„Entstigmatisierung der Substanzen und ihrer Anwender“ Die Bedeutung des Substitutionsprinzips für die Behandlung eines problematischen Stimulanziengebrauchs*
+++ Entgleisender Gebrauch von Stimulanzien +++ körperliche und psychische Beeinträchtigungen +++ neue Arzneimittel mit niedrigem Risikoprofil +++ Sowohl der medizinische als auch der außermedizinische Konsum von Psychostimulanzien aller Art (Kokain, ATS und Kathinonen) stieg in den letzten Jahren kontinuierlich an. Dafür ist einerseits eine Verbreiterung des Spek trums medizinischer Indikationen (z. B. ADHS bei Erwachsenen), andererseits eine Fülle von Motivationen zum außermedizinischen Gebrauch (z. B. Selbst optimierung, Chemsex) verantwortlich. Die Wirkmechanismen der verschiedenen stimulierenden Substanzen lassen sich miteinander vergleichen. Sie beeinflussen den Katecholaminstoffwechsel, wobei sie insbesondere den Dopaminstoffwechsel betreffen. Amphetamine greifen in vergleichbarer Weise auch in den Noradrenalinstoffwechsel ein, Kokain darüber hinaus in den Serotoninstoffwechsel. Die Effekte der Stimulanzien sind dosisabhängig. Aufgrund großer Erwartungen an den positiven Effekt der Stimulanzien und des Umstandes, dass sie ein hohes Abhängigkeitspotential aufweisen, stellt ein entgleisender Gebrauch keine Seltenheit dar. Während bei adäquater Dosierung zentraler Stimulanzien keine schädli-
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September 2021
chen Wirkungen zu erwarten sind, treten bei hoher und überhöhter Dosierung regelmäßig sowohl körperliche als auch schwere psychische Beeinträchtigungen auf. Die körperlichen Auswirkungen betreffen das Herz-Kreislauf-System, den Appetit und den Schlaf-wach-Rhythmus. Als Formen psychischer Beeinträchtigung werden häufig eine paranoide Verstimmung und sogar psychotische Manifestationen beobachtet, was zur Stigmatisierung der Substanzen führen kann. Man erachtet sie als besonders gefährliche Drogen. Derzeit gilt dies vor allem für Methamphetamin, früher sind andere Amphetaminderivate verteufelt worden (z. B. Phenmetrazin, als es als Appetitzügler unter dem Namen Preludin vermarktet wurde).
Adäquate Behandlungskonzepte Der zunehmende Konsum dieser Stoffe und die damit verbundenen medizinischen, psychologischen, sozialen und kriminologischen Probleme haben das Augenmerk darauf gerichtet, adäquate Behandlungskonzepte zu entwickeln. Weil das Konzept der arzneimittelge-
stützten Behandlung bei anderen Substanzkonsumstörungen Priorität hat, wird es auch in der Therapie des problematischen Stimulanziengebrauchs verfolgt. Dabei können Strategien zur Anwendung kommen, die verschiedenen Zielvorstellungen folgen: • Einsatz von (Opioid-)Antagonisten, • Entwöhnung mithilfe von alternativen Substanzen (z. B. Bupropion oder Modafinil), • kurzfristige Agonisten-Substitution zur Überbrückung, • temporäre Agonisten-Substitution, • Langzeitsubstitution mit Agonisten, • Kombination von Pharmakotherapie und psychosozialer Intervention.
Schwierige Umsetzung Die Umsetzung der therapeutischen Vorstellungen wird durch das Stigma erschwert, mit welchem die Substanzen und ihre Konsumenten behaftet sind. Langzeitsubstitution, wie etwa die Diamorphingestützte Substitution, erscheint auf jeden Fall schwieriger als die vergleichbare Zielvorstellung bei der Opioidsubstitution, da die Anpassung an individuelle Vorstellungen und Wünsche der Patient en kaum möglich ist. Dies betrifft vor allem die Dosierung, denn hochdosierte Substitution wie auch injizierende Anwendung müssen vermieden und die Anforderungen an die Patienten
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Hausarzt medizinisch