Mittendrin in V
Produziert in Österreich? Stefan Magdic (52, aus Frastanz) sind zwei Dinge wichtig: Bewegung und Ökologie. Sein neu gekauftes Rennrad wirft jedoch bald Fragen auf. Mühsam sucht er nach Zahlen. Ein Kommentar des Unmuts über die fehlende Transparenz in der (österreichischen) Radindustrie.
Text: Stefan Magdic, Illustration: pixabay
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„ Von meinem über 5.000 Euro teuren Rad kommt nichts aus Österreich, nicht einmal aus Europa!“
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ie viele andere wurde ich in dieser Pandemie wieder mehr in der Natur sportlich aktiv, um einen Ausgleich zu den Einschränkungen zu schaffen. Sportvereine sind geschlossen, soziale Kontakte sind eingeschränkt, da bleibt nicht viel anderes übrig als Bewegung im Freien, um den vier Wänden zu entfliehen. Nur laufen und wandern reichen mir aber bald nicht mehr. Und dann erinnere ich mich an das Rennrad fahren. Bekleidung und Zubehör sind noch da, jetzt wäre doch ein geeigneter Zeitpunkt, sich ein richtig tolles Rad „Made in Austria“ zu gönnen. Auf der Radhändlerwebseite werde ich mit dem Satz „Born and Raised in Austria“ empfangen. Das gefällt mir sehr gut. Die lokale Wirtschaft zu unterstützen ist für mich gerade in dieser Zeit besonders wichtig und es ist auch noch gut für die Umwelt und das Klima. Mit dem Konfigurator der Webseite stelle ich mir mein „Traumrennrad“ zusammen. Die Bestellung mache ich direkt beim lokalen Fahrradhändler in der Nähe. Zwei bis drei Monate Wartezeit nehme ich in Kauf, gut Ding braucht Weile. Was ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht weiß: In diesem und jedem anderen Fall, zumindest in Europa, verursacht so ein Radkauf tausende Transportkilometer mit Containerschiff und Lkw, denn bei späterer Nachfrage beim Produzenten kommt die Antwort: Unsere Räder werden in Österreich entwickelt und zusammengebaut. Die Rahmen kommen wie bei jedem Hersteller aus Asien. Die Teile kaufen wir von Lieferanten zu. Meine Freude über das neue Rad, welches schon nach fünf Wochen da ist, wandelt sich durch diese Information zur Enttäuschung. Von meinem über 5000 Euro teuren Rad kommt nichts aus Österreich, nicht einmal aus Europa! Es schwirren mir viele Fragen durch den Kopf: Wo genau werden die Räder hergestellt? Wie fair werden die Mitarbeiter*innen behandelt und wie sind die Arbeitsbedingungen? Wie sieht es mit dem Umweltschutz aus? Keinerlei Informationen auf der Webseite, auch bei anderen Herstellern und Händlern – nichts! Wenn niemand dazu Informationen hat, gibt es etwas zu verbergen? Transparent ist das nicht. Meine weitere Recherche ergibt, dass nahezu alle Räder in Asien produziert werden, anschließend in Einzelteilen im Container nach Europa verschifft, dann beim jeweiligen „Hersteller“ zusammengebaut werden. Wie nachhaltig ist das? Die Interessenvertretung der Zweiradhersteller in Deutschland rückt nichts raus, in Österreich gibt es nichts Entsprechendes. Es bleibt mir nichts anderes übrig, als mir selbst Zahlen zusammen zu suchen, sie anzuschauen und verstehen zu versuchen. In Österreich werden laut WKO pro Jahr in etwa 450.000 Räder verkauft, die, wie wir nun wissen, alle aus Asien importiert werden.1 In Deutschland waren es 2019 fast 10 mal mehr, nämlich zirka 4.300.000 Räder.2 Da frage ich mich: Wie grün und klimafreundlich ist Radfahren überhaupt noch? Ein mittleres Containerschiff, welches 12.000 Stück 6-Meter-Container laden kann, verbraucht zirka 300 Tonnen Schweröl am Tag.3 Ein 6-Meter-Container fasst in etwa 115 fertig zusammengebaute Fahrräder.4 Da die Teile einzeln, also nicht zusammengebaut, verschickt werden, nehme ich Faktor 4 bei den Fahrradrahmen an und schätze, dass knapp 460 Fahrradrahmen, oder großzügig aufgerundet, 500 Stück platzschonend in einem Container Platz haben.