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Die vielen Gesichter der HFpEF

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Impressum

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Von der Diagnose zur differenzierten Therapie bei Herzinsuffizienz mit erhaltener Linksventrikelfunktion

SerieKARDIO

+++ komplexe Pathophysiologie und multiple Ursachen +++ phänotypische Heterogenität als zusätzliche Herausforderung +++ Einbeziehung der Funktionsdiagnostik in die diagnostische Aufarbeitung +++ bisher keine spezifische Therapie mit nachgewiesenem klinischem Nutzen +++ Individualisierung der Behandlung gewinnt an Bedeutung +++

Die steigende Prävalenz der Herzinsuffizienz mit erhaltener Linksventrikelfunktion („heart failure with preserved ejection fraction“ , HFpEF) sowie die Zunahme der relativen Prävalenz im Vergleich zu jener der Herzinsuffizienz mit reduzierter Linksventrikelfunktion („heart failure with reduced ejection fraction“ , HFrEF) führten in den letzten Jahren zu einem epidemiologischen Umbruch, sodass die HFpEF heutzutage die häufigste Subgruppe der Herzinsuffizienz in der westlichen Welt darstellt.1,2,3 Während für die HFrEF bereits etablierte therapeutische Optionen zur Verfügung stehen, lassen spezifische Therapiemöglichkeiten für Menschen mit HFpEF weiterhin auf sich warten. Nachfolgend ein Einblick in das aktuelle Verständnis der Pathogenese, in moderne diagnostische Algorithmen sowie in hoffnungsvolle spezifische Therapieoptionen für Patientinnen und Patienten mit HFpEF.

Hoher Leidensdruck als „Leitsymptom“

Das HFpEF-Patientenkollektiv umfasst vorwiegend weibliche Personen höheren Alters mit zahlreichen Komorbiditäten wie arterieller Hypertonie, Diabetes mellitus oder Adipositas. Aufgrund zunehmender Belastungsdyspnoe, verringerter Leistungsfähigkeit und einer damit einhergehenden starken Einschränkung der Lebensqualität haben sie einen hohen Leidensdruck. Des Weiteren präsentieren sich viele HFpEFPatientinnen und -Patienten im Krankheitsverlauf mit peripheren Ödemen. Nicht selten kommt es zu schleichenden oder akuten kardialen Dekompensationen, welche in manchen Fällen auch einer Hospitalisierung bedürfen.

Multifaktorielle Genese

Dem vielfältigen klinischen Erscheinungsbild liegt pathophysiologisch ein erhöhter linksventrikulärer Füllungsdruck wegen fibrotisch bedingter myokardialer Versteifung zugrunde, welche in der Folge zur Entstehung der diastolischen Dysfunktion beiträgt.4,5 Diese spiegelt sich in einer Zunahme der intrakardialen Füllungsdrücke mit konsekutiver linksatrialer Dilatation wider. Jener Zustand begünstigt das Auftreten von Vorhofflimmern und stellt somit einen additiven Faktor für die Einschränkung der Leistungsfähigkeit dar. Des Weiteren führen erhöhte linksventrikuläre Füllungsdrücke zu pulmonalvenöser Drucksteigerung. Daher entwickeln bis zu 80 % der von HFpEF Betroffenen zusätzlich eine postkapilläre pulmonale Hypertension.6 Die physiologische Unfähigkeit des rechten Ventrikels, gegen dermaßen hohe Widerstände zu bestehen, hat eine rechtsventrikuläre Dilatation mit begleitender Prädisposition zur Trikuspidalklappeninsuffizienz zur Folge – ebenso eine rechtsventrikuläre Dysfunktion. Letztere führt im Endstadium zu Rechtsherzversagen. Neue pathophysiologische Erkenntnisse legen den Verdacht nahe, dass die HFpEF – welche ehemals als „diastolische Herzinsuffizienz“ bezeichnet wurde – keineswegs allein durch das Vorliegen einer diastolischen Dysfunktion zu erklären ist. Demgemäß weisen Patienten mit HFpEF belastungsabhängig zusätzlich eine systolische Dysfunktion sowie eine Dysregulation der Vorhoffunktion, des autonomen Nervensystems und der Endothelfunktion auf. Das spricht wiederum für eine multifaktorielle Genese der Erkrankung.7

Drei phänotypische Subgruppen

Die komplexe Pathogenese der HFpEF ist somit noch teilweise unklar und die zugrundeliegende phänotypische Heterogenität scheint noch ausgeprägter zu sein als bei der HFrEF.8 Anhand der Einteilung von HFpEF-Patientinnen und -Patienten in drei Subgruppen mit jeweils unterschiedlichen klinischen Charakteristika und Prognosen durch Shah et al. mittels moderner „machine learning“ -Algorithmen konnten diesbezüglich jedoch neue Erkenntnisse gewonnen werden.9 Neben dem sogenannten „hypertension phenotype“ , der vorwiegend jüngere Patienten mit moderater diastolischer Dysfunktion umfasst, wurde der „obesity phenotype“ kategorisiert, welchem adipöse Patienten mit hoher Prävalenz von Schlafapnoe und einer stark beeinträchtigten linksventrikulären Relaxationsfunktion zugeordnet werden. Zum „right heart phenotype“ zählen wiederum ältere Patienten mit schwerer chronischer Niereninsuffizienz sowie pulmonaler Hypertension. Diese Erkenntnisse legen nahe, dass aufgrund der phänotypischen Hetero-

AUTOR:INNEN-TEAM:

© Diana Bonderman, privat

Assoc.-Prof.in Priv.-Doz.in Dr.in Diana Bonderman

Vorständin der 5. Medizinischen Abt. mit Kardiologie, Klinik Favoriten

© René Rettl, privat

Dr. René Rettl

Klinische Abt. für Kardiologie, Univ.-Klinik für Innere Medizin II, MedUni Wien

genität die Notwendigkeit besteht, auch die Therapie individuell an den jeweiligen Patienten anzupassen.

Neuerungen in der Diagnostik

Während sich die Diagnostik der HFpEF bisher auf das Vorliegen von unspezifischen Symptomen wie Belastungsdyspnoe, herzinsuffizienzspezifischen Biomarkern sowie einigen echokardiographischen und invasiv hämodynamischen Parametern stützte (siehe Abbildung), hält nun auch die Funktionsdiagnostik zunehmend Einzug in die diagnostische Aufarbeitung. Diesbezüglich entwickelte ein Komitee der Europäischen Kardiologischen Gesellschaft (ESC) einen neuen Diagnosealgorithmus, welcher nunmehr verschiedene Patientencharakteristika und diagnostische Tests miteinbeziehen soll.10 Anhand des sogenannten HFA-PEFFScores erfolgt der Weg zur Diagnose über einen stufenweisen Algorithmus. Dabei wird im ersten Schritt mittels laborchemischer und echokardiographischer Parameter ein Score berechnet, welcher die Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen einer HFpEF prognostiziert und somit festlegt, ob entsprechende weitere diagnostische Maßnahmen erforderlich sind. Die Tabelle enthält eine Zusammenstellung der empfohlenen Diagnostik bei Verdacht auf HFpEF.

Diagnostik der Herzinsuffizienz mit erhaltener Linksventrikelfunktion (HFpEF) Untersuchung Typische Befunde Klinik und Anamnese

„ belastungsabhängige Dyspnoe „ verminderte Leistungsfähigkeit „ periphere Ödeme/Zeichen der Überwässerung „ Vorhofflimmern Kardiale Biomarker „ BNP > 35 pg/ml „ NT-proBNP > 125 pg/ml

Echokardiographie In Ruhe Stressechokardiographie

„ LVEF > 50 % „ LAVI > 29 ml/m2 „ LVMI > 115 g/m2 bzw. IVS > 12 mm „ TI-Vmax > 2,8 m/s „ E/e’ > 15 „ TI-Vmax > 3,4 m/s

Funktionsdiagnostik

Sechs-Minuten-Gehtest und (Spiro-)Ergometrie „ verringerte Gehstrecke „ eingeschränkte Leistungsfähigkeit „ verringerte VO2max

Hämodynamische Messung mittels Rechtsherzkatheters In Ruhe Unter Belastung

„ LVEDP > 16 mmHg „ PCWP > 15 mmHg „ PCWP > 25 mmHg Abkürzungen: BNP – „brain natriuretic peptide“; NT-proBNP – „N-terminal pro brain natriuretic peptide“; LVEF – linksventrikuläre Ejektionsfraktion; LAVI – linksatrialer Volumenindex; LVMI – linksventrikulärer Masseindex; IVS – intraventrikuläre Septumdicke; TI-Vmax – maximale Geschwindigkeit der Trikuspidalinsuffizienz; VO2max – maximale Sauerstoffaufnahme; LVEDP – linksventrikulärer enddiastolischer Druck; PCWP – pulmonalkapillärer Wedge-Druck

Therapeutische Hoffnung

Trotz zunehmender Erkenntnisse hinsichtlich der komplexen pathophysiologischen Vorgänge sowie trotz moderner Algorithmen zur Klassifizierung dieser heterogenen Patientenpopulation konnte bis heute keine spezifische medizinische Behandlung einen klinischen Nutzen bei Personen mit HFpEF erzielen.11 Das derzeitige therapeu„Neue pathophysiologische tische Spektrum stützt sich auf eine Erkenntnisse legen den Verdacht ausreichende Diunahe, dass die HFpEF keines- rese, eine Behandwegs allein durch das Vorliegen einer diastolischen Dysfunktion lung der Begleiterkrankungen sowie Ausdauertraining zu erklären ist.“ und Gewichtsreduktion. Die multizentrische, randomisierte, doppelt verblindete, placebokontrollierte PhaseIII-Studie (PARAGON-HF) gibt jedoch berechtigterweise Anlass zu Optimismus, was die Wirksamkeit von Sacubitril/ Valsartan bei Betroffenen anbelangt.12 Wenngleich der primäre zusammengesetzte Endpunkt – definiert als herzinsuffizienzbedingte Hospitalisierung oder kardiovaskulärer Tod – nur knapp verfehlt wurde, fanden sich bei Patientinnen und Patienten mit einer linksventrikulären Ejektionsfraktion ≤ 57 % als auch bei weiblichen Patienten Hinweise auf eine therapeutische Wirksamkeit. Da Letztere einen hohen Anteil des HFpEF-Patientenkollektivs ausmachen, wird Sacubitril/ Valsartan weiterhin als vielversprechende therapeutische Hoffnung betrachtet.

Heterogenität berücksichtigen

Diesbezüglich konnte eine rezent publizierte Datenanalyse der Klinischen Abteilung für Kardiologie an der MedUni Wien demonstrieren, dass nach der Umlegung der Ein- und Ausschlusskriterien von PARAGON-HF auf ein prospektives Real-World-HFpEF-Kollektiv, bestehend aus insgesamt 427 Patientinnen und Patienten, weniger als 40 % davon für eine Teilnahme an der Phase-III-Studie geeignet wären.13 Interessanterweise stellte sich dabei heraus, dass vor allem Patienten mit den höchsten kardiopulmonalen Füllungsdrücken und der daraus resultierenden

zVg

Abbildung: Typisches echokardiographisches Bild einer Patientin mit HFpEF. Die Darstellung zeigt einen normal großen linken Ventrikel mit geringgradiger Hypertrophie und deutlicher biatrialer Vergrößerung – kombiniert mit einer bedeutsamen Mitralklappeninsuffizienz in der farbkodierten Dopplersonografie.

ausgeprägtesten rechtsventrikulären Dysfunktion von PARAGON-HF theoretisch ausgeschlossen worden wären. Obwohl sich dieses Kollektiv im Kohortenvergleich mit der eingeschränktesten Leistungsfähigkeit sowie der schlechtesten Prognose präsentierte. Des Weiteren konnte gezeigt werden, dass diese Kohorte frappierende Ähnlichkeiten mit dem „right heart phenotype“ nach Shah et al. aufwies. Dies legt den Umstand nahe, dass sie von einer entsprechenden Behandlung mit Sacubitril/Valsartan womöglich am meisten profitiert hätte. Aufgrund der fehlenden Datenlage bleibt diese Annahme rein spekulativ, sie bestätigt jedoch erneut die Heterogenität des HFpEFPatientenkollektivs und lässt vermuten, dass eine spezifische Therapie womöglich individuell an den jeweiligen Patienten angepasst werden müsste.

Resümee

Die komplexe multifaktorielle Pathogenese, kombiniert mit der vielfältigen phänotypischen Heterogenität des HFpEFKollektivs, stellt letztendlich eine große Herausforderung hinsichtlich therapeutischer Ansätze dar. Trotz Hinweisen auf den klinischen Nutzen in vordefinierten Subgruppen lässt eine spezifische medizinische Behandlung weiterhin auf sich warten. Zukünftige Bemühungen um spezifischeres Pheno- wie auch Genotyping der Subpopulationen könnten allerdings zu einem besseren Verständnis des Patientenkollektivs beitragen und dadurch das Outcome zukünftiger klinischer Studien positiv beeinflussen. <

Referenzen: 1 Dunlay SM et al., Nat Rev Cardiol. 2017;14(10):591-602. 2 Dhingra A et al., Curr Heart Fail Rep. 2014;11(4):354-365. 3 Roger VL, Circ Res. 2013;113(6):646-659. 4 Paulus WJ, Tschöpe C, J Am Coll Cardiol. 2013;62(4):263-271. 5 Kovács Á et al., Heart Fail Clin. 2014;10(3):389-398. 6 Lam CSP et al., J Am Coll Cardiol. 2009;53(13):1119-1126. 7 Pfeffer MA et al., Circ Res. 2019;124(11):1598-1617. 8 Lenzen MJ et al., Eur Heart J. 2004;25(14):1214-1220. 9 Shah SJ et al., Circulation. 2015;131(3):269-279. 10 Pieske B et al., Eur Heart J. 2019;40(40):3297-3317. 11 Duca F, Bonderman D, Wiener Klin Mag. 2016;19(6):198-203. 12 Solomon SD et al., N Engl J Med. 2019;381(17):1609-1620. 13 Rettl R et al., J Clin Med. 2020;9(11):3669.

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