alpenblick, Ausgabe 2/2022

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Foto: Privat

Gastkommentar

Forstwirtschaft gestern, heute – und morgen? Als Naturliebhaber*innen kommen wir um den Wald nicht herum. Wir erholen uns in stadtnahen Wäldern und steigen durch den Bergwald zu den Gipfeln hinauf. Nehmen wir dabei wahr, dass die meisten dieser Wälder seit Jahrhunderten genutzt werden? Was bedeutet uns der Wald? „Ist ein Wald zehntausend Klafter Holz oder eine grüne Menschenfreude?“ fragte Bertold Brecht. Wir alle nutzen den nachwachsenden Rohstoff Holz. Möbel, Böden und Treppen sind aus Holz. Modernes und landschaftsgerechtes Bauen ist ohne Holz nicht vorstellbar. Papiere jeglicher Art stammen aus der Verarbeitung von Holz: Hygienepapiere, Verpackungen, Papierwindeln. Das Heizen mit Holz erlebt eine Renaissance. Wer sich für die Forstwirtschaft ausspricht, also dafür, dass Wälder auch der Holzproduktion dienen sollen, erntet nicht selten irritiertes Stirnrunzeln. Führte das nicht zu Fichtenmonokulturen und Waldsterben? Wäre es nicht besser, die Wälder sich selbst zu überlassen? Was ist da dran? Machen wir uns ein Bild: Schon vor 200 Jahren hat man Fichtenwälder angepflanzt. Fichten wachsen gut und liefern bestes Bauholz. Wer die Bilder zerstörter Städte wie Augsburg nach dem Zweiten Weltkrieg vor Augen hat, kann sich vorstellen, welchen ungeheuren Holzbedarf es damals gegeben hat. In den Folgejahren setzten die Waldbesitzenden weiter auf die Fichte. Dabei traten deren Nachteile und Risiken immer deutlicher zutage. Als flachwurzelnde Baumart ist die Fichte besonders sturmgefährdet. Fichtenborkenkäfer können bei Massenvermehrungen ganze Wälder vernichten. Daher begann man in Bayern schon in den 1980er Jahren die Wälder mit dem Ziel größerer Stabilität und Natur-

nähe umzubauen. Dabei waren der Staatswald und kommunale Waldbesitzer Vorreiter. Es wurden und werden Weißtannen und Laubbäume gepflanzt. Die Naturverjüngung, also das Aufwachsen des Jungwaldes aus den Samen der alten Bäume, wird wo möglich und sinnvoll bevorzugt. Von Borkenkäfern befallene Fichten werden entfernt, um Massenvermehrungen möglichst zu verhindern. Mehr Biotopbäume und Totholz werden als Lebensraum für Vögel, Insekten und Pilze erhalten. In Bayern sind neben den Nationalparken weitere 58.000 Hektar als Naturwald unter Schutz gestellt. Dort findet keine Holznutzung mehr statt. Das dient dem Artenschutz und wir lernen, wie sich der Wald entwickelt, wenn der Mensch sich raushält. Werden die heimischen Wälder mit dem Klimawandel fertig werden? Um sich eine Vorstellung zu machen, blicken Forstleute nach Süden. Dort herrschen Klimabedingungen, wie sie für unseren Raum vorhergesagt werden. Dass dort auch heimische Baumarten wie Weißtanne, Rotbuche, Stiel- und Traubeneiche, Berg- und Spitzahorne vorkommen, lässt hoffen, dass sie auch bei uns den Klimawandel aushalten. Andere Baumarten, die bei uns noch selten sind wie zum Beispiel die Esskastanie, könnten eine Zukunft haben. Der Klimawandel stellt die Forstwirtschaft vor neue und gewaltige Herausforderungen. Stürme werden häufiger und heftiger, trockene, heiße Sommer verheerender. Müssen wir uns Sorgen machen um den Wald? Ja, müssen wir. Lähmender Pessimismus wäre jedoch nicht angebracht. Sowohl die privaten Waldbesitzer*innen als auch die Städte und Gemeinden und der Staat sind dabei, ihre Wälder weiter umzubauen.

Vielfältige und robuste Mischwälder, die Trockenphasen aushalten und Stürmen besser widerstehen, sind das Ziel. Dass Waldbesitzende auch die nicht standortheimische aus Amerika stammende Douglasie anpflanzen, stößt auf die Kritik von Naturschützer*innen. Waldbesitzende schätzen an diesem Nadelbaum, dass er wertvolles Holz erzeugt und besser zu dem künftigen Klima passt als die Fichte. Wälder sind multifunktional. Sie liefern nicht nur Holz, sie schützen auch das Grundwasser und die Böden, sind Lebensraum für seltene Arten und vieles mehr. Diesen unterschiedlichen Ansprüchen der Gesellschaft an den Wald gerecht zu werden, ist keine leichte Aufgabe für Waldbesitzende und Förster*innen. Für uns Waldbesuchende ist der Wald ein Quell der Lebensfreude. Im Wald zu sein, ihn zu sehen, zu hören, zu riechen und zu fühlen bereichert uns. Das empfinden viele Menschen so. Die vollen Waldparkplätze an schönen Wochenenden sind der beste Beweis dafür.

Roland Schörry ist Mitglied der Seniorenabteilung des DAV Augsburg. Er studierte Forstwissenschaft an der LMU München und war Beamter der Bayerischen Forstverwaltung. alpenblick 2 | 2022

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21.03.2022 09:49:41


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