marie 60/ Mai 2021

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Mittendrin in V

Tierische Nachbarn Unsere Städte und Dörfer sind für Menschen gebaut. Aber diesen Lebensraum teilen sich viele andere Arten mit uns – viel mehr, als wir denken. Text: Katharina Lins, Illustrationen: pixabay

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Naturnahe Gärten, grüne Dächer und Fassaden, artenreiche Blumenwiesen statt Einheitsrasen oder gar Asphalt können Futter und Lebensraum für zahlreiche Arten bieten.

enn ich in meinem Büro in Dornbirn aus dem Fenster schaue, sehe ich oft einen Rotmilan, der über dem Innenhof der inatura seine Kreise zieht und bin immer wieder fasziniert von seinem eleganten Flug. Die schönen Greifvögel, die leicht an ihrem tief gegabelten Schwanz und der rostrot-schwarz-weißen Färbung zu erkennen sind, haben in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Noch 2007 berichtete der ORF als Neuigkeit, dass einer der seltenen Vögel in Vorarlberg gesehen wurde, jetzt kann man sie praktisch überall in den Siedlungsgebieten beobachten. Die inatura hat Daten von über 1000 Tierarten nur im zentralen, dicht besiedelten Bereich der Stadt Dornbirn gesammelt, und diese Liste ist sicher noch lange nicht vollständig. Die meisten Arten wurden nämlich noch gar nicht systematisch untersucht. Die Vögel sind davon sicher die sichtbarste Gruppe, aber wer hätte gedacht, dass ganze 88 Arten in der inneren Stadt gezählt wurden? Viele dieser Tiere würden uns Laien aber gar nicht besonders auffallen: Der größte Teil der 444 Schmetterlingsarten dürfte eher unspektakulär aussehen, und auch die 131 Käferarten und die 95 Arten von Fliegen und Mücken werden wohl nur wenige Spezialisten erkennen. Aber auch viel größere Tiere leben oft unbemerkt in unserer Umgebung. In einem Garten ganz in der Nähe der inatura wurde ein Dachs beobachtet, der dort in der Nacht herumwühlte und nach Futter suchte. Dass ein so großes Tier so nahe an uns Menschen lebt, und so selten gesehen wird, beweist seine sehr heimliche Lebensweise. Dass so viele Tiere im Stadtgebiet gesehen werden, bedeutet allerdings nicht, dass die Stadt für alle ein idealer Lebensraum wäre. Viele kommen nur auf der Durchreise in unseren Siedlungen vorbei, oder kommen einigermaßen mit der menschlichen Umgebung zurecht, wenn es an geeigneteren Lebensräumen fehlt. Nur einige „Kulturfolger“ haben sich perfekt an die menschliche Umgebung angepasst und leben besser in der Stadt als in der freien Natur. Sie nutzen das reiche Nahrungsangebot und sind oft besser vor ihren Feinden geschützt. Straßentauben zum Beispiel kommen fast überall vor und sind weltweit mit Abstand die häufigsten Stadtvögel. Auch der Rotfuchs ist eine der Arten, die besonders häufig in Siedlungen vorkommen, weil er sich extrem flexibel an geänderte Bedingungen anpassen kann, und bei seiner Nahrung nicht sehr wählerisch ist: Er findet auch in unserem Abfall genug zu fressen, so dass er in Städten oft in viel höheren Dichten vorkommt als in jedem natürlichen Wald.


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