Taekwondo 20 - Ausgabe 12 - Juli 2022

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„JEDE MEDAILLE HAT IHRE GESCHICHTE.“ Milica Mandic von Helena Stanek Eine der erfolgreichsten Taekwondo-Sportlerinnen aller Zeiten, Milica Mandić aus Serbien, treffe ich bei der EM in Manchester gegen meine Erwartung auf der Tribüne statt auf der Wettkampffläche. Der Gewinn ihrer ersten EM-Goldmedaille war ihr nicht möglich. Wir sprachen miteinander über Medaillen, ihren energiegeladenen Trainer Dragan und den enormen Druck, der in Tokio auf ihr gelastet hatte.

Es sind für mich stets diese besonderen Momente in meinem Job: Wenn ich ehemalige Trainingspartnerinnen zum Interview treffe. In meiner Vorbereitung auf das Interview mit Milica habe ich die letzten Details über sie recherchiert. Dank der unfassbar wertvollen Datenbank Taekwondo Data finde ich alle nützlichen Infos zur Vorbereitung von Interviews, für Kommentatoren-Aufgaben und die eigene Berichterstattung. So konnte ich über Milica erfahren, dass sie es bislang noch nicht geschafft hat, den EM-Titel zu gewinnen. Ich war sicher, dass ihr dies in Manchester gelingen würde. Spontan, ohne Terminabsprache begegnen wir uns bei der EM. Ich hatte sie auf der Fläche erwartet, doch sie sagte kurz und knapp: „Nein. Nach Tokio habe ich meine Karriere beendet.“ Wir kennen uns sehr lange, haben damals, vor den Olympischen Spielen in London, gemeinsam in Sonthofen trainiert. Mein Trainer Carlos meinte damals: „Ein guter Freund aus Serbien kommt mit seiner Sportlerin auch zum Training.“ Serbien? Das wunderte mich damals, ohne zu wissen, welch herausragende Sportlerin mit mir trainierte. Direkt in meiner ersten Frage an Milica erfuhr ich, dass sie ihre Karriere beendet hatte und schon lange vorher wusste, dass Tokio ihr letzter Wettkampf sein würde. Genau deshalb sei

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- DTU-Magazin Taekwondo 20 - Ausgabe 12 07/2022

in Tokio vieles anders gewesen als in London und Rio de Janeiro: „Tokio war besonders hart. Der Druck war enorm, denn ich wusste, dass ich meine Karriere nach den Spielen beenden werde. Ich weiß, wie sehr Erfolg und Misserfolg das Leben beeinflussen. Von daher waren diese Spiele für mich etwas ganz Besonderes.“ Kann man die Erfolge werten? Sprich, ist ein Olympiasieg wichtiger als ein WM-Titel? Milica hat beides erlebt und antwortet: „Es ist immer hart, diese Frage zu beantworten. Jeder Wettkampf hat seine Geschichte und jede Geschichte ist anders. 2012 war ich sehr jung und es waren meine ersten Olympischen Spiele. 2017 hatte ich viele familiäre Herausforderungen zu meistern. 2021 dann Tokio: Da hatte ich den größten Druck überhaupt, denn ich wusste, alles, was hier passiert, wird mein Leben beeinflussen. Aber insgesamt denke ich, dass die Olympischen Spiele immer das Schwierigste und auch das Schönste sind.“ Die EM sei immer ihr Schwachpunkt in der Karriere gewesen. Sechsmal stand sie in einem Finale der Europameisterschaft. Sechsmal sollte es mit dem Titelgewinn nicht klappen. 2021 habe sie sich für die EM topfit gefühlt. Alles habe gepasst und sie sei mit großen Ambitionen in die Mission GOLD gegan-


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