Hausärzt:in medizinisch
Neue Strategien für ein altes Problem
Österreich ist das Schlusslicht bei der Hypertoniekontrolle in Europa – mit Projekten wie der Friseurinitiative Ottakring könnte ein deutlicher Shift in Richtung optimaler Therapie gelingen des Blutdrucks in der Bevölkerung mangelhaft. Auch global stellt die suffiziente medikamentöse Einstellung eine große Herausforderung dar.
Methoden zur Diagnostik der Hypertonie beschrieben. J. M. Boivin bewies in einer multizentrischen prospektiven Studie, dass das Screening in BarberShops funktioniert. In 23 Frisiersalons in Frankreich und sechs weiteren in Marokko wurden pro Kunde drei automatische Blutdruckmessungen durchgeführt. Knapp 75 % der 1.325 Teilnehmer litten unter hypertensiven Blutdruckwerten.5
Hypertonie ist einer der wichtigsten kardiovaskulären Risikofaktoren. Die durchschnittlichen Blutdruckwerte liegen in Österreich deutlich über dem Zielwert. In der EURIKA-Studie1 aus dem Jahr 2010 erreichten nur 36 % der Patienten das Therapieziel.2 Seit mehr als zehn Jahren ist diese Zahl bedauerlicherweise nicht mehr signifikant gestiegen. Bei einer Erhebung im Jahr 2015 gemeinsam mit niederösterreichischen Apotheken konnte anhand von Blutdruckmessungen bei 4.303 Patienten gezeigt werden, dass nur 41 % von den diagnostizierten, therapierten und adhärenten Patienten das Blutdruckziel erreichten.2 Österreich ist bei der Hypertoniekontrolle das Schlusslicht in Europa. Obwohl eine Vielzahl von effizienten antihypertensiven Medikamenten am europäischen Markt zur Verfügung steht und diese ohne ökonomische Barrieren zugänglich sind, bleibt die Einstellung
6
März 2022
Kanada ist weltweit einer der Vorreiterstaaten, was das Hypertonie-Screening betrifft. Mit der Etablierung eines nationalen „disease management program“ (DMP), dem „Canadian Hypertension Education Program“ (CHEP), wurde eine 106%ige Zunahme von Antihypertensiva-Verordnungen zwischen 1996 und 2006 bewirkt. Dieser Anstieg von Verschreibungen hatte einen hochpositiven Effekt auf die Mortalität bei kardiovaskulären Erkrankungen. Durch das Programm CHEP werden jährlich Updates von rezenten Therapieempfehlungen präsentiert, welche die epidemiologische Entwicklung beinhalten. Diese Bemühungen führten letztlich dazu, dass mehr als 70 % aller Hypertoniker den Zielblutdruckbereich erreichen konnten.3 Frankreich hat versucht, der primären Anlaufstelle für Patienten – dem Allgemeinmediziner – einen siebenstufigen Algorithmus zur Verfügung zu stellen, um die Hypertonieversorgung zu optimieren. Der „7-Step-Algorithmus“ umfasst unter anderem Punkte wie die Heimblutdruckmessung, die Compliance des Patienten, eine Umstellung auf Kombipräparate und Kurse für Hypertoniker. Die PASSAGE-Studie aus dem Jahr 2014 bei 1.000 Allgemeinmedizinern in Frankreich zeigte, dass trotz dieses etablierten Algorithmus nur 54,4 % der Patienten über 80 Jahre das Blutdruckziel erreichen konnten. Dies ist zwar eine geringe Erfolgsquote, allerdings deutlich besser als die österreichische Situation.4 In den USA wurden zahlreiche Studien mit „unkonventionellen“ Screening-
Österreich zieht nach Mit Herz.leben startete 2007 ein strukturiertes Schulungsprogramm für Hypertoniker in der Steiermark. Ziel des Kurses (vier Module in einem Monat à 1,5 Stunden) sind die korrekte und nachhaltige Blutdruckeinstellung sowie eine Lifestyle-Beratung zwecks Primär- und Sekundärprävention. 2011 wurden die Daten von Herz.leben publiziert. Nach einem Jahr Beobachtungsdauer ließen sich bei mehr als 2.000 Patienten die Blutdruckwerte um -17/-7 mmHg sowie das kardiovaskuläre Risiko um vier Prozent senken.6 LOW-BP-Vienna 2018 – eine prospektive, randomisierte, multizentrische Studie zur Verbesserung der flächendeckenden Blutdruckkontrolle in der Primärversorgung – wurde bei 20 AllgemeinmediAUTOR:INNEN-TEAM: © Simone Aufhauser, privat
© shutterstock.com/C.Aphirak
Internationale Herangehensweisen
© Thomas Weiss, privat
S KA eri RD e IO
Dr.in Simone Aufhauser, BSc 3. Medizinische Abt., Univ.-Klinikum St. Pölten, Karl Landsteiner Institut für Kardiometabolik, St. Pölten
Univ.-Prof. PD DDr. Thomas Weiss, FESC Sigmund Freud Privatuniversität Wien und Karl Landsteiner Institut für Kardiometabolik, St. Pölten, Ordination: 1040 Wien