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COPD: Das Ringen nach Luft
Überblick über Interventionen zur Reduktion der Atemnot

Dyspnoe stellt nicht nur das häufigste Symptom einer chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD) dar, sondern sie hat auch weitreichende Auswirkungen auf die körperliche Aktivität und die Lebensqualität – die Mortalität steigt ebenfalls durch sie. Allerdings sind die Mechanismen hinter der Atemnot komplex und ein effektives Management des Symptoms gestaltet sich schwierig. Ein personalisierter, patientenzentrierter Ansatz könnte laut verschiedenen Forscherteams vielen Menschen mit COPD helfen,1 weswegen nachfolgend unterschiedliche Interventionen zur Linderung der Dyspnoe vorgestellt werden. Aus ihnen können Ärzte die für ihre Patienten passenden wählen.
Mechanismen hinter der Dyspnoe
Atemnot kann als Ungleichgewicht zwischen dem Bedarf an Atemluft und der Fähigkeit, diese in ausreichender Menge zuzuführen, angesehen werden.1 Um mehr Luft zu bekommen, wird bei einer Dyspnoe der neuronale Atemantrieb erhöht, allerdings bleibt eine adäquate (mechanische) Antwort des Atmungssystems aus. Das Zwerchfell und die anderen Bestandteile der Atemmuskulatur schaffen es nicht, die erkrankte Lunge hinlänglich mit Sauerstoff zu versorgen. Vor allem unter Belastung treten Faktoren auf, die den neuronalen Atemantrieb stimulieren und so das Ungleichgewicht weiter fördern. Zu jenen Faktoren zählen u. a. eine erhöhte CO2-Produktion, Hypoxie, frühe Anzeichen einer metabolischen Azidose oder eine Erhöhung des anatomischen Totraumvolumens.1 Viele Betroffene nehmen die Atemnot als Bedrohung wahr, die mit Angst oder Depression assoziiert sein kann. Infolgedessen werden häufig Tätigkeiten vermieden, die das Symptom auslösen können – die Patienten neigen zu einem bewegungsarmen Lebensstil und ihre Fitness nimmt ab.2
Serie PULMOLOGIE
Medikation und Sauerstoffgabe
Inhalative Bronchodilatatoren reduzieren die Überblähung der Lunge, weil sie den Atemwegswiderstand vermindern und die exspiratorische Einsekundenkapazität (FEV1) durch eine Erschlaffung des Muskeltonus der Atemwege erhöhen. Sie gelten laut der Leitlinie3 bezüglich der COPD als Basismedikamente zur Prävention bzw. Reduktion von Symptomen. Lang wirksame Beta-2Sympathomimetika (LABA) und lang wirksame Muskarinantagonisten (LAMA) lindern nicht nur die Dyspnoe signifikant, sondern verbessern auch die Lungenfunktion und den Gesundheitsstatus im Allgemeinen. Außerdem führen sie zu einer Senkung der Exazerbationsraten. Sowohl die Überblähung in Ruhe als auch jene bei körperlicher Anstrengung wird durch Bronchodilatatoren verringert.3 In Bezug auf Dyspnoe können überdies Opioide bei klinisch stabilen COPDPatienten zur Anwendung kommen. Sie erfordern eine vorsichtige Titration. Bei instabilen, älteren Patienten besteht jedoch die Gefahr einer Atemdepression.1 Die Leitlinie nennt niedrig dosierte orale und parenterale Opioide als Option für Patienten mit fortgeschrittener Erkrankung und schwerer Dyspnoe.3 Die Belastungsdyspnoe kann darüber hinaus durch die Gabe von Sauerstoff reduziert werden. Scheinbar profitieren nicht nur Patienten mit manifester Hypoxie, sondern auch jene mit einem weniger ausgeprägten Krankheitsbild davon.1
Das Wichtigste in Kürze
Dyspnoe reduziert die körperliche Aktivität und die Lebensqualität, während die Mortalität steigt. Viele Betroffene nehmen die Atemnot als Bedrohung wahr, die mit Angst oder Depression assoziiert sein kann. LABA und LAMA lindern nicht nur die Dyspnoe signifikant, sondern verbessern auch die Lungenfunktion und den Gesundheitsstatus im Allgemeinen. Ein Training der Atemmuskulatur und der Muskulatur der oberen Extremitäten trägt zu einer signifikanten Reduktion der Dyspnoe bei. Auch Tai-Chi oder „mind-body breathing“ können Patienten dabei helfen, Dyspnoe und Ängste besser in den Griff zu bekommen.
Dyspnoe durch Training mildern
Eine 2021 publizierte Metaanalyse4 demonstriert, wie Trainingsprogramme dazu beitragen können, Dyspnoe zu reduzieren und die Aktivitäten des täglichen Lebens bei COPD-Patienten zu steigern. Die Forscher identifizierten 18 randomisierte, kontrollierte Studien, welche die Zusammenhänge zwischen einer Stärkung der Atemmuskulatur bzw. der Muskulatur der oberen oder unteren Extremitäten und dem Auftreten von Dyspnoe unter Belastung oder im täglichen Leben beleuchteten. Dabei zeigte sich, dass das Training der Atem- >
muskulatur und der Muskulatur der oberen Extremitäten zu einer signifikanten Reduktion der Dyspnoe beitrug – sowohl unter Belastung als auch bei Aktivitäten des täglichen Lebens. Bei einem Training der unteren Extremitäten ließ sich hingegen keine signifikante Besserung der Dyspnoe feststellen. Nicht nur ein gezieltes Training der Muskulatur kann zu einer Linderung von Atemnot und den mit der Erkrankung assoziierten Ängsten führen – auch andere Interventionen zeitigten in einer Studie eine gute Wirksamkeit.5 In der randomisierten, kontrollierten Pilotstudie wurden die Berichte von 66 Patienten ausgewertet, von welchen je ein Drittel einer anderen Intervention zugeteilt worden war. So absolvierten je 22 Patienten mit moderater bis starker COPD zwölf Wochen lang ein Programm, in welchem sie Tai-Chi oder „mind-body breathing“ erlernten oder innerhalb der Kontrollgruppe über ihre Erkrankung informiert wurden. In beiden Interventionsgruppen berichteten die Patienten über eine Verbesserung ihrer Wahrnehmung, die Dyspnoe sowie Ängste selbst in den Griff zu bekommen, des Weiteren über eine Steigerung ihrer körperlichen Fähigkeiten. Insbesondere die Tai-Chi-Gruppe gab an, nach der Intervention vermehrt auf physische Aktivitäten Wert legen zu wollen.
Fazit für die Praxis
Atemnot ist nicht nur eine unangenehme Begleiterscheinung einer COPD, deren Schweregrad im ärztlichen Gespräch regelmäßig erfasst werden sollte (siehe Tabelle). Sie kann bei den Patienten auch zu Ängsten und Depressionen führen und langfristig eine geringere Mobilität und eine erhöhte Mortalität nach sich ziehen. Um solche Entwicklungen hintanzuhalten, sollten neben medikamentösen Maßnahmen auch Lebensstiländerungen im Sinne regelmäßiger körperlicher Betätigung vorgenommen werden.
Mag.a Marie-Thérèse Fleischer, BSc
Quellen: 1 O’Donnell DE et al., Adv Ther 2020; 37: 41-60. 2 Parshall MB et al., Am J Respir Crit Care Med 2012; 185(4): 435-452. 3 Vogelmeier C et al., S2k-Leitlinie zur Diagnostik und Therapie von Patienten mit chronisch obstruktiver Bronchitis und Lungenemphysem (COPD), Stand: 01/2018. 4 Zhang F et al., Medicine (Baltimore) 2021; 100(9): e24930. 5 Gilliam EA et al., PLoS ONE 2021; 16(4): e0249263.
X Tabelle: mMRCSkala für Dyspnoe3
Stufe Beschreibung
0 Ich werde nur bei starker Belastung kurzatmig. 1 Ich werde kurzatmig, wenn ich mich auf ebener Erde beeile oder wenn es einen leichten Anstieg gibt.
2
Ich gehe wegen Atemnot langsamer als Altersgenossen oder ich muss anhalten, um Luft zu holen, wenn ich auf ebener Erde gehe. 3 Ich halte an, um Luft zu holen – nach 100 m oder nach wenigen Minuten (ebenerdig). 4 Ich bin zu kurzatmig, um das Haus zu verlassen, oder ich bin beim An- und Ausziehen kurzatmig.