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Wir brauchen wieder Ecken und Kanten

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Value for Money

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Der Neue: Bernd Keller ist als COO für die Bereiche Design, Produktion, Marketing und Lizenzen zu Marc O’Polo zurückgekehrt – und „wahnsinnig stolz, hier zu sein.“ Der Bewährte: CEO Alexander Gedat freut sich über den neuen Kollegen im Vorstand der Premiummarke.

Marc O’Polo. „WIR BRAUCHEN WIEDER ECKEN UND KANTEN“

Zum 50er gibt sich Marc O’Polo nachdenklicher, als es das als erfolgreiches Unternehmen tun müsste. Aus Gründen: An den neuen COO Bernd Keller wurde klar die Aufgabe formuliert, die Marke mit unverstelltem Blick zu analysieren und zukunftst zu machen. Interview: Stephan Huber. Text: Martina Müllner-Seybold. Fotos: Marc O’Polo

Er ist ein Heimkehrer – wie viele, die es nach ihrer Zeit in Stephanskirchen mal in die große weite Welt zieht, um dann festzustellten, dass die vermeintliche Beschaulichkeit im bayerischen Dorf gar nicht so verkehrt war. Bernd Keller folgt als COO für die Bereiche Design, Produktion, Marketing und Lizenzen einem, dem Marc O’Polo viel zu verdanken hat: Andreas Baumgärtner hat in seinen 16 Jahren viel zum Wert der Marke beigetragen. Kontinuität war vielleicht seine größte Stärke, doch genau diese gilt es, hier und da zu brechen. Weil Marc O’Polo vor lauter Verlässlichkeit nicht versäumen darf „dem Kunden Überraschungsmomente zu bieten. Wir brauchen wieder Ecken und Kanten, Dinge, an denen man sich auch reiben kann“, sagt das neue Vorstandsmitglied. Zwischen 1992 und 1998 war Bernd Keller schon einmal im Unternehmen, als Produktmanager – während des Gesprächs landet ein Katalog aus der damaligen Zeit auf dem Tisch: Als eindrückliches Beispiel dafür, wie sehr Marc O’Polo seinen Markenwerten treu geblieben ist. „Ich sehe, dass wir einen Kern haben, den wir beibehalten. Die Modernität und die Ehrlichkeit zum Beispiel, die sind damals wie heute zu erkennen. Aber gleichzeitig ist auch abzulesen, was uns heute fehlt: Die Lust, neue Territorien zu erforschen, up to speed mit dem Markt und den Trends zu sein, aber manchmal auch nein sagen zu können. Diese Freiheit, zu sagen: Das sind wir.“

Hineinhorchen In seinen ersten Wochen im Unternehmen genoss Bernd Keller die Freiheit, alles hinterfragen zu dürfen, noch ganz ohne Agenda, Timings und Prozesse. Zwei Aspekte rückten in seinen Fokus: Kommunikation und Timing. „Das Schöne ist, wir haben einen exiblen Apparat mit den richtigen Leuten am richtigen Platz, damit wir alle Überlegungen anstellen können, wie wir unsere Visionen in die Tat umsetzen. Ist die Verantwortung innerhalb der Kreativteams und des Operationsdepartments noch richtig? Oder wollen wir eigenverantwortliche Units bilden, die innerhalb der Kollektionen agieren und saisonunabhängig Refreshment bringen? Nicht einfach nur Flashprogramme, sondern Produkte, die einem ganzheitlichen Umdenken entspringen. Ich habe mich gefragt: Muss ich tatsächlich die gesamte Designund Entwicklungskapazität unserer Firma an den althergebrachten Pre-Main-Pre-Main Rhythmus binden oder habe ich Kapazität, die Kollektion anders zu gewichten, um mit entsprechender Freiheit auf Bedarf zu reagieren?“ In richtige Bruchstücke unterteilt gehört Bernd Kellers Meinung nach auch die Kommunikation des Produktes. „Produkt, Kommunikation, Point of Sale: Alle drei Säulen müssen gleichzeitig die DNA von Marc O’Polo transportieren, aber eben auch Überraschungsaspekte mitliefern. Oine und Online müssen hier Hand in Hand gehen. Dazu muss ich genau wissen: Was ist Story über die Saison, was ist mein monatliches Hero-Produkt, wie stellen wir das dar, was stellen wir wann online, wie inszenieren wir es? Wir brauchen beides: Die Story für eine ganze Saison, aber eben auch das frische Menü für einen Monat. Doch bevor wir das kreieren können, müssen wir uns ganz unverblendet fragen: Was möchte der Kunde? Über welchen Kunden sprechen wir

– einen irrationalen, trendgetriebenen Frühkäufer oder einen Bedarfskunden?“ In Testgruppen mit echten Kunden ndet Marc O’Polo genau das heraus – das direkte Feedback ist Bernd Keller ein großes Anliegen.

Einschnitte wagen Dass die neue Orchestrierung von Kommunikation und Wareneinstreuung in Konsequenz bedeuten muss, dass sich an etablierten Saisonregelmäßigkeiten etwas ändert, ist in Stephanskirchen allen klar. Bernd Keller: „Wir wollen in gewisser Weise dem etablierten Markt entgegenwirken, wobei wir sicher nicht von einem Revoluzzergeist erfasst sind, der uns denken lässt, dass wir alleine alles ändern können. Umso wichtiger zu wissen, was der Kunde will. Und diesem Bedarf, dann noch die monatlichen Produkt-Heros draufzusetzen, an die ganz klar der Anspruch gestellt ist, dass sie Innovationscharakter haben.“ Veränderungen, die zunächst im eigenen Handel getestet und etabliert werden sollen. Vorstandskollege und CEO Alexander Gedat: „Wir müssen das in den eigenen Läden vormachen und dann, wenn wir Ergebnisse haben, an unsere Wholesale-Partner herantreten. Das hat zum Teil schon begonnen, indem wir Budgets von den frühen Lieferterminen abgezogen und auf die späteren Liefertermine gewichtet haben. Das ist unumgänglich, um Irrationalitäten zu bekämpfen wie reduzierte Bermudas im Juni oder die dicken Jacken, die jedes Jahr viel zu früh in den Läden sind. Die größte Schwierigkeit ist allerdings, die Warenmenge bedarfsgerecht und mit einem besseren Timing zu koordinieren. Freilich, wir wissen, dass sich das auf lange Sicht rentiert, aber erst einmal bedeutet es einen Einschnitt. Um zukunftsorientiert zu sein, müssen wir aber diese Umsatzeinbuße einplanen. Einen Teil wollen wir über höhere Deckungsbeiträge kompensieren, aber eine komplette Kompensation wird nicht möglich sein. Langfristig wissen wir, dass wir nur mit einer Reduzierung der Warenmenge den Anteil an nicht reduzierter Ware am Umsatz erhöhen können.“ Mehr Ezienz will Marc O’Polo auch innerhalb der Kollektion schaen: „Eine Kollektion kann nicht von heute auf morgen um 20 Prozent kleiner werden, aber wir wollen mehr Stringenz schon in der Kollektionsentwicklung. Mit einer kleineren Hauptkollektion, saisonalen NOS-emen und kurzfristigen Programmen, die idealerweise ohne Musterteile und Showroomtermine verkauft werden können. Dazu ein Klassikerprogramm, das mit der Saisonalität bricht: Dass wir im Sommer eine Chino in Blau reduzieren, um im Winter einen marginal anderen Ton ins Programm aufzunehmen, geht doch wirklich am Bedarf des Konsumenten vorbei“, ist sich Bernd Keller sicher. „Denn nach wie vor kaufen die Kunden gerne – und besonders gerne Kleidung, die neues bietet und auch länger getragen werden kann.“

Marc O’Polos Werte fortführen und dennoch das Überraschungsmoment nicht vergessen, lautet die Devise.

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