäre Aspekte und somit zu wenig Fokus auf Tradition, Innovation und faire Arbeitsbedingungen. Jüngstes Beispiel ist die Berichterstattung der BBC über syrische Flüchtlingskinder, die Zara und Mango unter unmenschlichen Bedingungen beschäftigt. Am meisten verdirbt mir den Spaß am Ende noch die Tatsache, dass weder irgendeine Tageszeitung noch ein Branchenmagazin dies mal mit fetten Schlagzeilen an den Pranger stellt.“

ELLENBOGEN AUSGEFAHREN

Hans Weber, Inhaber City Jeans by Hans, Berlin

„Jeder, der schon ein bisschen länger im Business ist und selber an der Front steht, weiß, dass unser Geschäft schwerer geworden ist. Die Globalisierung ist in vollem Gange und wer mithalten will, muss kämpfen, denn der Schnellere frisst den Langsameren. Die Ellenbogen sind im Wettbewerb um den Kunden ausgefahren. Das ist unser Job, jammern ist da nicht förderlich. Was wir, die wir tagtäglich unseren Mann am Kunden stehen, allerdings nicht brauchen, sind die Weisheiten und der ewige Zweckoptimismus der Vertriebsagenturen, Messeveranstalter und Fachpresse, die selber nicht einen halben Tag im Verkauf durchstehen würden und uns im stationären Handel erzählen, wie es besser geht. Anerkennung und Zusammenspiel wären weitaus förderlicher. Reduzierungsabsprachen der Labels, um mal wieder ein realistisches Abverkaufsfenster zu schaffen, wäre ein schöner Anfang, um den Spaß, auch den Spaß am Geldverdienen, wieder zurückzubringen. Das Verbrennen von Ware schafft nicht Begehrlichkeit, sondern erzieht den Kunden zum Schnäppchenjäger und macht den regulär kaufenden Kunden zum Deppen. Spaß ist in diesem Zusammenhang keine Einbahnstraße, sondern Aufgabe der gesamten Branche, wieder auf einen gemeinsamen Zug aufzuspringen.“ MARGENVERFALL UND FREQUENZVERLUST

Franz Bernhard Wagener, Inhaber Wagener, Baden-Baden

„Köder, die über viele Jahre bei den Fischen ihre Wirkung zeigten, scheinen nicht mehr attraktiv genug zu sein. Auch die erfahrenen Angler (Einzelhändler) sind ratlos – und das schon über viele Monate. Der enorme Warendruck sucht sich neue Absatzwege, die am mittelständischen Einzelhandel vorbeigehen und die mit spürbarem Margenverfall und Frequenzverlusten in den Fußgängerzonen die Jahresergebnisse vermasseln. Wenn das nicht den Spaß verdirbt? Und die heute immer wieder empfohlenen Überlebensstrategien führen nicht zwangsläug zu Ertrag.“

all season lambskin – super light

LECKER

Holger Petermann, Inhaber Think Inc., München

„Neulich fuhr ich hungrig die Elisabethstraße in München entlang. Dort sah ich ein Schild an einem Restaurant: Pizza nur 4,50 Euro, zwei Stück für sieben Euro. Stopp mal: Das ist doch gar kein so schlechter Italiener, dachte ich. Wow, der muss es aber nötig haben, seine Pizzen so raus zu verkaufen! Zwei Stück für sieben Euro. Warum schreibt er nicht von Hand auf eine schöne Tafel: leckere, heiße Steinofenpizza mit frischen Steinpilzen und Ruccola auf echtem Pancetta aus der Heimat? Lecker. Darauf hätte ich Lust gehabt. Aber doch nicht auf zwei Pizzen für sieben Euro, die zuerst einmal Zweifel an der Qualität der Zutaten in mir aufkommen lassen. Ist das nun das Lebensgefühl, das ich beim Italiener vermittelt bekommen soll? Ist das das Lebensgefühl, das mir das Konsumieren schmackhaft machen soll? Und wie ist es eigentlich in der Textilbranche? Moment mal, da gab es doch das Wort Fashion, das wurde dann wieder zur Mode deklariert und heute sind wir wieder bei Textilien. Textilien, ein Wort, hart wie Stahl und mit wenig Lebensgefühl. Und daran müssen wir wohl alle ein wenig mehr arbeiten. Die Idee und den Auftritt eines Lebensgefühls wieder mit dem Gedanken zu vereinen, dass Menschen es lieben, sich schön zu kleiden, und sich damit auch verbindet, dass es Spaß und Freude macht, ihnen etwas zu verkaufen. So wie ich dann neulich zu meinem Lieblingsrestaurant gefahren bin, wo ich herzlich begrüßt und freundschaftlich bedient wurde. Lecker. Dass die Rechnung höher als sieben Euro war, verschmerzte ich zufrieden. Mehr als zufrieden.“

ACHTERBAHNFAHRT

Ulrike Kähler, Authorized Signatory & Project Director Gallery

„Die Fashionbranche ist eine Welt für sich und mit einer aufregenden Achterbahnfahrt zu vergleichen. Mir gefällt es, auf die Veränderungen der Branche einzugehen und innovative neue Konzepte hervorbringen zu müssen. Jeden Tag stehe ich mit meinen Kunden in einem persönlichen Kontakt, seien es die Aussteller oder Besucher. Gemeinsam gestalten wir eine Fashion Trade Show, die verlässlich ist. Erst vor wenigen Tagen bin ich von meiner Reise durch Deutschland zurückgekehrt, weil ich eng mit meinen Ausstellern zusammenarbeite. Natürlich gehören dazu auch Umstrukturierungen oder Phasen des Wandels, aber das macht den Arbeitsalltag doch spannend. Es macht Spaß, am Puls der Zeit zu arbeiten – so erfülle ich mir mit meinem Beruf einen Traum. Jeder Tag sieht anders aus und ist demnach sehr abwechslungsreich. Spaß am Job ist die Voraussetzung, um erfolgreich und zufrieden zu sein.“

KLARE KONZEPTE

Bernd Deuter, Leitung Marketing Reischmann, Ravensburg

„Als PR-Agentur haben wir den großen Vorteil, Geschichten über unsere Kunden. Das Ergebnis neuen Magazine im Briefkasten oder als Beleglink bei uns landen. Oder wenn knapp 200 Journalisten zu den GermanPressDays an zwei Tagen zu uns in die Agentur kommen. Spaß macht es auch, den unmittelbaren Erfolg uns anrufen und fragen, wo sie die Produkte kaufen können, die sie in Zeitungen, Magazinen oder auf Blogs gesehen haben. Wir nden es auch sehr erfüllend, Nachwuchstalente zu fördern oder nachhaltige wissen, dass beispielsweise jedes verkaufte Paar Schuhe Menschen in weniger privilegierten Ländern faire Arbeit bringt. Oder eine fantastische Kollektion das erste Mal live auf dem Catwalk zu sehen.“ „Zu viel Ware, zu viel Warendruck auf dem Markt verursachten aktuell eine Verdrängung, die leider in vielen Bereichen über den Preis reguliert wird. Leider kann man sich (noch) nicht ganz diesem Wettbewerb entziehen, weil es zu viele ähnliche Produkte gibt und die Marktteilnehmer noch nicht genügend proliert sind, um sich abzugrenzen. Absatzprobleme rein über den Preis zu steuern, ist für mich aber der falsche Weg. Wir brauchen klarere Konzepte und bessere Prolierungen der Retailer. Kunden mit Mode zu begeistern, ist nach wie vor meine ganz persönliche Leidenschaft. Am besten gelingt das bei unseren Seasonopenings. Eine Fashionshow, die ich selbst moderiere und bei der ich ganz direkt die neuesten Looks unseren besten Kunden vorstelle, ist ein magischer Moment. Wenn ich spüre, dass meine Bilder überspringen und ich nach der Show beim Come-together leuchtende Augen sehe, die von der Mode inspiriert sind, bin ich wirklich glücklich. Dann bin ich mit den Kunden Teil einer Community. Das

ERFOLG UND FÖRDERUNG

Silke Bolms und Kerstin Geffert, Inhaberinnen und Gründerinnen Silk Relations GmbH, Berlin

nichts verkaufen zu müssen – außer spannenden unserer Arbeit sehen wir jede Woche, wenn die unserer Arbeit zu sehen: Wenn Konsumenten bei und sozial engagierte Firmen zu unterstützen – zu ist Spaß in seiner ursprünglichsten Form.“

#thevestbrand

FEHLENDER TEAMGEIST

Frauke Ortner, Inhaberin Ortner, Dortmund

„Probleme bei den Lieferrhythmen, Warenmengen, Zahlungsbedingungen und Kalkulationen sind seit Jahren bekannt, wurden aber von allen Seiten nicht der Situation am Markt angepasst. Frei nach dem Motto: ‚Es ist ja noch immer gut gegangen‘, sind wichtige Aufgabenstellungen verschlafen und keine neuen Lösungsansätze erarbeitet worden. Durch fehlenden Teamgeist innerhalb der Branche müssen nun auch alle dafür bezahlen. Ausnahmen bestätigen natürlich immer die Regel und sollten uns für die Zukunft motivieren, die Aufgaben in die richtige Richtung zu lenken. Für uns sind die persönlichen Begegnungen mit Kunden, die Anerkennung durch ihre Treue und das positive Feedback auf unsere Sortimentszusammenstellung ebenfalls eine tolle Motivation.“

WANDEL ERKENNEN

Max Crämer, Inhaber ATF-Clothing, Nürnberg

„Durch die große Auswahl online und die starke Präsenz von vertikalen Konzepten hat der Einzelhandel ordentlich zu kämpfen. Allerdings waren die Veränderungen absehbar. Viele Einzelhändler sind nicht mit der Zeit gegangen. Ihre Kunden sind modischer und informierter als der Laden selbst. Das Personal ist nur durchschnittlich gut, Social Media wird kaum gepegt, Messen werden nicht mehr regelmäßig besucht. Eingekauft wird, was Agenturen gerade anbieten. Spaß haben momentan diejenigen, die den Wandel rechtzeitig erkannt und sich angepasst haben. Mit einem authentischen Lifestyle und Emotionen sowie einem kompetenten Personal auf der Fläche, das die Philosophie des Ladens perfekt transportiert. Das Gespür für Trends und die Kunst, diese dem Kunden zu vermitteln. Aus dem Laden eine Marke machen und nicht andersrum. Entscheidend ist auch die richtige Größe. Wer zu groß ist, kann nicht mehr so schnell wie kleinere Konzepte reagieren.“

WELCOME TO MACHINE THE

Torsten Lange, E-Commerce & Digital Branding Mentoring for Entrepreneurs

„Der gemütliche, alte Spaß an Mode ist vorbei. Schon lange. Aber viele wollen es noch nicht wahrhaben. Ist doch logisch, bei all den Vertikalen, Category Killern, TK Maxx und dem Verkaufsdruck in einem total übersättigten Markt. Daten, Prozessoptimierung und On Demand Supply Chains sind jetzt der entscheidende Faktor. Das Produkt ist im Grunde nebensächlich. Wenn man dieser neuen Situation nichts abgewinnen kann, sollte man vielleicht die Branche wechseln. Spaß gibt es eigentlich nur noch für den Consumer – denn natürlich gibt es noch schöne Produkte, hier und da, abseits des Massenmarktes. Welcome to the Machine :-).“

OHNE ERFOLG KEIN SPASS!

Cüneyit Yilmaz, Inhaber Laufsteg, Augsburg

„Es macht keinen Spaß, wenn Lieferanten die Branche nicht verstehen wollen, den Markt nicht wirklich verfolgen, aber fast bei jeder Orderrunde versuchen, uns mit noch höheren Budgets zu knebeln. Dass Area-Manager unterwegs sind, um sich ihr Feedback am PoS abzuholen, sollte eine gute Grundlage für eine Partnerschaft sein, die beiden Seiten etwas bringt. Leider ist dies Feedback oft beim nächsten Termin im Showroom Geschichte und das einzige Ziel scheint nur noch in ‚more Budget‘ zu bestehen. Die Industrie muss uns viel stärker und exibler unterstützen, die Waren- üsse mitverantworten und uns stärken, damit wir den gemeinsamen Erfolg vorantreiben. Vorausgesetzt, dass wir unsere Picht in Sachen Merchandising, Mitarbeiterschulung und Motivation getan haben, ist wiederum der Lieferant gefragt, wenn wir in Bezug auf eine Kollektion oder bestimmte Artikel Unterstützung brauchen. Natürlich bieten nahezu alle Lieferanten einen Warentausch an, aber es macht keinen Spaß, wenn dieser Service so behandelt wird, als ob der Lieferant jetzt dir dein Lager komplett bereinigen müsste und obendrein noch von dir verlangt, dass du aus der retournierten Tauschaktion 30 Prozent mehr Ware zu beziehen hast. Ich hatte neulich ein Gespräch mit einem Sales Manager, das mir den Spaß wirklich vermiest hat. Es ging darum, dass wir bei einer Kollektion, die wir seit nahezu über ein Jahrzehnt im Sortiment haben, einen Swap angefragt haben. Sein Angebot war drei Prozent des Auftragsvolumens im Tausch gegen einen anderen Artikel. Auf meinen Einwand, dass das gerade mal ein Artikel sei, den wir tauschen könnten, kam die Antwort: ‚Wo kämen wir denn hin, wenn alle Einzelhändler die schlechte Ware, die sie nicht verkaufen, gegen die Rosinen bei uns im Lager tauschen?‘ Das ist einer der Sätze, die mir wirklich den Spaß verderben. Demgegenüber steht vieles, was immer noch Spaß macht: ein Team, das gern zur Arbeit kommt und Spaß daran hat, die Kunden zu beraten, gute Umgangsformen miteinander pegt und es liebt, Mode zu leben und weiterzugeben, die Menschen glücklich zu machen mit der schönsten Nebensache der Welt.“

CLOUD JACKET

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