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Von Acerola bis Zink

Mikronährstoffe für das Immunsystem

Dass eine ausgewogene Ernährung – und damit eine adäquate Versorgung mit Mikronährstoffen – essentiell für die Funktion des Immunsystems ist, gilt heute als bestätigt. Ein schlechter Mikronährstoffstatus erhöht die Infektanfälligkeit und den Schweregrad einer Infektion.1,2 Eine Unterernährung stellt in Industriestaaten allerdings nur selten die Ursache dar. Wesentlich häufiger liegt den immunologischen Störungen eine Überernährung mit einer erhöhten Zufuhr von „leeren“ Kalorien (Zucker, Weißmehl, tierische Fette) bei gleichzeitiger Unterversorgung mit immunrelevanten Vitaminen und Spurenelementen zu Grunde.

Vitamin C

Eine chronisch zu niedrige VitaminC-Zufuhr schwächt das Immunsystem nachweislich, ein echter Mangel kommt hierzulande allerdings kaum noch vor. In der Regel gewährleistet eine Ernährung mit hohem Obst- und Gemüseanteil eine ausreichende Vitamin-C-Versorgung. Bei starker körperlicher Belastung kann eine prophylaktische Einnahme jedoch sinnvoll sein. Die Studienlage in Hinblick auf den Zusammenhang von Vitamin-C-Supplementierung und Immunresistenz ist uneindeutig. Insgesamt scheint die alleinige Gabe von Vitamin C zwar die Inzidenz einer Erkältung nicht zu senken, wohl aber die Krankheitsdauer zu verkürzen.3 Die Tagesdosis sollte auf mehrere Einzelgaben über den Tag verteilt werden, Alternativen sind Präparate mit retardierter Wirkung. Um die Resorption zu verbessern, ist eine gleichzeitige Einnahme von Bioflavonoiden vorteilhaft. Die Kombination kommt beispielsweise in der AcerolaKirsche natürlich vor. Für magensensible Patienten bietet sich gepuffertes Vitamin C (z. B. Natriumascorbat) an.

Vitamin A

Ein Mangel an Vitamin A (Retinol) geht mit einer erhöhten Infektanfälligkeit einher. Dies lässt sich u. a. damit erklären, dass Retinol maßgeblich für die Aufrechterhaltung der Integrität des Schleimhautepithels ist – und damit für die Immunabwehr an vorderster Front.4 Bereits eine geringfügige Unterversorgung lässt das Infektionsrisiko etwa auf das Zwei- bis Dreifache ansteigen. Die DACH-Referenzwerte wurden erst kürzlich aktualisiert und empfehlen nun für Frauen eine tägliche Zufuhr von 700 µg RAE (Retinolaktivitätsäquivalent), für Männer 850 µg RAE.5 Die Einnahme hoher Dosierungen darf auf Grund der Gefahr einer Hypervitaminose nur unter ärztlicher Kontrolle erfolgen. Typische Symptome einer

X Tabelle: Mikronährstoffe im Überblick

Mikronährstoff

Vitamin C

Vitamin D

Vitamin A

Zink

Selen

Wichtige Mechanismen im Immunsystem1 ,11

„ antioxidativer Zellschutz (z. B. der Phagozyten) „ Integrität der Schleimhautbarriere „  chemotaktische Antwort der Neutrophilen „ Antikörper-Produktion (IgM, IgG) „ T-Zell-Reifung (über epigenetische Mechanismen) „ Synthese von antimikrobiellen Peptiden (Cathelicidine und

Defensine)

„ Modulation von Makrophagen/Monozyten „  proinflammatorische Zytokine aus Makrophagen (IL-1, TNF-α) und aus T-Zellen (INF-у, IL-1, IL-8, IL-6) „ Differenzierung von Treg-Zellen „ mukosale Immunität „  Wachstum, Differenzierung und Funktion von NK-Zellen,

Makrophagen, Neutrophilen „  Antikörper-Produktion „ Immunregulation via Treg-Zellen „ direkte antivirale Effekte „  oxidativer Stress „  IL-2, IL-6, TNF-α „ Thymus: Produktion von T-Zellen (Zn-Thymulin-Komplex) „ Antioxidans „ antivirale Wirkung „  Virulenz der Erreger

Empfohlene Dosierung 11 ,12

800–1.000 mg/d

Anmerkung

auf mehrere Einzeldosen über den Tag verteilt, idealerweise in Kombination mit Bioflavonoiden

800–4.000 I.E./d (40–60 I.E./kg/KG/d) Dosierung wird idealerweise individuell nach Blutspiegel ermittelt

♀ 700 µg RAE/d ♂ 850 µg RAE/d

prophylaktisch: 10–25 mg/d akut: 5–6 x 10 mg/d

100–200 µg/d (bevorzugt als Natriumselenit oder Selenomethionin) langfristige hochdosierte Anwendung (≥ 300 µg/d) nur unter ärztlicher und labordiagnostischer Kontrolle

in hohen Dosen teratogen, Gefahr einer Hypervitaminose

akut bevorzugt als Lutsch- oder Brausetablette, innerhalb von 24 h nach Symptombeginn, max. 5–7 Tage

Überdosierung sind Kopfschmerzen, gastrointestinale Beschwerden, Hautausschläge – bis hin zu Leberschäden bei dauerhaftem Konsum. Zu bedenken gilt es außerdem, dass Vitamin A in hohen Dosen teratogen ist.6

Vitamin D

Vitamin D3 (Cholecalciferol) wird in der Haut aus 7-Dehydrocholesterol durch UV-Strahlung synthetisiert. Über die Wintermonate ist eine ausreichende körpereigene Synthese häufig nicht gewährleistet. Insbesondere Personen mit einem niedrigen Vitamin-D-Status (Serumspiegel < 25 nmol/l) profitieren von der Einnahme von Präparaten. Ein kürzlich publizierter Review berichtete von einem geringeren Influenza- und COVID-19-Infektionsrisiko sowie von einer Senkung der Mortalität durch Vitamin-D-Gabe. Zurückführen ließen sich diese Effekte auf eine Beeinflussung der entzündlichen Prozesse sowie auf eine Modifizierung der adaptiven Immunantwort (Reduktion der Th1Helferzellen-Antwort).7 Die besagten Befunde werden durch eine Metaanalyse gestützt, welche protektive Auswirkungen auf Atemwegsinfektionen bei einer täglichen Gabe von Vitamin D zeigen konnte.8 Für Vegetarier ist das in Pflanzen vorkommende Vitamin D2 als Supplement geeignet – Vitamin D3 (tierischen Ursprungs) weist allerdings eine bessere Verfügbarkeit auf.

Zink

Das Spurenelement Zink ist nicht nur ein wichtiges Antioxidans, sondern auch Bestandteil von über 3.000 Enzymen und spielt damit eine wichtige Rolle für diverse Stoffwechselprozesse. Über die Ernährung kann Zink durch Fleisch, Eier, Hirse, Nüsse und Haferflocken zugeführt werden. Allerdings wirkt die in Pflanzen häufig vorkommende Phytinsäure resorptionshemmend. Weitere Faktoren, welche sich negativ auf die Zinkaufnahme auswirken, sind Calcium, Eisen (II) und Folsäure. Bei westlicher Mischkost beträgt die Bioverfügbarkeit von Zink in der Nahrung nur ca. 20–30 %. Auch H2Blocker (z. B. Ranitidin) beeinträchtigen die Resorption von Zink. Prophylaktisch wird eine tägliche Zufuhr von 10–25 mg/d in Form von organischen Verbindungen (Zinkgluconat, -citrat, -picolinat) empfohlen. Ohne einen nachweislichen Mangel sollte Zink nicht über einen längeren Zeitraum in hohen Dosierungen eingenommen werden. Eine Ausnahme stellt die kurzfristige Einnahme hoher Dosierungen innerhalb von 24 Stunden nach Auftreten der ersten Erkältungssymptome dar. Dadurch kann die Dauer des Infekts um einen Tag verkürzt werden bzw. der Verlauf abgemildert werden.9 Im Akutfall hat sich die Zufuhr von Zink in Form von Lutsch- oder Brausetabletten bewährt, letztere dienen zum Gurgeln. Ein direkter Kontakt der Zink-Ionen mit der Virusoberfläche scheint entscheidend zu sein. Die hochdosierte Einnahme sollte auf einen Zeitraum von 5–7 Tage beschränkt bleiben. Mögliche Nebenwirkungen sind abdominelle Beschwerden und ein unangenehmer Geschmack im Mund.

Selen

Ein Selenmangel schwächt das Immunsystem und erhöht die Pathogenität und Virulenz von Krankheitserregern.10 Ob allein deshalb eine Supplementierung sinnvoll ist, bleibt fraglich. In zwei klinischen Studien zeigte die Selengabe zwar einen positiven Einfluss auf diverse Marker (u. a. CRP, IL-1β, IL-6), in Bezug auf klinisch relevante Endpunkte konnte jedoch kein Effekt nachgewiesen werden.4 Problematisch ist darüber hinaus die geringe therapeutische Breite mit der Gefahr einer Selenintoxikation.

Mag.a Dr.in Irene Senn

Quellen: 1 Pecora F et al., Nutrients 2020;12(10), 3198. 2 Hauner H, MMW Fortschr Med 2020;162(9):57-60. 3 Hemilä H et al., Cochrane Database Syst Rev 2013;2013(1):Cd000980. 4 Iddir M et al., Nutrients 2020;12(6):1562. 5 DGE. Neue D-A-CH-Referenzwerte für die Vitamin-A-Zufuhr. 2020. 6 Gröber U, Zeitschrift für Orthomolekulare Medizin 2019;17:44-49. 7 Grant WB et al., Nutrients 2020;12(4). 8 Bergman P et al., PLoS One 2013;8(6):e65835. 9 Singh M et al., Cochrane Database Syst Rev 2013(6):Cd001364. 10 Guillin OM et al., Nutrients 2019;11(9). 11 Gröber U et al., Deutsche Zeitschrift für Onkologie 2020;52:1-6. 12 Gröber U. Mikronährstoffe, 2011, Wissenschaftliche

Verlagsgesellschaft, Stuttgart.

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