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Fett ist nicht gleich Fett

Dieser Meinung ist auch das Herz – Studienlage und Praxisempfehlungen

Innerhalb des diätologischen Prozesses stellt die Ernährungstherapie eine wichtige Säule des Erfolgs einer medizinischen Gesamttherapie bei koronaren Herzkrankheiten (KHK) dar. Die aktuelle allgemeine Empfehlung bezüglich der Tagesfettzufuhr liegt bei max. 30 % des Gesamtenergiebedarfs.1 Daraus ergeben sich – ausgehend von einem durchschnittlichen Gesamtenergiebedarf von 2.100 kcal – maximal 70 g pro Tag. Der Fettbedarf sollte zum größten Teil durch einfach und mehrfach ungesättigte Fettsäuren (FS) gedeckt werden, wie auch in der Infobox gezeigt wird. Weiters ist auf eine ausreichende Zufuhr von Omega-3- und Omega-6-FS im richtigen Verhältnis zu achten. Wie die empfohlene Zufuhr – allgemein und bei KHK – mit Lebensmitteln gedeckt werden kann, ist Thema dieses Artikels.

Studienlage bei koronarer Herzkrankheit

Studienergebnisse zeigen, dass bei der Reduktion von gesättigten FS in der Ernährung eine wahrscheinliche Evidenz für die Primärprävention von KHK besteht. Um den gewünschten Effekt zu erzielen, muss diese Verringerung jedoch mit einer Steigerung des Anteiles von mehrfach ungesättigten FS kombiniert werden.2 In Zusammenhang mit der Steigerung des Anteiles mehrfach ungesättigter FS wird weiters eine mögliche Evidenz für die Reduktion des Risikos einer koronaren Herzkrankheit und für die Senkung der KHK-Mortalität beschrieben.3

Auf das richtige Verhältnis kommt es an

Zu den Omega-6-FS zählen die Linolsäure (LA) in Pflanzenölen und die Arachidonsäure (AA), welche in tierischen Fetten vorkommt. Zu den Omega-3-FS gehören die Alpha-Linolensäure (ALA) – in Pflanzenölen enthalten – und die Eicosapentaensäure (EPA) sowie Docosahexaensäure (DHA), welche in Fisch- und Algenöl zu finden sind. Beide Fettsäuren haben einen Einfluss

X Infobox: Allgemeine Empfehlungen hinsichtlich der täglichen Fettzufuhr

„ < 1 % Transfettsäuren (2 g) „ 7–10 % gesättigte FS (20 g) „ 13 % einfach ungesättigte FS (30 g) „ 10 % mehrfach ungesättigte FS (20 g) davon: • 2,5 % Omega-6-FS (5 g) Verhältnis von Omega-6 zu Omega-3 • 0,5 % Omega-3-FS (1 g) < 5 : 1

30 % Fett (70 g)*

*Mengenangaben berechnet nach Gesamtenergiebedarf von 2.100 kcal pro Tag (Durchschnittsperson 70 kg/175 cm)

Foto: © Anna Auer, privat

Autorin: Anna Auer, BSc, MSc

Hochschullektorin (FH) Institut für Diätologie an der FH JOANNEUM in Bad Gleichenberg

auf das Entzündungsgeschehen im Körper. EPA und DHA wirken direkt kompetitiv in Bezug auf die AA. Sie hemmen den Umbau von AA in Eicosanoide; die körpereigene Bildung der AA wird gehemmt und diese aus der Zellmembran verdrängt. Eine ausreichende Zufuhr der antiinflammatorisch wirkenden Omega-3-FS im richtigen Verhältnis (Omega-6 zu Omega-3 < 5 : 1) kann somit die proinflammatorische Wirkung der Omega-6-FS teilweise aufheben.4 Der Körper kann die ALA aus Pflanzenölen nur in begrenzter Menge (5–10 %) in die antiinflammatorische EPA und dann in DHA umwandeln (siehe Abbildung).5 Somit ist die alimentäre Zufuhr dieser beiden Fettsäuren wichtig, sie erfolgt direkt durch Fisch und Fischöl. Daraus lässt sich der Ursprung der Empfehlung, ein bis zwei Mal pro Woche Fisch zu verzehren, ableiten.6 Grafik 1 (siehe S. 30) zeigt die EPA- und AA-Gehalte von Lebensmitteln. Eier und Fleisch enthalten ausschließlich AA. Fisch ist hingegen – je nach Sorte – reich an EPA und DHA und hat einen verhältnismäßig niedrigeren Gehalt an AA. Folglich können jene Fischsorten, die reich an EPA sind, zwecks Deckung des Bedarfs an Omega-3-FS empfohlen werden. Fettreiche Seefische weisen einen höheren Gehalt an EPA auf als heimische Fische, da der Hauptbestandteil ihrer Nahrung Algen sind, welche auch als Omega-3-Quelle dienen.8 Vegetarisch oder vegan lebende Patientinnen und Patienten können auf Supplemente aus Algen hingewiesen werden, um den Bedarf an EPA und DHA zu decken. Grafik 2 (siehe S. 30) beinhaltet die Zusammensetzung der Fettsäuren in gängigen Ölen. Die Empfehlung liegt bei < 5 : 1 LA zu ALA. Leinöl, Rapsöl und Walnussöl sind in ihrer Zusammensetzung optimal. Olivenöl weist zwar kein optimales LA-ALA-Verhältnis auf, jedoch hat es einen hohen Gehalt an einfach ungesättigten FS und kann deshalb empfohlen werden. Butter weist ein sehr gutes LA-ALA-Verhältnis auf, jedoch auch einen hohen Gehalt an gesättigten

X Abbildung: Bioverfügbarkeit von

EPA/DHA aus verschiedenen Quellen

Autorin: Julia Scharf, BSc

Studierende und studentische Mitarbeiterin am Institut für Diätologie an der FH JOANNEUM in Bad Gleichenberg

Sanftes Cholesterin-Management

Milchsäurebakterien, Berberin sowie Vitamin B1 (Thiamin) für die Herzgesundheit

Bei der Unterstützung der Herzgesundheit können sowohl Lebensstilveränderungen als auch Nahrungsergänzungsmittel hilfreiche Optionen sein. Eine schonende Möglichkeit, die Herzfunktion und den Cholesterinspiegel positiv zu beeinflussen, können natürliche Produkte auf Basis von Milchsäurebakterien, Berberin und Vitamin B1 (Thiamin) sein. Bestimmte Bakterienstämme wirken sich positiv auf den Fettstoffwechsel aus: Sie können erwiesenermaßen die Cholesterin- und Triglyceridspiegel senken.1 Lactobacillus plantarum (L. plantarum) ist die vorherrschende Lactobacillus-Spezies in der menschlichen Mund- und Darmschleimhaut. Die drei L.-plantarum-Stämme CECT 7527, 7528 und 7529 sind in der Lage, die MagenDarm-Passage gut zu überstehen, Gallensäuren abzubauen, Cholesterin aufzunehmen, und können kurzkettige Fettsäuren produzieren. Berberin wird als Extrakt aus der Rinde von Berberis aristata, einer speziellen Berberitzenart, gewonnen. Berberin hat einen positiven Einfluss auf den Cholesterin- und Triglyceridspiegel im Blut und leistet einen Beitrag zu einer cholesterinsenkenden Diät. Vitamin B1 (Thiamin) zählt zu der Gruppe der wasserlöslichen B-Vitamine. Im menschlichen Körper übernimmt das Vitamin wichtige Funktionen, darunter trägt es zu einer normalen Herzfunktion bei. ATERObasic® plus ist ein Nahrungsergänzungsmittel auf Basis von Milchsäurebakterien, Berberin und Vitamin B1 (Thiamin). Für das Cholesterin-Management ist es wesentlich, dass Betroffene ihren eigenen Beitrag leisten. Natürliche und verträgliche Maßnahmen für die Herzgesundheit verhelfen den Personen zu mehr Vitalität und können somit die Bereitschaft zur Kooperation erhöhen. Dadurch werden Lebensstilveränderungen – beispielsweise eine Ernährungsumstellung und mehr Bewegung – eher eingehalten und können insgesamt zur Verbesserung der Gesundheit beitragen.

Quellen: 1 Fuentes MC, et al. A randomized clinical trial evaluating a proprietary mixture of Lactobacillus plantarum strains for lowering cholesterol. Med J Nutrition

Metab 2016; 9: 125– 35.

Nahrungsergänzungsmittel. Eine ausgewogene und abwechslungsreiche Ernährung und eine gesunde Lebensweise sind wichtig. ATE_2021_001

FS und sollte daher nur sehr sparsam verwendet werden. X Grafik 1: AA/EPAGehalte pro 100 Gramm Lebensmittel

AA/EPAGehalte mg/100 g Lebensmittel

Praxisempfehlungen – allgemein und bei KHK

Bei Einhaltung der allgemeinen Empfehlung für eine gesunde Ernährung, ein bis zwei Mal pro Woche Fisch zu verzehren, können bis zu 2.000 mg EPA pro Woche aufgenommen werden.10 Das entspricht mindestens 0,3 g EPA pro Tag. Bei zusätzlicher Aufnahme von ein bis zwei Esslöffel (EL) pflanzlicher Öle mit optimalem LA-ALA-Verhältnis kann insgesamt – jedoch abhängig von der individuellen körpereigenen Synthese – bis zu 1 g EPA pro Tag zugeführt werden. Als vegetarische oder vegane Alternative kann Algenöl in entsprechender Menge empfohlen werden. Der Speiseplan für eine gesunde Ernährung sollte demnach beispielsweise … • … ca. 300 g Makrele, Lachs oder Alpenlachs, ca. 600 g Hering, ca. 150 g

Sprotten pro Woche

oder

• … ½ TL Algenöl pro Tag (entspricht 2,5 g, der EPA-Gehalt ist produktabhängig)

und

• … 1–2 EL (entspricht 20 g) Pflanzenöle mit optimalem LA-ALA-Verhältnis (Rapsöl, Leinöl oder Walnussöl) pro Tag enthalten. Bei KHK wird eine tägliche Aufnahme von 1 g Omega-3-FS pro Tag als Add-on in der Therapie empfohlen.11 Dies entspricht einer zusätzlichen Aufnahme von 6.000 mg EPA pro Woche.10 Aufgrund der unsicheren individuellen Synthese der EPA aus pflanzlichen Ölen lautet die therapeutische Zufuhrempfehlung neben der allgemeinen wie folgt: • ca. 1 kg Makrele, Lachs oder Alpenlachs, ca. 1,5 kg Hering, ca. 500 g

Sprotten pro Woche

oder

• 5 EL Algenöl pro Woche (entspricht 50 g, der EPA-Gehalt ist produktabhängig) Grundsätzlich sollte auf eine Deckung des Bedarfs über natürliche Lebensmittel hingewiesen werden. Wenn dies aber aus diversen Gründen, z. B. wegen einer Abneigung gegen Fisch, Öl oder wegen eines erhöhten Bedarfs an Omega-3, nicht umsetzbar ist, dann sollten Nahrungssupplemente angedacht werden. Um eine adäquate ernährungstherapeutische Versorgung der Patienten bei KHK zu gewährleisten, ist die Erhebung der Ernährungsanamnese im Zuge des diätologischen Prozesses unerlässlich. Aufgrund der wechselseitigen Effekte der beschriebenen FS hängen die individuellen Zufuhrempfehlungen von der aktuellen Nahrungs-, Energie- und Nährstoffzufuhr ab.

Algenöl Alpenlachs Forelle Saibling Zander Karpfen Sprotten* Hering* Lachs*/Makrele* Kalbsschnitzel (fa) Kalbsgulasch (fa) Schweinekotelett (fa) Schweinerippe (fr) Schweinebauchspeck (fr) Schweineschmalz (fr) Rindersteak (fa) Rinderfaschiertes (fr) Rinderfilet (fa) Hühnerbrust (fa) Hühnerkeule (fr) Eigelb

12180 mg

AA EPA (fa) = fettarm (fr) = fettreich

0 200 400 600 800 1.000 1.200 1.400 1.600 1.800

*Achten Sie beim Kauf auf nachhaltigen/nachhaltige Fischfang/-zucht (ASC- und MSC-Umweltsiegel)

Fazit

Die richtige Fettsäurezufuhr – vor allem der Omega-6-FS und der Omega-3-FS – kann sichtbare Auswirkungen auf die Primärprävention und die Risiko- und Mortalitätssenkung bei KHK haben. Für Patienten sind individuelle Ernährungsempfehlungen bezüglich der Fettsäurezufuhr im Rahmen der Gesamternährung wesentlich. <

X Grafik 2: LA/ALAVerhältnis in pflanzlichen Ölen

Leinöl Rapsöl Walnussöl Olivenöl Sojaöl Weizenkeimöl Maiskeimöl Sonnenblumenöl Kürbiskernöl Butter

1

4

LA/ALAVerhältnis

5

2

5 1

5,6 0,4

5,5 0,5

5,6 5,8 5,8 5,9 4,5

0,4 0,2 0,2 0,1 1,5 0 1 2 3 4 5 6 LA ALA

Quellen: 1 DACH, Richtwerte für die Fettzufuhr, 2020. 2 DGE, Evidenzbasierte Leitlinie: „Fettzufuhr und

Prävention ausgewählter ernährungsmitbedingter

Krankheiten, 2015. 3 Abdelhamid et al, Cochrane Database of Systematic

Reviews, 2020. 4 Adam, Ernährungs-Umschau 2008, 12: 734–740. 5 Kuhnt, UGBforum, 2014. 6 AGES, Die österreichische Ernährungspyramide, 2020. 7 Verband der Diätologen Österreichs/FH Joanneum,

Kurs Nachhaltige Ernährung, 2020. 8 Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB), Aquakulturinfo/Fettsäuren, 2020. 9 Biesalski et al, Ernährungsmedizin, 2017. 10 Mayerhofer B., Nut.s Nutritional Software, 2016. 11 S3LL KardReha, 01.2020.

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