Hausarzt 09/2021

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Hausarzt medizinisch

Schilddrüse mitbeteiligt Eine regelmäßige Bestimmung der Schilddrüsenfunktionsparameter wird bei COVID-19-Patienten mit mittelschweren bis schweren Verläufen empfohlen

Foto: © Felix Knöbl, privat

Im März 2020 wurde die Coronavirus2019(COVID-19)-Pandemie erstmals offiziell von der WHO als solche bezeichnet, eine Pandemie mit über hundert Millionen Infizierten und zum jetzigen Zeitpunkt knapp drei Millionen Toten weltweit.1 Das SARS-CoV-2 (engl.: „severe acute respiratory syndrome coronavirus type 2“, dt.: schweres akutes Atemwegssyndrom – Corona­ virus Typ 2), verantwortlich für die COVID-19-Erkrankung, wirkt im menschlichen Organismus primär durch die zelluläre Bindung an den Angiotensin-Converting-Enzyme-2(ACE-2)-Rezeptor und an die transmembrane Serinprotease 2 (TMPRSS2). Letztere wird vermehrt in menschlichen Epithelzellen gefunden, vorrangig in der Lunge, im Verdauungstrakt, im Blutgefäßsystem, in der Niere wie auch in den Follikelzellen der Schilddrüse.2,3 Die Schilddrüsenbeteiligung durch SARS-CoV-2, welche dieser Artikel in den Fokus rückt, kann aus zweierlei Gründen erfolgen. Einerseits wegen der direkten Schädigung des Schilddrüsengewebes durch das Virus, andererseits wegen der durch das Virus induzierten komplexen immunmediierten Kaskade.

Autor: OA Dr. Felix Knöbl Facharzt für Innere Medizin, LK Mödling

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September 2021

Die Arbeiten von Rotondi et al. zeigen, dass SARS-CoV-2 potentiell in die epithelialen Schilddrüsenzellen eindringen kann.4 Bei der vergleichenden Betrachtung von verstorbenen und überlebenden COVID-19-Patientinnen und -Patienten wies in einer Arbeit von Chen et al. die Gruppe der verstorbenen Patienten einen signifikant niedrigeren Spiegel von TSH (thyr­ eoidstimulierendes Hormon) sowie von fT3 (freies Triiodthyronin) bei gleichen fT4 (Freies-Thyroxin)-Spiegeln auf.5 Eine weitere retrospektive Studie von Chen et al. belegt, dass die TSH- und fT3Spiegel bei Patienten mit einer COVID19-Erkrankung gegenüber gesunden Personen deutlich niedriger waren, wobei sich eine progrediente Absenkung der TSH- und fT3-Spiegel je nach Schweregrad der Erkrankung zeigte.6 Bei intensivpflichtigen Patienten mit bestehender Thyreotoxikose ließ sich in einer Arbeit von Muller et al. bei 15,3 % der COVID-19-positiven Personen versus 1,3 % der Personen in der Kontrollgruppe eine subakute Thyreoiditis als Ursache diagnostizieren. Die subakute Thyreoiditis bei COVID-19-positiven Patienten manifestierte sich in den Beobachtungen klinisch mit Schmerzen im Zervikalbereich, wobei die Thyreoi­ ditis bei Männern häufiger vorkam als bei Frauen. Laborchemisch zeigten sich niedrige TSH- sowie fT3-Spiegel bei normalen oder sogar erhöhten fT4-Werten. Die beschriebenen Charakteristika unterschieden sich somit sehr deutlich von dem bei Intensivpatienten üblicherweise vorkommenden klassischen NonThyroidal-Illness-Syndrom (Synonym: Euthyroid-Sick-Syndrom). Laut Muller et al. lassen sich diese abnormen Schilddrüsenwerte bei COVID-19-positiven Patienten als Folge einer Kombination von subakuter Thyreoiditis und NonThyroidal-Illness-Syndrom deuten.7 Wobei es drei Monate nach überstandener COVID-19-Erkrankung zur Normalisie-

rung der Schilddrüsen- und der Entzündungsparameter kommt.7 Eine retrospektive Studie von Lania et al., die 287 hospitalisierte COVID-19-positive Patienten inkludierte, dokumentierte das Auftreten einer Hypothyreose in 5 % der Fälle, einer Thyreotoxikose bei 20 % der Teilnehmer. Die Thyreotoxikose war zudem assoziiert mit erhöhten Interleukin-6(IL-6)-Spiegeln, weshalb ein Zusammenhang zwischen COVID-19assoziierter Thyreoiditis sowie einer systemischen Immunreaktion vermutet wurde.7

COVID-19-assoziierte subakute Thyreoiditis Eine COVID-19-assoziierte subakute Thyreoiditis kann entweder direkt im Rahmen der Akutinfektion oder zeitlich versetzt wenige Wochen nach der Erstinfektion auftreten. Klinische Symptome sind Fieber, zervikale Schmerzen, Abgeschlagenheit, Zittern, Schwitzen sowie Palpitationen.9 Laborchemisch zeigen sich eine manifeste Hyperthyreose (TSH-Abfall, fT4 sowie fT3 erhöht), erhöhte Entzündungsparameter (CRP, IL-6), eine erhöhte Blutsenkungsgeschwindigkeit sowie eine Leukozytose. Die Antikörperdiagnostik ergibt meist negative TSH-Rezeptor-Antikörper (TRAK) und ein erhöhtes Thyreoglobulin.9 In einer sonographischen Darstellung der Schilddrüse ist üblicherweise eine vergrößerte, hypoechogene Schilddrüse mit verminderter Vaskularisierung erkennbar.9 Die Therapie der COVID-19assoziierten subakuten Thyreoiditis besteht aus der Gabe von Glukokortikoiden sowie aus der Verabreichung von

Autor: OA DDr. Nawras Al-Taie, MSc Facharzt für Endokrino­ logie und Stoffwechsel, LK Mödling

Foto: © Nawras Al-Taie, privat

Foto: © shutterstock.com/ staras

Studien belegen Zusammen­hänge


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