Hausarzt 09/2021

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Hausarzt medizinisch

Ein Stich, viele Möglichkeiten

Foto: © shutterstock.com/ KPixMining

Borreliose-Update aus Forschung und Praxis

Das erhöhte Risiko, sich mit der LymeBorreliose anzustecken, besteht noch bis in den Herbst hinein. Erst bei Temperaturen unter 6 °C werden Zecken inaktiv. Diese sind häufig mit Borrelien infiziert. „Nicht jeder Stich führt zu einer Infektion. Und nicht jede Infektion verursacht Symptome“, weiß Doz. Dr. Alexander Zoufaly, Facharzt für Innere Medizin, Infektiologie und Tropenmedizin. „Je nach Region und Alter lassen sich bei bis zu 20 % der gesunden Normalbevölkerung spezifische BorrelienIgG-Antikörper nachweisen“, ergänzt der Mediziner. Zecken übertragen bekanntlich nicht nur Borrelien. Am Institut für Hygiene und Angewandte Immunologie der MedUni Wien wird bundesweit kontinuierlich das Krankheitsprofil der Zecken überwacht: In 26 % der Zecken werden Lyme-Borrelien gefunden, in 17 % Rickettsien, in 5 % Candidatus Neoehrlichia mikurensis, in 3 % Babesien, in 2 % die Rückfallfieberborrelie Borrelia miyamotoi und in 1 % Anaplasma phagocytophilum. „Infektionen mit Lyme-Borrelien sind die von uns am häufigsten diagnostizierten,

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jedoch sahen wir in den letzten Jahren auch immer wieder Infektionen mit den anderen genannten Pathogenen, die man somit bei der Diagnose nach einem Zeckenstich in Erwägung ziehen muss“, berichtet Univ.-Prof. Dr. Hannes Stockinger, Leiter des Instituts für Hygiene und Angewandte Immunologie an der Medizinischen Universität Wien. Die Möglichkeiten, eine Lyme-Borreliose zu verhindern, sind begrenzt. Der Schlüssel liegt in der Expositionsprophylaxe. Bekanntlich muss die Zecke außerdem ehestmöglich entfernt werden, um eine Infektion abzuwenden. Derzeit gibt es zwar kein zugelassenes Borreliose-Vakzin, aber einige Impfstoff-Ansätze. „Aufgrund der leider weit verbreiteten Impfskepsis ist die pharmazeutische Industrie bezüglich der Markteinführung eines Impfstoffes jedoch zurückhaltend“, so Prof. Stockinger. Ein schlagendes Argument gegen Vakzine sei wohl auch die effiziente Therapie mittels Antibiotika – ganz im Gegensatz zu den eingeschränkten Behandlungsmöglichkeiten bei einer FSMEInfektion.

Häufige Fehldiagnose bei mangelnder Erfahrung Das häufigste Krankheitsbild einer Lyme-Borreliose ist das Erythema migrans (EM). Die Wanderröte tritt frühestens nach zwei Tagen auf und wird vor allem an der Größenprogredienz erkannt. „Die Rötung kann dabei durchaus auch flächig sein, die typische Ringform bildet sich oft erst recht spät aus – ein Fehlen der zentralen Abblassung kann nicht zum Ausschluss dieser akuten Hautinfektion führen“, betont Doz. Zoufaly. Gelegentlich komme es zur Ausschwemmung von Bakterien über die Blutstrombahn oder das Lymphsystem, was Erkrankungen anderer Organsysteme wie des Nervensystems, des Herzens oder der Gelenke erkläre. Im Stadium des Erythema migrans seien serologische Tests auf Antikörper gegen Lyme-Borrelien nur selten positiv, merkt Prof. Stockinger an. Eine Ausnahme könne eine verschleppte oder übersehene Wanderröte, beispielsweise am Rücken, sein. Die Entwicklung der Antikörper nehme nach einer Infektion etwa zwei Wochen in Anspruch.


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