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Die neue Dimension des Unterrichtens

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Wenn es brennt

Wenn es brennt

3D-Körperkino – weltweit erste virtuelle Anatomievorlesung im medSPACE

Cinematic Anatomy bietet die Chance, Medizin völlig neu zu lehren und zu verstehen. In einer 125 Quadratmeter großen Blackbox wird der gläserne Mensch Realität. Das 3D-Körperkino medSPACE an der Johannes Kepler Universität (JKU) Linz ist weltweit einzigartig und revolutioniert die Lehre an der Medizinischen Fakultät der Universitätsklinik. Die stereoskopische Brille aufgesetzt, und los geht’s mit dem „wilden Ritt“ durch das Körperinnere. Auf einer 14 x 8 Meter großen Projektionswand erscheint etwa ein riesiger 3D-Knochenschädel. Univ.-Prof. Dr. Franz Fellner, Leiter des Zentralen Radiologie Instituts am Kepler Uniklinikum und Dekan für Lehre und Studierende an der Medizinischen Fakultät der JKU, zoomt, schneidet, dreht und kippt mit dem Xbox-Controller seine räumliche Präsentation. Flugs setzen sich Blutgefäße, Gewebe, Muskeln und Sehnen auf die Knochen drauf. Naturgetreu sieht man deren Lage. Die Studierenden schauen virtuell in bester farbiger Bildqualität tief ins Körperinnere, ohne eine Leiche zu sezieren.

Hörsaal und Bühne über zwei Stockwerke

Der JKU medSPACE, der hochauflösende Multifunktionsraum, erstreckt sich im Lehr- und Forschungsgebäude über zwei Stockwerke. „Im Okto-

ber 2021 konnten wir hier die ersten Vorlesungen absolvieren. Schon seit 2019 kommen die Studierenden in den Genuss dieser einmaligen Lehr„Ich zeige den Studierenden veranstaltung, die ich damals im Deep pathologische Veränderungen, Space 8K des Ars Electronica Centers die sie sonst nur in Grauschattierungen auf den abgehalten habe. Weltweit gibt es nur drei solcher Hightech-Räume, zwei in Linz und einen von Ars Electroni-

Schnittbildern sehen.“ ca Futurelab installierten Cubo Neg-

Univ.-Prof. Dr. Franz Fellner

Innovativer Vortag: Prof. Fellner im medSPACE.

© JKU

ro – das heißt schwarzer Würfel – im Sinalo Science Center in Mexiko. Ein weiterer ist in Cardiff geplant“ , sagt Prof. Fellner. Der JKU medSPACE ist durch die Zusammenarbeit des Linzer Radiologen mit Siemens Healthineers – Entwickler der „Cinematic Anatomy“ -Software – und dem Ars Electronica Futurelab entstanden. Die Studierenden können in den Vorlesungen Daten von Patientinnen und Patienten sehen und beurteilen, die mit CT- und MRT-Geräten im Kepler Klinikum aufgenommen worden sind – und zwar in einzigartiger fast fotografischer Qualität in 8K, in Stereografik und Echtzeit navigierbar. „Das Navigieren mit der Spielekonsole und der gleichzeitige interaktive Unterricht sind auch für mich eine Herausforderung, aber eine sehr inspirierende“ , erzählt Prof. Fellner.

Cinematic Rendering – Trickfilmtechnik für Organe

Das Rechenverfahren, das die hochaufgelöste räumliche Darstellung möglich macht, heißt Cinematic Rendering – in Anlehnung an den Kinoeffekt, der damit erzielt wird. Ein ähnlicher Algorithmus wird für Animationsfilme verwendet. „Ich zeige den Studierenden pathologische Veränderungen, die sie sonst nur in Grauschattierungen auf den Schnittbildern sehen. Oftmals blende ich die dazugehörigen CT- oder MRI-Bilder ein, damit die Lernenden auch ein besseres Verständnis der Bilder in 2D bekommen“ , erklärt der Radiologe. Immer wieder wird auch der Anatomie-Professor Dr. Niels Hammer aus dem Grazer Pathologiesaal in den JKU medSPACE zugeschaltet. „Er zeigt an der geöffneten Leiche jene Areale, die wir gerade virtuell gesehen haben. Auch LiveOperationen können hierher übertragen werden“ , sagt Prof. Fellner, dessen Unterricht zwei Doppelstunden im dritten und vierten Semester umfasst. Den vierwöchigen Sezierkurs müssen die Linzer Studierenden in Graz absolvieren. „Dank der 3D-Präsentation sieht man präzise, welche Muskelstränge und Gewebe übereinanderliegen, wie sie miteinander verflochten sind und wo Blutgefäße verlaufen. Das kann man sich anhand der Abbildungen im Lehrbuch nie so gut und plastisch vorstellen“ , schwärmt eine Studentin.

© JKU

Weites Feld für die Zukunft

Prof. Fellner sieht in Cinematic Rendering noch großes Zukunftspotenzial – sowohl für den JKU medSPACE als auch im Klinikalltag auf dem Schirm, etwa für Patientenkommunikation, Diagnostik, Fortbildung, Operationsplanung oder in interdisziplinären Tumorboards. „An der Kepler Universitätsklinik werden 3D-Bilder zum Beispiel schon in der Planung von komplexen Eingriffen in der MundKiefer-Gesichtschirurgie verwendet. Dies ist auch für gefäßchirurgische und neurochirurgische Eingriffe denkbar“ , merkt Primar Fellner an. Vielleicht wird es irgendwann möglich, die Bilder als Augmented Reality während der OP in einer Brille anzuzeigen. Man stelle sich vor, dass präoperative Aufnahmen eines Tumors vor der OP auf den Patienten projiziert werden und man gewissermaßen in den Menschen hineinschaut, bevor man ihn geöffnet hat.

Mag.a Christine Radmayr

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