Hausarzt medizinisch
Re-Bestrahlung im Fokus
Lange Zeit galt das Dogma: „Eine Strahlentherapie soll nicht wiederholt werden.“ Patientinnen und Patienten mit einem Rezidiv generell von einer Re-Bestrahlung auszuschließen ist heute nicht mehr vertretbar. Neue und präzisere Techniken und Geräte sowie Erkenntnisse durch In-vitro-, In-vivo- und klinische Studien haben es ermöglicht, Tumoren gezielt wieder zu bestrahlen und dabei die Toleranzgrenze des umliegenden Gewebes nicht zu überschreiten. „Bei der Re-Bestrahlung müssen einige Rahmenbedingungen beachtet werden“, erklärt Prim. Univ.-Prof. Dr. Hans Geinitz, Vorstand der Abteilung für Radioonkologie und Strahlentherapie am Ordensklinikum Linz Barmherzige Schwestern. Anlässlich der Onlinefortbildung „Re-Bestrahlung im Fokus“ fasst er die Highlights der Tagung zusammen.*
Wenige Studiendaten, individuelles Vorgehen Die Re-Bestrahlung wird allgemein (noch) relativ selten durchgeführt, am Ordensklinikum Linz werden etwa 7 % der Patienten lokal re-bestrahlt. Entsprechend dünn ist die Studienlage. „Hinzu kommt, dass sich individuelle Patientensituationen, unterschiedliche Patientenkollektive und maligne
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September 2021
Grunderkrankungen sowie verschiedene Bestrahlungssituationen und Vorbestrahlungen schwer in randomisierte kontrollierte Studien fassen lassen”, erläutert Prim. Geinitz. Mehr prospektive Studien, Fallstudien sowie Multicenterstudien könnten die Studienlage verbessern, ist der Strahlentherapeut überzeugt. Beispielsweise werden in der prospektiven ReCare-Studie der European Organisation for Research and Treatment of Cancer (EORTC) Daten zu unterschiedlichen Tumorentitäten gesammelt. Da nur wenige Studiendaten vorhanden sind, gibt es keine allgemeingültigen Kriterien, die eine Re-Bestrahlung erfüllen muss. „Es gibt aber Anhaltspunkte, die auch bei der Onlinefortbildung diskutiert wurden. Zwischen den Bestrahlungsserien hat sich eine Pause von mindestens sechs Monaten etabliert, um hinsichtlich der Strahlenbelastung auf der sicheren Seite zu sein. Je nachdem, wie stark die Symptome ausgeprägt sind, welche alternativen BehandlungsExperte zum Thema: Prim. Univ.-Prof. Dr. Hans Geinitz Vorstand der Abteilung für Radioonkologie und Strahlentherapie am Ordens klinikum Linz Barmherzige Schwestern
optionen zur Verfügung stehen und ob ein kuratives oder palliatives Setting vorliegt, kann auch eine frühere Bestrahlung erforderlich sein”, legt Prim. Geinitz dar. Ein limitierender Faktor für die Re-Bestrahlung ist die Toleranz des nicht tumortragenden Gewebes. Insbesondere Risikoorgane, die äußerst sensibel auf eine Strahlentherapie reagieren, sind zu schützen und stärkere Nebenwirkungen zu vermeiden. Prim. Geinitz empfiehlt: „Man sollte sich iterativ herantasten und eine Risikoeinschätzung vornehmen.” Dass Ärzte in derselben Situation unterschiedlich behandeln würden, zeigte sich deutlich im Zuge des interaktiven Teils der Tagung. Während einer Podiumsdiskussion wurden das diagnostische und das therapeutische Vorgehen bei einem Patienten diskutiert. Die Veranstaltungsteilnehmer hinter den Computerbildschirmen konnten sich durch zahlreiche Mentimeter-Umfragen in die Debatte einbringen. Waren sich alle Ärzte bei der Re-Bestrahlung noch hinsichtlich der Strahlenart, der anzuwendenden Dosis und des Bestrahlungsintervalls größtenteils einig, so divergierten die Meinungen bei der Re-Re-Bestrahlung. Letztere wurde infolgedessen als medizinische Grauzone bezeichnet. In puncto Re-Re-ReBestrahlung jenes Patienten herrschte wieder weitgehend Konsens.
Re-Bestrahlung der Prostata Im Rahmen der Tagung wurden drei große Serien zur Re-Bestrahlung der Prostata präsentiert, u. a. von Assoc.Prof. Priv.-Doz. Dr. Gregor Goldner, Universitätsklinik für Strahlentherapie, MedUni Wien. Das ist deshalb span-
„Auch nach einer hoch dosierten Strahlentherapie kann eine Re-Bestrahlung des Prostatakarzinoms durchgeführt werden.“
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Foto: © Ordenklinikum Linz
Wie Patienten mit einem (inoperablen) Rezidiv geholfen werden kann