Mittendrin in V
SCHAFFEN WIR’S? Das Wachstum der Zukunft heißt Pflanzenwachstum.
Text: Eckart Drössler
S 22 |
eit Svante Arrhenius 1895 aus den Emissionen der Kohleverbrennung ausgerechnet hat, dass das zusätzliche CO₂ aus der Verbrennung zu einer Atmosphärenerwärmung führen wird, wissen wir um den Treibhauseffekt. Marion King Hubbart, damals Chefgeologe der Shell, später mehrfacher Universitätsprofessor, hat 1956 die Lebenszykluskurve von Ölquellen veröffentlicht und vorausgesagt, dass das Öl zu Ende gehen wird und als Dauerenergieträger nicht geeignet ist. Charles David Keeling ist es gelungen, Ende der 50er Jahre das erforderliche Geld zu bekommen, um den CO₂-Gehalt der nördlichen Hemisphäre zu dokumentieren. Seit 1957 können wir nun den Anstieg des CO₂-Gehaltes in der Atmosphäre an seinen Messreihen sehen. Der Club of Rome hat beim Massachusetts Institute of Technology (MIT) eine Studie zur Zukunft der Weltwirtschaft bestellt, ausgerechnet die Volkswagenstiftung hat sie mit einer Million DM mitfinanziert. Dennis Meadows hat 1972 sein Buch „Die Grenzen des Wachstums“ veröffentlicht, das ganze Wissen ging als „Global 2000 Report“ an den Präsidenten der USA: Jimmy Carter. In Österreich wurde in der Folge die Umweltschutzorganisation Global 2000 gegründet. 1981 gab uns die erste „Ölkrise“ zu denken, 2008 die zweite. Seit dem UN-Klimabericht des IPCC 2004 und deutlich unterstrichen durch den Bericht 2007 wissen wir, dass nicht die Verknappung von Öl den Takt für einen Wandel vorgibt, sondern die Erschöpfung der Atmosphäre, die die Abgase nicht mehr aufnehmen kann, ohne deutliche Veränderungen zu zeigen: die Extreme werden extremer und problematischer, im Mittel führt das zu einer Erwärmung. Und seit etwa fünf Jahren wissen wir, dass ein Stopp der CO2-Emissionen, so schwer wir uns diesen auch vorstellen können, nicht mehr reicht, um die Klimakatastrophe zu vermeiden, es müssen Aktivitäten starten, die das CO₂ wieder aus der Atmosphäre holen und binden. Kann das noch gelingen? Nach all dem, was in dieser langen Anlaufphase alles nicht geschehen ist? Schauen wir mal, was sich in der Welt so tut. 50 Prozent der Weltkohleförderung braucht China, um unter anderem Billigprodukte für Europa und den Rest der Welt herzustellen. Aber in China ist auch das Nachhaltigkeitsbewusstsein erwacht und wie zu erwarten, tut sich dort schneller mehr als anderswo. Schon 2015 hat China beschlos-
sen, 1000 Kohlekraftwerke vorzeitig abzuschalten und die zugehörigen Kohleminen zu schließen, die Umstellung läuft in großem Stil. Stattdessen baut China 22 Mega-Solarkraftwerke entlang der nördlichen Ausläufer des Himalaya-Gebirges, eine trockene und sonnenreiche Region, jedes einzelne mit der Leistung eines Atomreaktors. 2016 überholte mengenmäßig der Strom aus der Sonne (inklusive Photovoltaik, die in China expandiert wie sonst nirgendwo) den Strom aus der Kohle. In China gehen täglich mehr neue Elektrobusse in Betrieb, als die Londoner Verkehrsbetriebe in ihrer Flotte haben. Unlängst hat der Hersteller der Londoner Doppeldeckerbusse mit BYD (Build Your Dreams, dem größten chinesischen E-Bushersteller) eine Kooperation gegründet, um den typischen Londoner Doppeldeckerbus mit Elektroantrieb herstellen zu können. Und im vergangenen Jahr hat China mehr Windkraftanlagen in Betrieb genommen als Deutschland seit dem Beginn dieser Entwicklung. Indien ist der zweitgrößte Kohleverbrenner der Welt. Die Kohle kam hauptsächlich aus Australien. Mit Jahreswechsel 2015 auf 2016 hat Indien die australische Kohle abbestellt. Man will vorerst die eigene Kohleförderung ausweiten, das eingesparte Geld in schwimmende Windparks und große PV-Anlagen investieren (100 GW PV-Leistung zusätzlich bis 2022) und die Kohle dann abschalten. Diesel-Elektrische Züge fahren in Indien inzwischen mit PV-Modulen auf den Dächern der Waggons, um die auf der Fahrt gewinnbare Sonnenenergie zu nutzen und damit den Dieselverbrauch zu senken. Rund eine Milliarde Dollar wird jährlich investiert, um die Beleuchtung der Städte auf LED umzustellen, 20 Millionen Lampen jährlich. Die norwegische Pensionskasse hat ihr Vermögen aus der Kohleproduktion abgezogen, die staatliche Ölgesellschaft Statoil hat den Auftrag bekommen, im großen Stil in schwimmende Windparks zu investieren und bei den Neuzulassungen privater PKWs haben E-Fahrzeuge die Verbrenner bereits überholt. Viele kleinere Länder (oder Inseln oder auch Städte) haben zumindest in der Stromversorgung die „100 Prozent Erneuerbar-Marke“ erreicht: Costa Rica, Uruguay, Pacific Islands, El Hierro, Wildpoldsried im Allgäu ist zum Exporteur von Strom aus Biogas, PV und Windenergie geworden. Das sind bestimmt nicht alle.