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Wenn es brennt
Therapien bei Harnwegsinfekten abseits der Antibiotikagabe
Über 50 Prozent der Frauen leiden einmal im Leben an einem Harnwegsinfekt, 20–30 Prozent von ihnen öfter. Ab dem 50. Lebensjahr sind auch Männer vermehrt von der Erkrankung betroffen. Dabei ist der Griff zum Antibiotikum nicht immer notwendig und sollte aufgrund der Zunahme der Resistenzen wenn möglich vermieden werden. Betroffenen steht ein breites Sortiment von OTC-Arzneimitteln für die Prophylaxe und frühzeitige Behandlung zur Verfügung.
Cranberrys versus Preiselbeeren
(Kombinations-)Präparate, die schnell wirken
„Bei Schmerzen im Urogenitaltrakt infolge eines Harnwegsinfektes kann Butylscopolaminiumbromid rasch Linderung bringen. Der Arzneistoff wirkt krampflösend auf Gallen- und Harnwege“ , berichtet Mag.a Corina Hess, Schutzengel Apotheke in St. Georgen im Attergau (Oberösterreich). Um eine rasche Besserung zu erzielen, seien außerdem Kombinationspräparate mit den Inhaltsstoffen aus Rosmarin, Liebstöckel und Tausendgüldenkraut empfehlenswert. „Diese Mischung wirkt krampflösend, schmerzstillend und entzündungshemmend, wobei die Therapie sofort bei den ersten Anzeichen einer Zystitis begonnen werden sollte“ , erklärt die Arzneikundige. Auch ein Phytopharmakon aus Kapuzinerkresse mit Meerrettich habe sich bewährt. Sie berichtet außerdem über gute Erfahrungen mit D-Mannose-haltigen Kombinationspräparaten. Sowohl Preiselbeeren als auch Cranberrys gelten als bekannte Mittel, um einer Infektion der Harnwege entgegenzuwirken. Bei der Einnahme haben laut Mag.a Hess Säfte gegenüber Tabletten den entscheidenden Vorteil einer zusätzlichen Flüssigkeitszufuhr, die maßgeblich an der positiven Wirkung beteiligt ist. „Außerdem wird durch die Azidität des Cranberrysaftes eine Senkung des pH-Wertes des Harns erzielt, was zu einer Hemmung des Bakterienwachstums führt. “ Sogenannte Proanthocyanidine vom Typ A gelten als Wirkungsträger der Cranberry. Sie hemmen die Adhäsion von uropathogenen Bakterien an die Epithelzellen der Harnwege. E.-coli-Bakterien – welche am häufigsten für Harnwegsinfekte verantwortlich sind – bilden Fimbrien aus, mit denen eine Anhaftung an der Schleimhaut der Harnwege möglich ist. Man unterscheidet zwei Arten, die Typ-1-Fimbrien und die sogenannten p-Fimbrien. „Durch die Inhaltsstoffe der Cranberry wird zum einen die Expression der p-Fimbrien inhibiert, zum anderen deren Struktur derart verändert, dass die Bakterien nicht mehr an den Zellen der Harnwege anhaften können. Allerdings werden noch andere Inhaltsstoffe vermutet, die zur Wirkung beitragen, da sich dieser Effekt bei anderen proanthocyanidinhaltigen Präparaten nicht zeigt“ , berichtet Mag.a Hess. Nach der Einnahme von Cranberryprodukten habe man darüber hinaus verschiedene Metaboliten im Harn gefunden, die entzündungshemmende Eigenschaften aufwiesen. Die Expertin ergänzt: „Der wirksame Inhaltsstoff der Preiselbeere ist das Arbutin, ein Hydrochinonderivat, das antibakterielle Eigenschaften besitzt. Das Prodrug Arbutin gelangt in den Dickdarm, wo der Abbau zu Hydrochinon erfolgt. Dieses konjugiert in der Leber an Sulfuron- oder Glucuronsäure und wird anschließend mit dem Urin ausgeschieden. In den Harnwegen spalten E.coli-Bakterien diese Konjugate wieder ab, wodurch das Hydrochinon frei vorliegt. Dieses wirkt vor allem im sauren pH-Wert bakterizid, weshalb eine Harnalkalisierung – welche früher empfohlen wurde – sinnlos ist.“
EXPERTIN: Mag.a Corina Hess
Schutzengel Apotheke in St. Georgen im Attergau, Oberösterreich
Wenn es zur Reinfektion kommt
Bei drei Harnwegsinfektionen innerhalb der letzten zwölf Monate oder zwei Erkrankungen in den letzten sechs Monaten spricht man von einer rezidivierenden Zystitis. In diesen Fällen empfiehlt Mag.a Hess neben den Inhaltsstoffen von Preiselbeere und Cranberry auch D-Mannose. Der Wirkstoff verhindert ebenfalls das Andocken von E.-coli-Bakterien an den Zellen des Urogenitaltrakts. „Die Typ-1-Fimbrien
der E.-coli-Bakterien sind durch Fruktose und Mannose blockierbar. Es wird ein Zucker-Bakterien-Komplex gebildet, der mit dem Urin ausgeschwemmt wird“ , erklärt die Pharmazeutin. Als weitere Option, die bei wiederkehrenden Harnwegsinfektionen eingesetzt werden kann, führt sie Methionin an: Die Aminosäure wird zum Ansäuern des Harns verwendet und bewirkt dadurch eine Hemmung des Bakterienwachstums. Darüber hinaus kommen Bärentraubenblätter bei der Therapie von entzündlichen Erkrankungen zur Anwendung. Wie auch die Preiselbeere beinhaltet die Heilpflanze Hydrochinonderivate – allerdings in größeren Mengen. Zudem ist der Gehalt an Arbutin höher. Daneben gebe es senfölhaltige Drogen aus Meerrettich und Kapuzinerkresse. „Diese kommen als Kombinationspräparate vor und werden mit ihren antibakteriellen Eigenschaften sowohl bei akuten unkomplizierten Harnwegsinfekten als auch als Rezidivprophylaxe angewendet. “ Zusätzlich könnten Teedrogen zur Durchspülung der Harnwege eingenommen werden – die Einnahme sollte jedoch nicht längerfristig erfolgen. Beispiele sind: Ackerschachtelhalmkraut, Birkenblätter, Liebstöckelwurzel, Brennnesselblätter, Goldrutenkraut, Orthosiphonblätter, Hauhechelwurzel, Odermennigkraut, Queckenwurzelstock und Bärentraubenblätter.
Zur Langzeitanwendung geeignet?
Für die bedenkenlose Einnahme über einen längeren Zeitraum hinweg empfiehlt Mag.a Hess D-Mannose. Zur Prophylaxe dienen außerdem Preiselbeer- und Cranberrypräparate, wobei bei der Preiselbeere der Arbutingehalt beachtet werden sollte. Arbutinhaltige Zubereitungen stehen im Verdacht, eine kanzerogene und lebertoxische Wirkung zu haben, und sind daher nicht für die dauerhafte Anwendung vorgesehen. Dazu zählen auch Mittel mit Beerentraubenblättern: „Diese Präparate sollten nicht länger als eine Woche und auch nicht öfter als fünf Mal im Jahr eingenommen werden“ , weist die Fachfrau hin. Für die Langzeitanwendung von Methionin sei hingegen auf eine ausreichende Zufuhr von Vitamin B zu achten. Mag.a Hess: „Durch die Einnahme von Methionin kann es zum Anstieg von Homocystein im Blut kommen, was eine Erhöhung des Risikos einer koronaren Herzkrankheit zur Folge haben kann. Mittels der Gabe von B-Vitaminen, insbesondere von B6, B12 und Folsäure, kann dem entgegengewirkt werden.“ Letztlich darf nicht übersehen werden, wo die Grenzen der komplementärmedizinischen Therapie liegen. „Sollten sich die Beschwerden nach einigen Tagen nicht gebessert haben, muss in jedem Fall ein Arzt aufgesucht werden. Ernstzunehmende Symptome, die eine Selbstmedikation verbieten, sind unter anderem Fieber und Schüttelfrost, Schmerzen am Rücken, blutiger Urin oder auch ein starkes allgemeines Krankheitsgefühl“ , betont die Pharmazeutin.