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ReBestrahlung im Fokus

Re-Bestrahlung im Fokus

Wie Patienten mit einem (inoperablen) Rezidiv geholfen werden kann

Lange Zeit galt das Dogma: „Eine Strahlentherapie soll nicht wiederholt werden.“ Patientinnen und Patienten mit einem Rezidiv generell von einer Re-Bestrahlung auszuschließen ist heute nicht mehr vertretbar. Neue und präzisere Techniken und Geräte sowie Erkenntnisse durch In-vitro-, In-vivo- und klinische Studien haben es ermöglicht, Tumoren gezielt wieder zu bestrahlen und dabei die Toleranzgrenze des umliegenden Gewebes nicht zu überschreiten. „Bei der Re-Bestrahlung müssen einige Rahmenbedingungen beachtet werden“, erklärt Prim. Univ.-Prof. Dr. Hans Geinitz, Vorstand der Abteilung für Radioonkologie und Strahlentherapie am Ordensklinikum Linz Barmherzige Schwestern. Anlässlich der Onlinefortbildung „Re-Bestrahlung im Fokus“ fasst er die Highlights der Tagung zusammen.*

Wenige Studiendaten, individuelles Vorgehen

Die Re-Bestrahlung wird allgemein (noch) relativ selten durchgeführt, am Ordensklinikum Linz werden etwa 7 % der Patienten lokal re-bestrahlt. Entsprechend dünn ist die Studienlage. „Hinzu kommt, dass sich individuelle Patientensituationen, unterschiedliche Patientenkollektive und maligne Grunderkrankungen sowie verschiedene Bestrahlungssituationen und Vorbestrahlungen schwer in randomisierte kontrollierte Studien fassen lassen”, erläutert Prim. Geinitz. Mehr prospektive Studien, Fallstudien sowie Multicenterstudien könnten die Studienlage verbessern, ist der Strahlentherapeut überzeugt. Beispielsweise werden in der prospektiven ReCare-Studie der European Organisation for Research and Treatment of Cancer (EORTC) Daten zu unterschiedlichen Tumorentitäten gesammelt. Da nur wenige Studiendaten vorhanden sind, gibt es keine allgemeingültigen Kriterien, die eine Re-Bestrahlung erfüllen muss. „Es gibt aber Anhaltspunkte, die auch bei der Onlinefortbildung diskutiert wurden. Zwischen den Bestrahlungsserien hat sich eine Pause von mindestens sechs Monaten etabliert, um hinsichtlich der Strahlenbelastung auf der sicheren Seite zu sein. Je nachdem, wie stark die Symptome ausgeprägt sind, welche alternativen Behandlungsoptionen zur Verfügung stehen und ob ein kuratives oder palliatives Setting vorliegt, kann auch eine frühere Bestrahlung erforderlich sein”, legt Prim. Geinitz dar. Ein limitierender Faktor für die Re-Bestrahlung ist die Toleranz des nicht tumortragenden Gewebes. Insbesondere Risikoorgane, die äußerst sensibel auf eine Strahlentherapie reagieren, sind zu schützen und stärkere Nebenwirkungen zu vermeiden. Prim. Geinitz empfiehlt: „Man sollte sich iterativ herantasten und eine Risikoeinschätzung vornehmen.” Dass Ärzte in derselben Situation unterschiedlich behandeln würden, zeigte sich deutlich im Zuge des interaktiven Teils der Tagung. Während einer Podiumsdiskussion wurden das diagnostische und das therapeutische Vorgehen bei einem Patienten diskutiert. Die Veranstaltungsteilnehmer hinter den Computerbildschirmen konnten sich durch zahlreiche Mentimeter-Umfragen in die Debatte einbringen. Waren sich alle Ärzte bei der Re-Bestrahlung noch hinsichtlich der Strahlenart, der anzuwendenden Dosis und des Bestrahlungsintervalls größtenteils einig, so divergierten die Meinungen bei der Re-Re-Bestrahlung. Letztere wurde infolgedessen als medizinische Grauzone bezeichnet. In puncto Re-Re-ReBestrahlung jenes Patienten herrschte wieder weitgehend Konsens.

Experte zum Thema: Prim. Univ.-Prof. Dr. Hans Geinitz

Vorstand der Abteilung für Radioonkologie und Strahlentherapie am Ordensklinikum Linz Barmherzige Schwestern

ReBestrahlung der Prostata

Im Rahmen der Tagung wurden drei große Serien zur Re-Bestrahlung der Prostata präsentiert, u. a. von Assoc.Prof. Priv.-Doz. Dr. Gregor Goldner, Universitätsklinik für Strahlentherapie, MedUni Wien. Das ist deshalb span-

„Auch nach einer hoch dosierten Strahlentherapie kann eine Re-Bestrahlung des Prostatakarzinoms durchgeführt werden.“

nend, weil dieses Organ bislang selten re-bestrahlt wurde. Prim. Geinitz fasst die Neuigkeiten zusammen: „Auch nach einer hoch dosierten Strahlentherapie kann eine Re-Bestrahlung des Prostatakarzinoms durchgeführt werden – mit einem vertretbaren Nebenwirkungsrisiko. Eine Salvage-Operation, die ein erhebliches Nebenwirkungsrisiko birgt, ist somit nicht mehr die einzige Behandlungsoption mit kurativem Ansatz in dieser Situation.“

ReBestrahlung der Brust

OÄ Dr.in Christine Track, Abteilung für Radioonkologie und Strahlentherapie, Ordensklinikum Linz Barmherzige Schwestern, präsentierte Daten zur Re-Bestrahlung im Rahmen einer Teilbrustbestrahlung im adjuvanten Setting. „Standard ist hier nicht die brusterhaltende Operation, sondern die Amputation der Brust. Als Alternative kann Patientinnen eine erneute Brusterhaltung mit einer anschließenden TeilbrustRe-Bestrahlung angeboten werden”, schildert Prim. Geinitz. OÄ Dr.in Daniela Kauer-Dorner, Leiterin der Brustambulanz, MedUni Wien, berichtete über eine große Studie, die zeigte, dass die Brachytherapie eine gute Methode für die ReBestrahlung im Brustbereich ist.

ReBestrahlung von KopfHalsTumoren

Über das Thema Kopf-Hals-Tumoren referierte OA Dr. Johann Feichtinger, Stv. Vorstand der Abteilung für Radioonkologie und Strahlentherapie, Ordensklinikum Linz Barmherzige Schwestern. Hierbei kristallisierte sich heraus, dass eine Re-Bestrahlung mit neuen Bestrahlungstechniken deutlich weniger Toxizität aufweist, als dies früher in den alten Bestrahlungsserien der Fall war. Insbesondere schwere Komplikationen sind seltener geworden. „Wir haben nun auch die Möglichkeit, verschiedene Schemata anzuwenden. Bisher ging man davon aus, dass im Kopf-Hals-Bereich eher kleine normal fraktionierte oder sogar hyperfraktionierte Einzeldosen sinnvoll seien. Nun zeigen Studiendaten, dass bei der Re-Bestrahlung auch die gezielte hypofraktionierte Strahlentherapie (stereotaktische Strahlentherapie) eine Rolle spielen kann – übrigens gilt das ebenso für andere Tumorentitäten”, führt Prim. Geinitz aus. Neue Wege in Bezug auf die Fraktionierung beschreitet die Quad-Shot-Studie mit 2 x 3,7 Gy an zwei aufeinanderfolgenden Tagen (Wiederholung alle 3–4 Wochen). Dieses Schema, dessen Wiederholungen je nach Verträglichkeit variiert werden können, stellt eine Option für palliative Patienten in schlechtem Allgemeinzustand oder für Patienten mit vielen Begleiterkrankungen dar.

ReBestrahlung im ZNSBereich

Auf der Tagung wurde insbesondere die Toleranzdosis des Myelons diskutiert, vor allem, da Metastasen der Wirbelsäule häufig re-bestrahlt werden. Den Vortrag hielt der Mitorganisator der Tagung und ein wissenschaftlicher Pionier der Re-Bestrahlung, Univ.-Prof. Dr. Carsten Nieder, Universitaet Tromsø, – er war live aus Norwegen zugeschaltet. „Das Myelon verträgt hohe Dosen von über 70 Gy. Zur Erholungszeit liegen relativ viele Daten vor. Das Nervengewebe erholt sich sehr gut. Zumindest nach einem Jahr – mitunter auch nach sechs Monaten – sind wahrscheinlich bereits 50 % der Gesamtdosis ‚abgebaut‘. Die Kenntnis der Vorbelastung ist wichtig, um eine weitere Bestrahlung durchführen zu können”, so Prim. Geinitz.

Komplementärmedizin und ReBestrahlung

OÄ Mag.a Dr.in Elisabeth Bräutigam, Ärztliche Direktorin, Abteilung für Radioonkologie und Strahlentherapie, Ordensklinikum Linz Barmherzige Schwestern, und Univ.-Prof. Dr. Oliver Micke, Chefarzt der Klinik für Strahlentherapie und Radioonkologie am Franziskus Hospital Bielefeld, klärten über die Komplementärmedizin im Zusammenspiel mit einer Re-Bestrahlung auf. Nutzen und Risiken von komplementärmedizinischen Behandlungen müssen – ebenso wie bei anderen Medikamenten − streng bewertet und kontrolliert werden. „Die Evidenz in diesem Bereich ist nicht so groß wie jene bei konventionellen Therapien, jedoch besteht seitens der Patienten – insbesondere solcher in einer Re-Bestrahlungssituation – eine hohe Nachfrage. Daher müssen komplementärmedizinische Maßnahmen gut gelenkt und von den Radioonkologen mit aufgegriffen werden, um potenziellen Schaden in Kombination mit der Strahlentherapie abzuwenden”, macht Prim. Geinitz aufmerksam.

Emanuel Munkhambwa

* Onlinefortbildung „Re-Bestrahlung im Fokus“ am Ordensklinikum Linz im Mai 2021.

Onkologie für die Praxis 2021: Der alte Mensch und Krebs – Die „Patient Journey“ von der Vorsorge bis zum Rezidiv Fr, 15. bis Sa, 16. Oktober 2021

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