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Nicht lustig?

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Ein neuer Weg

Ein neuer Weg

NICHT LUSTIG? DOCH! Wir müssen uns nur öfter vor Augen führen, in was für einer tollen Branche wir doch arbeiten. Ein Kommentar von Stephan Huber

Mich hat es ja im Jahr 1990 (oh mein Gott!!!) wirklich nur sehr zufällig in die Welt der Mode verschlagen. Weil ich damals offen gestanden ohnehin nicht wirklich wusste, was und ob ich überhaupt studieren soll oder will, habe ich das Angebot eines bekannten Fachverlages, bei seiner österreichischen Tochter die Ausbildung zum Redakteur zu absolvieren, gerne angenommen. Als inhaltlicher Quereinsteiger mit langen Haaren, großer Klappe und Lust am Schreiben. Mein Freundeskreis hat mit dieser Entscheidung lange irgendwie gefremdelt. „Echt jetzt? Du schreibst über Klamotten?“ Meine Standardantwort über Jahre war: „Hey! Das ist ein ganz normales Business. Aber mit cooleren Frauen und mehr Spaß.“ Knapp, ehrlich und wirkungsvoll. Ersteres kann ich heute noch bestätigen, wenn auch mit einem etwas anderen persönlichen Zugang als seinerzeit als 20-jährige Volontär. Über Mode und Spaß sollten wir aber vielleicht mal wieder intensiv nachdenken. Denn da gibt es eine bedenkliche Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit.

Die Welt und die Gesellschaft, in der wir leben, hat sich in den letzten 25 Jahren in einem rasenden und gefühlt ständig noch beschleunigendem Tempo verändert. Sie ist, angetrieben durch das mächtige Zwillingspaar Digitalisierung und Globalisierung (Ich werde das immer aufs Neue wiederholen, weil das Begreifen dieser direkten Wechselwirkung unerlässlich ist.) gleichzeitig immer größer und immer enger geworden. Sie bietet beinahe unbegreiflich viele neue Möglichkeiten und Chancen und konfrontiert uns in ähnlichem Ausmaß mit neuen Herausforderungen und Problemen. Die Modebranche, dieser immer wieder erstaunlich präzise Spiegel gesamtgesellschaftlicher Transformationen, konnte davon gar nicht unberührt bleiben. Im Gegenteil. Kein Stein ist auf dem anderen geblieben. Scheinbar! Das Fundament dieses Business ist nämlich unverändert geblieben. Es geht darum, Menschen für Ideen, Innovation, Stil und Produkte so sehr zu begeistern, dass sie nicht nur bereit sind, ihr Herz, sondern vor allem ihre Brieftaschen zu öffnen. Simple Weisheit: Wer andere begeistern will, muss selbst von dem, was er tut, produziert oder verkauft, begeistert sein. Spaß ist also ein ganz wesentlicher Erfolgsfaktor. Wenn der Spaß verloren geht, dann leidet auch der Erfolg. Genau das ist aber passiert. Den Satz: „Das macht einfach keinen Spaß mehr“ habe ich in den letzten Monaten von ganz unterschiedlicher Seite sehr oft gehört, viel zu oft. In Gesprächen über fehlende Frequenz, über Konsumverhalten, Personalsuche, Zahlungsmoral, wechselseitigen Druck von Industrie und Handel, mangelnde Umgangsformen unter „Partnern“ usw. Alles individuell immer nachvollziehbar und in der Gesamtheit eine unbefriedigende Bestandsaufnahme. Aber nichts davon ist schicksalhaft über uns gekommen. Für jeden dieser Punkte gibt es nicht nur Gründe, sondern vor allem Lösungen. Oft würde schon das Bekenntnis zu einer anderen Gesprächskultur den Spaß ganz erheblich steigern. Dazu finden Sie auf den kommenden Seiten viele spannende Ansätze und Denkanstöße. Ich will aber noch einmal auf die allgemeine, übergeordnete Ebe ne kommen. Medial sind wir heute mehr denn je von der Suggestion von Spaß umgeben, unentrinnbar, als Goldenes Kalb der Freizeitgesellschaft. Spaß haben wir und glücklich sind wir, so die Message, wenn wir NICHT arbeiten. Damit werben Outdoormarken, Radiosender läuten spätestens am Mittwoch den Countdown für das Wochenende ein. Zweifelsohne gibt es sehr viele Jobs, die sehr oft nur wenig oder überhaupt keinen Spaß machen, die eintönig oder körperlich extrem anstrengend sind, oder Menschen hart mit den Brüchen und Schattenseiten der Gesellschaft konfrontieren. Das sollten wir uns vielleicht manchmal – mit einer gewissen Demut – bewusst machen.. Und auch dadurch könnten wir vielleicht wieder mal klar erkennen, wie privilegiert wir doch sind.

Mit diesem Spirit will ich in die neue Saison gehen. Ich freue mich auf spannende Gespräche, tolle Produkte, auf Anregungen und Ideen und darauf, dass ich wieder viel lernen und kennen lernen werde. Vor allem aber freue ich mich auf viele Menschen. Ich weiß schon jetzt, dass ich jede Menge Spaß haben werde. Bei der Arbeit. In der Modebranche.

Den cooleren Frauen widmen wir uns dann (im Magazin) hingebungsvoll im Sommer!

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