Schmuck
GOLDRAUSCH VOR DER HAUSTÜR Mehr als sein halbes Leben sucht Markus Liechti nach dem edelsten aller Metalle. Er findet es in Schweizer Bächen und an Stellen, an denen man es nicht für möglich hielte. Kein Mensch wisse um das wohl «fairste Gold der Welt» – das will er ändern. TEXT Daniela Dambach
FOTO zvg
«Kein einziger anderer Goldschmied ist so nah am Gold, wie ich es bin», ist Markus Liechti überzeugt. Die meisten seiner Zunft hätten noch nie in ihrem Leben natürliches Rohgold gesehen, geschweige denn verarbeitet, sagt er, duckt sich und verschwindet im Kellergeschoss des Mehrfamilienhauses unweit von Bern. Kaum durch den Türrahmen hindurchgegangen, über dem die eingeschweisste Warnung «Achtung Kopf!» steht, macht man einen langen Hals. Das fahle Licht umreisst Werkbänke, befüllte Behälter und Gitterkonstruktionen, von denen man nicht ahnt, wofür diese gut sein sollen. Es sieht aus wie in einer Werkstatt. Aber auch wie in einem Chemielabor … oder wie in einer Küche. In der Tat ist es von allem etwas: Markus Liechti verarbeitet hier in archaischer Handarbeit Nuggets aus der Schweiz zu Schmuck. Es sind hauchfeine Flitter, die über Jahrmillionen in Goldadern im Gestein schlummerten, bis die Witterungskräfte sie Stück für Stück abtrugen, forttransportierten, zerkleinerten – und irgendwann in die Schleuse von Markus Liechti schwemmten. Diese für den Laien rätselhaften «Gitterkonstruktionen» sind Waschrinnen, mit deren Hilfe er in Flüssen Gold schürft. Die Ausrüstung kann man zwar kaufen, doch wandelt er diese nach seinem Gutdünken ab, indem er unter anderem zusätzliche Teile anschweisst. Hat er etwas ausgetüftelt, kann er es kaum erwarten, es zu testen: «Am besten sofort!», lacht der gelernte Maschinenbauingenieur. Er hat sein Verfahren über die Jahre perfektioniert, sodass ihm möglichst kein Körnchen der Kostbarkeit aus dem reissenden Gewässer entwischt. Führt er technische Schikanen aus, erinnert der Schwall seiner erklärenden Worte an jenen von Flüssen, in denen der unermüdliche Schatzsucher tagelang in Gummistiefeln watet. Beharrlichkeit ist eine vorausgesetzte Eigenschaft, bedenkt man, dass die Erdkruste pro Gesteinstonne nur etwa 0,004 Gramm Gold enthält.
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ANGEFRESSEN VOM AUSSIEBEN Als er mit neun Jahren einen Kurs im Napfgebiet besuchte, damals beim inzwischen verstorbenen Goldwaschpionier Toni Obertüfer, packte ihn das Goldfieber – und es kühlte nimmer ab. Bis zu den Hüften im Nass ausharrend, schlingerfrei schütteln, rütteln, konzentriert kreisen und die Graumasse zwischen den Fingerkuppen verreiben, bis es im Sonnenlicht glitzert … «Es ist schon fast eine Sucht», meint Markus Liechti schmunzelnd, «aber eine wertvolle.» Auch heute können sich Abenteuerlustige mit Schaufel und Schürfpfanne sowohl im Napfgebiet wie auch in anderen Gegenden auf die schillernde Spur des Goldes begeben, wenn Experten in die Kunst des Pfannenschwenkens einführen. «Man findet in jedem Bach Gold», weiss Markus Liechti, der seine ersten Schürfstunden in der Rotache verbrachte. «… die Frage ist nur: wie viel …?» Aufgewachsen in Wichtrach, pedalte er mit Velo und Anhänger an den Fluss, um der Flittersuche zu frönen. Nie konnte er vergessen, wie ein anderer Goldwäscher, der ihm dazumal kauzig vorkam, ihn mit einer Königskette aus selbstgefundenem Gold blendete. Erst als Markus Liechti mit zwanzig Jahren den Führerschein in der Tasche hatte, rollte sich ihm die ganze Schweiz wie eine Schatzkarte auf. Eines Tages stiess er, eher zufällig beim Fischen, auf das gediegene Gelbe vom Erz: Ein Wasserlauf in der Westschweiz spülte ihm überdurchschnittlich viel Gold in die Schleuse. Was die Fundstätten anbetrifft, gilt wortwörtlich: Schweigen ist Gold. Trüffelsucher behielten ihre ertragreichsten Plätze schliesslich auch für sich, vergleicht Markus Liechti. Mittlerweile «liest» er die Flüsse, weiss Steinformationen oder Läufe zu deuten. Hinter grossen Steinen, in sanfter Strömung, dort, wo der Fluss müssig mäandert, vermutet er potenzielle Goldvorkommen. Je mehr er auch weiss, manchmal muss er seinen Kopf freimachen: «Wenn ich in das Flussbett steige und dabei denke wie ein Anfänger, finde ich unter Umständen mehr Edelmetall, weil ich intuitiver