Hausärzt:in 03/2022

Page 35

Hausärzt:in medizinisch

Ein Problem, das ins Gewicht fällt

Welt-Adipositastag: Folgeerkrankungen durch gezielte Behandlung verhindern

Jugend in Gefahr

In Österreich sind laut Statistik Austria 3,7 Millionen Menschen im Alter von über 15 Jahren übergewichtig und davon rund 17 Prozent bereits adipös. Weltweit leiden derzeit 671 Millionen Personen an Adipositas – 2030 werden es über eine Milliarde sein. Anlässlich des WeltAdipositastags am 4. März 2022 hielten Expertinnen und Experten im Rahmen eines Online-Events* einschlägige Vorträge an der MedUni Wien.

Take-home-Messages Adipositas ist keine „Lifestyle-Angelegenheit“, sondern eine ernstzunehmende chronische und fortschreitende Erkrankung mit multifaktoriellen Ursachen – sie wird etwa durch Gene, das eigene Verhalten und das Umfeld beeinflusst. „Fettleibigkeit“ kostet Lebenszeit, nämlich circa sieben Jahre. Die Folgen von Adipositas umfassen Herzinfarkte, Schlaganfälle, Diabetes, onkologische und pulmologische Er-

Schon im Alter von acht Jahren ist je  der dritte    Bub bzw. jedes vierte    Mädchen übergewichtig oder adipös. „Problematisch ist, dass Jugendliche die Adipositas ins Erwachsenenalter mitnehmen. Je länger man stark übergewichtig ist, desto wahrscheinlicher kommt es zu Folgeerkrankungen und je höher der BMI, desto höher ist auch die Anzahl derselben“, erklärt Univ.-Prof. Dr. Gerhard Prager, Leiter der Spezialambulanz Speiseröhre – Magen – Adipositas von MedUni Wien und AKH Wien. Leider hat die Coronapandemie dazu geführt, dass Jugendliche an Gewicht zugenommen haben. In diesem Zusammenhang sei auch erwähnt, dass Menschen mit Adipositas eine der am stärksten durch COVID gefährdete Patientengruppe darstellen. Eltern sollten verstehen, wie wichtig es ist, darauf zu achten, dass ihre Kinder nicht zu viel Zeit vor dem Bildschirm verbringen und sich ausreichend bewegen – auch der Konsum von zuckerhaltigen Getränken sollte beispielsweise eingeschränkt werden. In Österreich stehen spezialisierte Einrichtungen für die stationäre Versorgung von Jugendlichen mit Adipositas zur Verfügung. Außerdem gibt es ein österreichweites Netzwerk für die ambulante Betreuung.

Effektive Therapiemöglichkeiten, erschwerter Zugang

© shutterstock.com/cosmaa, SurfsUp

krankungen sowie solche des Bewegungsapparates, psychosoziale Probleme und vieles mehr.

In der Therapie der Adipositas wird nach einem „Stufenplan“ vorgegangen. Stufe eins, die Lebensstilveränderung, ermöglicht langfristig einen Gewichtsverlust von etwa fünf bis zehn Prozent. „Die“ Wunderdiät gibt es nicht. Sinnvoll ist eine ausgewogene Ernährung in Kombination mit ausreichend Bewegung, wobei eine nachhaltige Veränderung des Lebensstils ausschlaggebend ist. In den letzten Jahren sind wirkungsvolle Medikamente für die Adipositasbehandlung auf den Markt gekommen – sie werden auf Stufe zwei angewendet. Mit ihnen ist eine Gewichtsreduktion von rund 15 Prozent des Körpergewichts möglich. Die Bariatrisch-metabolische Chirurgie (BMC) kommt auf der dritten Stufe zum Einsatz. Diese Operationen sind sicher und werden minimalinvasiv durchgeführt. Sie können das Körpergewicht dauerhaft um bis zu 40 Prozent reduzieren und viele Begleiterkrankungen mildern oder in Remission bringen. BMC verlängert etwa bei Patienten mit Diabetes Typ 2 die Lebenszeit um 6,7 Jahre. Die Eingriffe erzielen einen Gewinn von QALYs („Quality Adjusted Life Years“ = Kennzahl für die Bewertung eines Lebensjahres in Relation zur Gesundheit) und ersparen dem Gesundheitssystem auf Dauer Kosten. Umso absurder erscheint es, dass der Zugang zu wirkungsvoller Therapie nicht frei ist: Die Medikamente werden von den Gesundheitskassen nicht übernommen und jede einzelne Operation ist bewilligungspflichtig. Prof. Prager hat diesbezüglich klare Worte: „Das muss geändert werden.“ > * Online-Event: „Übergewicht erfolgreich behandeln – Folgeerkrankungen vermeiden. ExpertInnen informieren und beantworten Ihre Fragen“, 4. März 2022, MedUni Wien/AKH Wien.

Referenzen: MedUni Wien.

März 2022

35


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.