USZinside 1/2023

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Dossier: Herz 16

Sandra Braun, Kardiotechnikerin

So schlägt das Herz 21 Lungenkrebs ist heilbar 34

Nr. 1 — 2023
«Mich motiviert, dass ich interdisziplinär arbeiten kann.»

Herzenssachen

Das Herz ist nicht nur unser Lebensmotor. Es ist auch Resonanzraum unserer Gefühle und

«Ich wollte nie woanders arbeiten»

Silvia Ulrich über ihre Faszination für das USZ

So schlägt das Herz Eine Infografik

Ein tiefer Blick ins Herz

Im Herzkatheterlabor des USZ

#facesofusz

Maria Sarioglou nimmt den Patienten die Angst vor dem MRT

Herzensangelegenheit

Langwierige Behandlung, gutes Ergebnis Lippen-Kiefer-Gaumenspalten bei Kindern

Geschäftsjahr 2022

Das Herz benötigt speziellen Schutz Wie Herz und Gefässe länger gesund bleiben

Schonend,

Mit Herz und Seele Geht es der Psyche gut, wirkt sich das positiv auf die Genesung nach einer Herzoperation aus

Lungenkrebs ist heilbar Die Früherkennung von Lungentumoren verbessern

Darm-Herz-Achse Mikrobiom bei verkalkten Herzkranzgefässen

Selbstbestimmte Pionierin Ruth Gattiker war Narkoseärztin bei der ersten Herztransplantation in der Schweiz

2 Inhalt 8 Präzisionsonkologie am USZ Die Patienten am CCCZ werden umfassend betreut 10 34 36 37 24 Patient
Bachmann und die Ballondilatation
Nr. 1 Dölf
präzis und rasch So wird das Herz untersucht
13 14 Soziokulturelle Faktoren bei Long COVID Frauen leiden häufig länger 12 Gemeinsam individuell Das USZ setzt auf Vielfalt
Kennzahlen im Überblick
(K)eine Operation am offenen Herzen
Symbol
Warum eigentlich? 16 22 21 29 27 32 28 30
der Liebe.
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Liebe Leserin, lieber Leser

Diese Ausgabe des USZinside widmet sich schwerpunktmässig dem Thema Herz: Herzgesundheit, krankes Herz bis hin zum Zusammenspiel von Herz und Psyche. Auch ein ganzes Magazin ausschliesslich zu diesem Thema würde sich problemlos füllen lassen! Exemplarisch für andere Themen werden aber mehrere Aspekte deutlich.

Erstens die hohe Spezialisierung der Mitarbeitenden am USZ und die Vielfalt der Berufe. Auf dem Cover sind Sie zum Beispiel bereits einer Kardiotechnikerin «begegnet». Bei Eingriffen, die den Einsatz einer Herz-Lungen-Maschine nötig machen, übernimmt sie eine entscheidende Rolle in enger Zusammenarbeit mit dem chirurgischen Team und der Herzanästhesie.

Zweitens wird deutlich, wie wichtig das Zusammenspiel zwischen den verschiedenen Fachdisziplinen ist, um unsere Patientinnen und Patienten individuell und umfassend zu betreuen. Ein perfekter chirurgischer Eingriff ist nur ein Ausschnitt auf dem langen Weg, den die Patientinnen und Patienten von der ersten Diagnose bis hin zum hoffentlich wieder beschwerdefreien Leben gehen. Als Universitätsspital können wir viel dazu beitragen, dass dieser Weg möglichst hürdenfrei verläuft.

Und schliesslich kommt auch zum Ausdruck, welche Rolle ein Universitätsspital einnimmt: Gewisse hoch spezialisierte diagnostische und therapeutische Massnahmen kann praktisch nur ein Zentrumsspital erbringen. Vor allem aber liegt eine unserer Kernaufgaben darin, gemeinsam mit unseren Partnerinstitutionen Universität und ETH Forschung zu betreiben, um die Qualität und die Möglichkeiten in Diagnostik und Therapie zugunsten unserer Patientinnen und Patienten stetig zu verbessern.

Unseren Mitarbeitenden danke ich für ihren täglichen Einsatz zum Wohle unserer Patientinnen und Patienten und wünsche allen eine interessante Lektüre.

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Gregor Zünd, CEO

Aus Karos werden Streifen

In Zusammenarbeit mit der Zentralwäscherei hat der Bereich Facility Services eine neue und moderne Bettwäsche eingeführt. Die früher karierten Bezüge wurden durch weisse mit feinen Streifen ersetzt, was der heute weitverbreiteten Hotelbettwäsche ähnelt. Das neutralere Design erlaubt eine einfachere Fleckenbehandlung

mit Bleichmitteln und passt zudem zu allen Einrichtungen im USZ. «Die karierte Bettwäsche war Kult. Die neuen, schlicht gehaltenen Bezüge bieten uns in vielerlei Belangen Vorteile und kommen sowohl bei den Patientinnen und Patienten als auch bei den Mitarbeitenden gut an», sagt Karin Schaad, Bereichsleiterin Facility Services.

Neuer Reinraum am USZ

rien werden Reinräume in Klassen von A bis D unterteilt, wobei in der Klasse A am wenigsten Partikel oder Keime in der Luft verbleiben. Neben der Anzahl Keime und Partikel werden auch die Temperatur, der Druck und die Luftfeuchtigkeit konstant gehalten. Reinräume werden für spezielle Anfertigungen benötigt, die von den vielen Partikeln in der normalen Luft gestört werden würden. Dazu gehören die Forschung an und die Produktion von Arzneimitteln oder gewissen Lebensmitteln. Auch die Luft- und Raumfahrttechnik nutzt Reinräume.

Das USZ hat seit 2022 einen neuen Reinraum. Hier werden vor allem Blutstamm- und Immunzellen aufbereitet. Diese werden für Stammzelltransplantationen oder Zelltherapien bei Patient:innen mit Lymphomen, Myelomen oder Leukämie im anliegenden Lager-

raum aufbewahrt, bevor sie zum Einsatz kommen.

In einem geschlossenen Reinraum muss die Anzahl Teilchen, die mit der Luft in den Raum gelangen, so gering wie möglich gehalten werden.

Nach «Good Medical Practice»-Krite -

Aufgrund des Verwendungszwecks und der Klassifizierung wird das Schutzkonzept für den Reinraum erstellt. Das ist wichtig, denn der Mensch ist die grösste Quelle für Partikel und Keime. Wer den Reinraum betritt, trägt deshalb spezielle Kleidung und arbeitet mit dafür angefertigtem, vorher desinfiziertem Werkzeug. Nur so kann die Klasse des Reinraums eingehalten und eine saubere Arbeitsweise garantiert werden.

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Was ist eigentlich ein Ganglion?

Unter einem Ganglion versteht man eine mit Flüssigkeit gefüllte Zyste, die sich an unterschiedlichen Gelenken, oftmals an der Handwurzel oder auch an den Sehnenscheiden, ausstülpt. Es lässt sich als elastische bis harte Schwellung direkt unter der Haut tasten. Die Betroffenen berichten häufig über ein plötzliches Auftreten einer schmerzlosen bis minimal symptomatischen zystischen Schwellung am Handgelenk. Oft werden Ganglien mit der Zeit grösser; insbesondere nach Aktivität schmerzen sie. Obwohl sie in jedem Alter auftreten können, zeigen sich Handgelenksganglien am häufigsten bei Frauen im Alter zwischen 20 und 50 Jahren. Insgesamt sind Frauen dreimal häufiger betroffen als Männer. Asymptomatische Betroffene benötigen keine Behandlung, da Ganglien gutartig sind und sich auch spontan zurückbilden können. Ein chirurgischer Eingriff ist bei Patienten mit anhaltenden Symptomen angebracht und erfolgt in der Regel ambulant. Bei 15 Prozent der operierten Personen bildet sich wieder ein neues Ganglion. Je nach Lokalisation kann bei symptomfreien Patientinnen eine nicht chirurgische Behandlung versucht werden: Dabei wird das Handgelenksganglion punktiert und die Flüssigkeit aus der Zyste entfernt. Die Rückfallrate ist hierbei jedoch wesentlich höher als bei einer chirurgischen Entfernung.

Patientenveranstaltung «Fazialis-Café»

Am 28. September 2022 fand das erste «Fazialis Café» am USZ statt, ent standen durch die Initiative von drei Physio und Ergotherapeutinnen. Die Idee entwickelte sich aus zahlrei chen Gesprächen mit ambulanten Patientinnen und Patienten mit Ge sichtslähmung. Sie äusserten den Wunsch, sich mit anderen Betroffenen austauschen zu können.

30 Menschen mit Gesichtsläh mung nahmen an der Veranstaltung im kleinen Hörsaal OST teil. Die Er fahrungen der Menschen standen da bei im Mittelpunkt. In einem Round table Gespräch tauschten sich drei Be troffene mit je einer Logopädin, einer Physiotherapeutin, einer Oberärztin der plastischen Chirurgie und einer Ver treterin der «Selbsthilfe Zürich» über Therapiemöglichkeiten und den per

sönlichen Umgang mit dem verän‑ derten Aussehen aus. Beim anschlies senden Apéro ergab sich ein ange regter Austausch zwischen den Betrof fenen, den Therapeutinnen aus dem USZ und den anwesenden Fachperso nen der Organisation «Qualitätszirkel Fazialisparese Schweiz». Ein Teilneh mer sagte danach: «Es war schön, aber auch seltsam, so viele Menschen mit Gesichtslähmung zu sehen. Wir verstanden uns sofort.» Das Quali‑ tätsboard des USZ verlieh der Idee, Men schen mit Gesichtslähmung zu ver netzen, den Q Award 2022 in der Kate gorie Q Idee.

Das Fazialis Café zeigt nachhaltige Wirkung: Mithilfe von «Selbsthilfe Zürich» ist im Januar die erste Selbst hilfegruppe Fazialisparese entstanden: www.fazialisparese.ch

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FACHBEGRIFF EINFACH ERKLÄRT
Inga Besmens, Oberärztin meV, Klinik für plastische Chirurgie & Handchirurgie

Professionelles Biobanking auf Spitzenniveau

Die Forschung am USZ ist Brücke zwischen Wissenschaft und klinischer Anwendung. Die Infrastruktur wurde um ein professionelles Probenmanagement-System ergänzt.

Text: Moritz Suter Bilder: Noun Project

Dieses konnte im Herbst 2022 in Betrieb genommen werden und bietet verschiedene Vorteile: «Durch das voll integrierte System von der Blutentnahme-Verordnung über die automatisierte Verarbeitung bis zur dokumentierten Verwaltung und Lagerung kann die für die Forschung eminent wichtige Standardisierung der Proben gewährleistet werden. Denn bei fehlender Dokumentation des «Proben-Lifecycle» sind Proben nicht vergleichbar, und im schlimmsten Fall können Forschungsuntersuchungen verzerrt oder fehlerhaft sein», sagt Michael Weisskopf, Leiter des Research Biobanking Service Center.

Das Herzstück des Biobankings

Unter dem Begriff «Liquid Biobanking» werden die Lagerung und die Verwaltung von humanen Forschungsproben zusammengefasst. Diese können alle möglichen Flüssigkeiten enthalten: Blut, Urin, sogar Rückenmarksflüssig-

keit. Neben diesen Flüssigproben ist das System auch für Gewebeproben nutzbar, wozu mit der Pathologie und dem Sample Processing Lab des Comprehensive Cancer Center Zürich (CCCZ) eine Zusammenarbeit gestartet wird. Die Proben werden in einem automatisierten Tiefkühler bei minus 80 Grad Celsius aufbewahrt und können für Forschungsprojekte aller Art verwendet werden. Während bisher jeder Behälter nach der Probenabgabe von Hand beschriftet und in einem der knapp 900 einzelnen Tiefkühler eingelagert wurde, werden nun maschinenlesbare, vorcodierte Tubes durch einen Liquidhandler prozessiert und anschliessend im Herzstück des Biobankings eingelagert: Im neuen Tieftemperatur-Lagersystem können bis zu zwei Millionen Proben automatisiert gelagert werden. Forschende auf Probensuche müssen die entsprechenden Suchfilter in der Probenverwaltungssoftware eingeben und können die Probenausgabe veran-

Baufortschritt in drei Akten

Seit im Sommer 2022 die Baubewilligung für die USZ-Neubauten Campus MITTE 1 | 2 erteilt worden ist, geht es auf der Baustelle voran, wie ein Blick auf die Baustellen-Webcam zeigt. Aktuelle Bilder auf www.usz.ch/campusmitte

2. September 2022

lassen. «Durch das neue System entsteht zwar ein grösserer Aufwand bei der Dateneingabe in der Probenverwaltungssoftware nach der Probenentnahme. Der Nutzen für die Forschenden überwiegt aber klar», sagt Joanna Gawinecka vom Institut für Klinische Chemie.

Energieeffizientere Funktionalität

Am Projekt beteiligt waren verschiedene Bereiche des USZ: neben dem Institut für Klinische Chemie und der Direktion Forschung und Lehre auch die Direktion Immobilien und Betrieb sowie die ICT. «Dass wir dieses Projekt in kurzer Zeit realisieren konnten, haben wir nicht zuletzt der exzellenten interdisziplinären Zusammenarbeit zu verdanken», weiss Michael Weisskopf. Und: «Neben den diversen Vorteilen für Forschende nicht zu vernachlässigen ist die energieeffizientere Funktionalität des neuen Systems im Vergleich zu den früheren Kühlern. Alles in allem hilft es dem USZ, Forschung in allen medizinischen Disziplinen auf Spitzenniveau zu betreiben.»

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Was bringen DetoxProdukte?

Das Angebot an Detox-Produkten ist riesig. Angeblich können sie den Körper von Schadstoffen befreien oder den Darm reinigen.

Text: Marcel Gutbrod

Bild: Adobe Stock

Sogenannte Detox-Produkte haben keinen wissenschaftlich belegten Nutzen. Im Gegenteil: Eine solch einseitige Ernährung kann für belastete Personen auch gefährlich sein. Ein gesunder Körper kann sich dank Leber und Nieren selber von Giftstoffen befreien. Claudia Vogt, Ernährungsberaterin am USZ, hat deshalb auch eine klare Meinung zu Detox-Produkten: «Detox ist eine Erfindung der Industrie, um den Leuten das Geld aus der Tasche zu ziehen. Das Einzige, was wirklich entschlackt wird, ist das Portemonnaie.» Für den Körper ist es Stress pur, wenn er drei Wochen lang nur Pulver und Pillen als Nahrung zugeführt bekommt. Er reagiert wie bei einer Hungersnot. Schnell verliert er einige Kilos. Doch der Effekt ist nicht nachhaltig. Durch den

Stress werden in dieser Zeit hauptsächlich Wasser und Muskeln abgebaut. Die Fettreserven zapft der Körper kaum an, da dies mit einem höheren Aufwand verbunden ist. So ist der Jo-JoEffekt garantiert. Noch schlimmer kann es vorbelastete Personen treffen. «Detox kann für sie wirklich gefährlich sein. Wegen der fehlenden Nährstoffe kann es in dieser Zeit zum Beispiel zu Gichtschüben kommen», erklärt Claudia Vogt. Viel sinnvoller

als eine kurze und heftige Umstellung sei es, seine Lebensgewohnheiten langfristig zu überdenken. Dies beinhaltet, sich an der klassischen Ernährungspyramide zu orientieren und viel Bewegung in den Alltag einzubauen. Auch ganz wichtig: Die gesetzten Ziele müssen realistisch sein. Sportmuffel werden sich kaum motivieren können, jeden Tag zu joggen. Wer aber künftig einen Teil seines Arbeitswegs täglich zu Fuss geht, hat bereits viel erreicht.

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Einseitige Ernährung kann gefährlich sein. 17. Oktober 2022 7. Februar 2023

«Ich wollte nie woanders arbeiten»

Silvia Ulrich erzählt von ihrer Faszination für das USZ, von ihren Patienten, die meist an mehreren Krankheiten leiden, und warum die Pneumologie mit der Pandemie viel sichtbarer wurde.

Silvia Ulrich, Sie sind seit über 20 Jahren am USZ – was fasziniert Sie an diesem Unternehmen?

Das USZ hat eine extrem anregende Atmosphäre, wir sehen die spannendsten Krankheitsbilder, suchen interdisziplinär die beste Behandlung für unsere Patienten und betreiben Forschung auf hohem Niveau. Wir sind zudem ein super Team. Jeden Tag habe ich mit engagierten, tollen Menschen zu tun, die sich für das USZ einsetzen, und zwar quer durch alle Disziplinen und Berufsgruppen. Ich hätte nie woanders arbeiten wollen.

Das USZ befindet sich in einem grossen Veränderungsprozess. Wie wollen Sie persönlich die Unternehmenskultur mitprägen? Von grosser Bedeutung ist für mich, Vorbild zu sein. Wichtig ist für mich, die Menschen ins Zentrum zu stellen, und zwar sowohl die Patientinnen und Patienten als auch die Mitarbeitenden. Ich möchte jede und jeden Einzelnen fördern, dafür sorgen, dass alle ihren Platz und Erfüllung im Berufsleben finden. Wer sieht, dass er oder sie geschätzt wird, ist motiviert und hilft mit, am Karren zu ziehen. So gewinnen alle.

Haben sich die Erwartungen der Mitarbeitenden an Arbeit und Führung verändert?

Was ich sehe: Heute hat kaum mehr jemand eine Person im Rücken, die ihn

oder sie komplett freispielt. Die Mitarbeitenden sind Fachleute in ihrem Gebiet, versorgen aber auch Kinder oder pflegen Eltern, müssen ihren Haushalt alleine schmeissen oder ha­

ben sonstige Verpflichtungen. Wir sind deshalb als Arbeitgeber und Vorgesetzte gefordert, uns zu verändern, eine gewisse Flexibilität zu bieten. Und das lohnt sich! Denn zum einen

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Text: Cindy Mäder Bild: Christoph Stulz Klinikdirektorin Silvia Ulrich möchte an keinem anderen Ort arbeiten.

braucht das USZ diese Menschen, und zum anderen haben wir enorm engagierte junge Leute hier. Wenn man ihnen Gestaltungsraum gibt, dann sind sie nach wie vor bereit, weit Überdurchschnittliches zu leisten.

Was ist Ihnen persönlich wichtig in der Führung?

Mir ist sehr wichtig, dass sich die Mitarbeitenden wahrgenommen fühlen, dass sie merken, sie können mitgestalten und ihre Fähigkeiten ausleben. Daher ist eine Führung «top down» für mich nicht das Richtige. Man muss zuhören können. Trotzdem können wir auch gute Initiativen manchmal wegen der angespannten finanziellen Lage nicht umsetzen. Da ist Kreativität gefragt.

Wo sehen Sie Herausforderungen?

Unsere Patienten leiden meist an mehreren Krankheiten und benötigen spezialisierte Ärzte und Pflegende, aber auch teure Therapien. Manche sind heute sehr gut informiert und haben hohe Erwartungen. Andere wiederum müssen wir sehr sorgfältig aufklären und in den Therapien eng begleiten. Dieser grosse Aufwand der hoch spezialisierten Medizin ist heute in der Vergütung schlicht nicht abgedeckt.

Was sind denn die häufigsten Erkrankungen, die Sie behandeln?

Unsere Klinik ist national und international für diverse Krankheitsbilder als Zentrum anerkannt. So zum Beispiel zur Abklärung und Behandlung der pulmonalen Hypertonie und komplexen Dyspnoe, worüber wir auch intensiv forschen. Wir betreuen zudem sehr viele Patientinnen und Patienten mit fortgeschrittener Cystischer Fibrose, einer Erbkrankheit, aber auch solche mit häufigen Lungenkrankheiten wie Asthma oder der chronisch­ obstruktiven Lungenkrankheit (COPD). Ein Schwerpunkt sind zudem schlafassoziierte Atemstörungen.

Haben sich die Krankheitsbilder in den letzten Jahren verändert?

Wir sehen eine Zunahme von toxisch geschädigten Lungenerkrankungen

wie COPD, bei der das Rauchen die grösste Rolle spielt. Generell sind viele Krankheitsbilder komplexer geworden, da Patienten etwa eine COPD und eine Herzinsuffizienz haben und zusätzlich eine schlafassoziierte Atem­

Was kann man in diesen Fällen tun? Das Lungengewebe erholt sich leider nur beschränkt. Gewisse Patientinnen benötigten vorübergehend eine sogenannt nichtinvasive Beatmung, wobei die Lunge in ihrer mechanischen Funktion unterstützt wird, und vor allem eine hochdosierte Sauerstofftherapie. Häufig ist die Sauerstofftherapie über eine längere Zeit notwendig, und es braucht eine langwierige Rehabilitation.

störung und eine pulmonale Hypertonie. Da braucht es viel Fachwissen, um die geeignetste Behandlungsstrategie zu wählen.

Spielen Umwelteinflüsse wie die Luftqualität eine Rolle?

Einen direkten Zusammenhang zwischen einer Erkrankung und der Umwelt herzustellen, ist in der Regel schwierig. Wir sehen aber tatsächlich bei Blutuntersuchungen, dass Nichtraucher im städtischen Umfeld mit hoher Verkehrsbelastung erhöhte Werte von KohlenmonoxidHämoglobin aufweisen. Und wir wissen, dass COPD ­Erkrankungen weltweit zunehmen. Darum kämpfen wir auch für Prävention – allem voran für das Nichtrauchen, setzen uns aber auch für die Einhaltung der Luftreinhalteverordnung und für Massnahmen gegen den Klimawandel ein.

Welche Auswirkungen hatte die Corona-Pandemie auf Ihr Fachgebiet?

Die Pneumologie ist wegen der Pandemie stärker sichtbar geworden, zu Beginn wegen der Lungenentzündungen, später vor allem wegen Long COVID. Unsere Long­ COVID ­Sprechstunde ist immer noch stark ausgebucht. Wir sehen viele Patientinnen und Patienten, die mit chronischer Müdigkeit kämpfen, aber auch einige mit Lungenfibrosen, bei denen das Lungengewebe nachhaltig geschädigt ist.

Umso mehr zum Schluss die Frage: Was kann ich meiner Lunge Gutes tun, wie kann ich sie trainieren? Fitte Menschen und Nichtraucher haben ganz grundsätzlich eine bessere Lebenserwartung. Fit bleiben heisst dabei nicht unbedingt, ins Fitnesscenter zu gehen. Es geht vielmehr darum, sich im Alltag genügend zu bewegen, also zum Beispiel zu Fuss vom Hauptbahnhof ans USZ gehen oder die Treppen benützen statt den Lift. Alles, was dem Herzen guttut, ist auch für die Lunge wertvoll und umgekehrt.

ZUR PERSON

Silvia Ulrich

ist seit 2001 am USZ, seit 2016 ist sie Titularprofessorin an der UZH, und seit 2020 hat sie eine Professur ad personam. Im August 2022 wurde die Fach‑ ärztin für Pneumologie und Innere Medizin zur Direktorin der Klinik für Pneumologie ernannt. Neben der klinischen Tätigkeit engagiert sich Silvia Ulrich in der Forschung mit Schwerpunkt Lungenhoch druck. Weltweit erstmalig hat sie Höhenstudien mit Pa tienten mit Lungenhochdruck durchgeführt und auch Asthma und COPD in der Höhe untersucht. Die 52 jährige Schweizerin ist verheiratet und hat einen Sohn.

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«Wir kämpfen auch für Prävention –allem voran für Nichtrauchen.»
Silvia Ulrich, Direktorin der Klinik für Pneumologie

Präzisionsonkologie am USZ

Am Comprehensive Cancer Center Zürich (CCCZ) können sich Patientinnen und Patienten auf die grosse Erfahrung von interdisziplinären Teams verlassen. Eine mögliche Patientengeschichte.

Als bei Peter Kuhn der Husten auch nach einer Antibiotikatherapie über mehrere Monate anhält und er vermehrt starke Brustschmerzen hat, stellt er sich bei seiner Hausärztin vor. Die Röntgenuntersuchung macht auch seiner Ärztin Sorgen, denn sie hegt den Verdacht Lungenkrebs. Sie weist

Peter Kuhn dem Comprehensive Cancer Center Zürich (CCCZ) zu, damit dort umfassend abgeklärt wird.

Bei über 2’100 Patienten pro Jahr wird am CCCZ eine Krebsdiagnose gestellt. Auch bei Peter Kuhn. Mittels einer fundierten Abklärung und diagnostischer Untersuchungen bestätigt sich der Verdacht seiner Hausärztin.

Umgehend werden Massnahmen aufgegleist, damit er so schnell wie möglich eine passende Therapie starten kann.

Peter Kuhn ist verängstigt, noch ist aber das genaue Ausmass des Tumors nicht klar. Ausserdem kann er nicht verstehen, wieso gerade er Lungenkrebs hat. Er ist sonst topfit und sportlich und hat nie geraucht. Auch seine Familie wirkt mitgenommen. Vielen Patientinnen und Angehörigen hilft es, sich in dieser Situation über Krebs zu informieren. Am USZ können sie sich, neben der ärztlichen Beratung, an zahlreiche Beratungsdienste und spezialisierte Pflegesprechstunden wenden.

Im CCCZ werden bei Peter Kuhn mit Bildgebung Lokalisation, Grösse und Ausbreitung des Tumors erfasst. Zusätzlich muss eine Probe entnommen werden, damit die Histologie des Tumors untersucht werden kann. Die Biopsie zeigt, dass es sich um ein nicht­kleinzelliges Lungenkarzinom handelt. Mit modernsten diagnostischen Methoden wird der Tumor zudem molekular charakterisiert.

Von Studienteilnahmen profitieren Am CCCZ werden jährlich mehr als 150 klinische Studien durchgeführt, und über 60 Forschungsgruppen arbeiten zusammen, um personalisierte und innovative Therapiekonzepte zu ent­

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Text: Marc Lutz Bild: Nicolas Zonvi Hochmoderne Bestrahlungsgeräte entfernen Tumorreste millimetergenau.

wickeln. Patienten können, wenn sie die sogenannten Einschlusskriterien erfüllen, von diesen neuen Therapiekonzepten profitieren. Natürlich ist eine Studienteilnahme immer freiwillig. Peter Kuhn ist grundsätzlich einverstanden, dass seine Daten für Forschungszwecke gesammelt werden, und erteilt einen Generalkonsent. Damit können seine Behandlungsdaten für die Wissenschaft verwendet werden. Sein molekulares Tumorprofil hilft, Biologie und Entstehung von Lungenkrebs sowie mögliche neue Therapieansätze zu erforschen.

Am wöchentlichen Tumorboard für Lungenkrebs werden die Daten der Anamnese und der diagnostischen Untersuchungen interdisziplinär besprochen, um festzulegen, wie die bestmögliche Therapie aussehen könnte. Auch der Fall von Peter Kuhn wird diskutiert. Der Handlungsbedarf ist gross und dringend, bei ihm gibt es zahlreiche mögliche Vorgehensweisen.

Personalisierte Therapie –Präzisionsmedizin

Peter Kuhn ist mit dem Vorschlag des Teams im Lungen­ und Thoraxonkologiezentrum einverstanden, eine Operation mit anschliessender Radiotherapie und Systemtherapie anzusetzen. Die Fachpersonen am CCCZ stellen einen detaillierten, personalisierten Behandlungsplan zusammen und stimmen die einzelnen Schritte aufeinander ab.

Der Tumor von Peter Kuhn wird mit einer spezialisierten, robotergestützten, minimalinvasiven Thoraxchirurgie entfernt. Um die Prognose von Peter Kuhn zu verbessern, werden ihm zudem eine Bestrahlung und eine Systemtherapie empfohlen. Mit präzisen, hochmodernen Bestrahlungsgeräten werden Tumorreste millimetergenau lokalisiert und dann radiochirurgisch abgetötet. Bei Peter Kuhn kann die Bestrahlung ambulant erfolgen, und er verträgt sie sehr gut, sodass er die Termine dafür in seinen Alltag einbinden kann.

In den letzten Jahren wurden erfolgreiche, zielgerichtete Systemtherapien bei Lungenkrebs entwickelt. Die

molekularpathologische Untersuchung des Tumors zeigte bei Peter Kuhn eine Mutation des EGFR­ Gens. Die Mutation dieses Gens betrifft etwa zehn Prozent aller Lungenkrebsbetroffenen und führt zur unkontrollierten Aktivierung von bestimmten Enzymen, die Kinasen genannt werden. Und das wiederum führt zu Wachstum und Vermehrung der Tumorzellen. Daher werden Peter Kuhn Medikamente aus der Gruppe der Kinasehemmer empfohlen. Diese Medikamente bekämpfen ausschliesslich das Tumorgewebe und schonen gesunde Zellen. Auch sind die Nebenwirkungen gering. Eine solche Therapie ist Gegenstand einer klinischen Studie am CCCZ, in der diese neue Art von Medikamenten eingesetzt wird. Peter Kuhn wird eine Teilnahme angeboten. Erste Studienresultate weisen darauf hin, dass bei Patienten mit einem ähnlichen molekularen Hintergrund wie bei Herrn Kuhn sehr gute Resultate erzielt werden konnten.

Unterstützende Beratungs- und Behandlungsdienste

Peter Kuhn wird wenige Tage nach der Diagnose operiert. Dafür bleibt er einige Tage im Spital, die weitere Therapie findet grösstenteils ambulant statt. Dies ist für ihn und seine Angehörigen eine grosse Erleichterung. In einer Pflegesprechstunde wird das Ehepaar Kuhn auf die Zeit nach dem Austritt aus dem Spital vorbereitet. Sie werden darüber informiert, wie sie im Alltag zum Gelingen der medikamentösen Therapie beitragen und wie sie am besten mit allfälligen Nebenwirkungen umgehen können.

Trotzdem fühlt Peter Kuhn sich von der neuen Realität überfordert und kann immer noch nicht begreifen, wieso es gerade ihn getroffen hat. Seine Frau überredet ihn, das Angebot einer psychoonkologischen Begleitung in Anspruch zu nehmen.

Auch eine erfolgreiche Behandlung hinterlässt Spuren. Peter Kuhn fühlt sich erschöpft und ausgelaugt. Es wird ihm eine Teilnahme am Programm Bewegung und Sport bei Krebs nahegelegt. Gemeinsam mit den Fachperso ­

BEHANDLUNGSANGEBOT DES CCCZ

Am Comprehensive Cancer Center Zürich (CCCZ) erhalten Krebspatientinnen und -patienten universitäre Spitzenmedizin mit ganzheitlicher Betreuung. Fachpersonen stellen präzise Diagnosen und beraten individuell und umfassend. Das innovative und personalisierte Behandlungsangebot bietet moderne bildgebende und molekulare Diagnostik, Chirurgie, Strahlentherapie sowie zielgerichtete System- und Immuntherapien. Beratungs- und Behandlungsdienste bieten körperliche, psychosoziale und emotionale Unterstützung. Patient:innen können dank der Teilnahme an Studien vom neuesten Stand der Wissenschaft profitieren.

Infos unter: www.usz.ch/cccz

nen des CCCZ erarbeitet Peter Kuhn ein auf ihn abgestimmtes, personalisiertes Trainingsprogramm. Damit verbessert sich seine Rehabilitation signifikant, und es geht ihm und seiner Familie auch emotional spürbar besser. Das Tal scheint überwunden. Nach zehn Monaten hat Peter Kuhn die Therapien abgeschlossen und ist wieder Teilzeit an seinem Arbeitsplatz anzutreffen. Regelmässig hat er Kontrolltermine am CCCZ, wo er mit den Fachpersonen seine Nachkontrolluntersuchungen bespricht. Es zeigt sich keine erneute Krebsaktivität. Die Behandlung am CCCZ war erfolgreich.

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Soziokulturelle Faktoren bei Long COVID

Männer erkranken häufiger an COVID-19 als Frauen, Letztere leiden aber stärker an den Langzeitfolgen. Eine Studie untersucht die Gründe.

Text: Barbara Beccaro

Bilder: Noun Project

Im letzten Sommer sahen Infektiologen, Pneumologinnen, Physiotherapeuten und Immunologinnen am USZ jede Woche bis zu 25 Betroffene in einer der Long­ COVID ­Sprechstunden. Heute sind es rund 10 Patientinnen und Patienten pro Woche, die sich von den Fachpersonen am USZ Hilfe und Unterstützung versprechen. «Betroffen sind immer noch hauptsächlich Frauen. Häufig leiden sie an Fatigue, chronischer Müdigkeit, Konzentrationsstörungen, Stimmungsschwankungen und Atemnot. Sie alle müssen lernen, ihre Energie neu einzuteilen und ihre Tagesziele nach unten zu korrigieren. Auch der soziale Kontakt zur Familie, zu Mitarbeitenden und eine Tagesstruktur sind sehr wichtig», sagte Dominique Braun, Oberarzt in der Klinik für Infektionskrankheiten und Spitalhygiene am USZ.

Biologie und soziokulturelle Faktoren untersucht

Cathérine Gebhard, Oberärztin in der Klinik für Nuklearmedizin am USZ, erforscht, warum Frauen und Männer unterschiedlich erkranken. Während der Pandemie untersuchte sie, warum Frauen häufiger von Long COVID be ­

troffen sind als Männer. Geschlechtsspezifische Erkenntnisse zur akuten COVID ­19 ­Erkrankung sind schon breit publiziert, nicht aber die entsprechenden Unterschiede bei den Langzeitfolgen der Erkrankung. Long COVID, sagt Cathérine Gebhard, sei viel komplexer als die akute SARS ­ CoV­2Erkrankung. Es lassen sich denn auch keine einfachen Schlussfolgerungen ziehen: «Man weiss leider bis heute nicht wirklich, was Long COVID genau ausmacht», sagt sie. Sie untersucht deshalb in ihrem Forschungsprojekt nicht nur die Biologie, sondern auch die gesellschaftlichen Umstände und typischen Rollen, die sich bei Männern und Frauen deutlich unterscheiden. Neben klinischen werden auch soziokulturelle Parameter abgefragt, um einen sogenannten «Gender Score» zu erheben. Dazu gehören Daten zu Zivilstatus, Ausbildung, Einkommen, Rolle im Haushalt und bei der Kinderbetreuung. In der Schweiz wurden dazu 3’000 Fragebögen ausgewertet.

Wichtige Variablen: Stress und Einsamkeit

Bei der akuten COVID ­19 ­Erkrankung, das zeigen publizierte Studien, steht

die Biologie im Vordergrund. Soziokulturelle Faktoren spielen eine untergeordnete Rolle. Erste Erkenntnisse aus der Studie zu Long COVID hingegen zeigen, wie wichtig Letztere beim Langzeitverlauf der Erkrankung sind. Sie liefern teilweise eine Erklärung dafür, warum Frauen stärker betroffen sind, obwohl sie viel weniger häufig als Männer schwer an der Akutinfektion erkrankt waren. Neben Symptomen wie reduzierte Belastbarkeit, Kurzatmigkeit, Gedächtnisproblemen oder Geruchs­ und Geschmacksverlust sind mit Long COVID auch eine erhöhte Stressbelastung zu Hause oder auch Alleinsein assoziiert.

«Allein zu leben, ist in unserer Studie einer der stärksten Einflussfaktoren für das Entstehen von Long COVID», stellt Cathérine Gebhard fest. Auch haben Menschen mit geringerem Ausbildungsniveau ein erhöhtes Risiko, an Long COVID zu erkranken. «Wenn man alleine und in finanzieller Sorge lebt, muss man diesen Ängsten mit sozialen Massnahmen begegnen und weniger mit medizinischen», sagt die Spezialistin für Gendermedizin.

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Gemeinsam individuell

Wir sind stolz auf unsere Vielfalt im USZ und setzen uns für die unterschiedlichen Bedürfnisse der Mitarbeitenden ein.

Text: Manuela Britschgi Bilder: USZ

Eine Arbeitsumgebung, die den Bedürfnissen der Mitarbeitenden gerecht wird, ist motivierend, unterstützt die Leistungsfähigkeit und fördert Innovation. Im USZ arbeiten Persönlichkeiten unterschiedlichen Alters, Geschlechts, verschiedener Herkunft, Professionen, sexueller Orientierung und mit unterschiedlichen körperlichen und geistigen Vor­

aussetzungen. So divers wie die Menschen und ihre Tätigkeiten, so divers sind auch deren Bedürfnisse. Unser Anliegen ist es, mit Massnahmen auf verschiedenen Ebenen den unterschiedlichen Bedürfnissen gerecht zu werden. Im Diversity & Inclusion Report 2022 erfahren Sie alles rund um die entsprechenden Initiativen im USZ: www.usz.ch/diversity-inclusion

Tharshika Thavayogarajah

Assistenzärztin IPS

«Weibliche Vorbilder in der oberen ärztlichen Führung motivieren junge Ärztinnen in ihrer Karriere – davon braucht es noch mehr. Unter anderem ist auch eine wertschätzende Speak Up Kultur entscheidend für die erlebte Chancengleichheit. Ich empfehle anderen Assistenzärztinnen, sich untereinander zu vernetzen und sich einen/eine Mentor:in mit Vorbildfunktion zu suchen, mit denen man offen karriererelevante Themen besprechen kann.»

Paola Massarotto

Leiterin Pflege & DPM Pflege IPS

«Aus dem Simulationstraining wissen wir: Je besser sich ein Team kennt –auch interprofessionell –, desto mehr Spass hat das Team in der Zusammen‑ arbeit. Herausfordernde Notfall situationen können dadurch besser gemeistert werden. Es lohnt sich, dazu neue Visionen zu entwickeln: Es wäre beispielsweise ein spannendes zukünftiges Projekt, wenn die Pflege und die Ärzteschaft einen gemein samen Dienstplan hätten und als interprofessionelle Tandems arbeiten würden. Das würde auch neue Möglichkeiten im Rahmen von flexib len Arbeitsmodellen bieten.»

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weiblich ,technisch , italienisch , blauäugig ,
langhaarig,pfegend,
,Mutter , b e r uf s e r f a h r e ,n r gtnö ,dne ,hciltrops ,dnenrel ,reeuq ,giraahtor hcilnnäm , dneginier , tepmok ne t , k le in, blond, weisskittlig, empathisch, initiativ,grau-meliert,interprofessionell,leidenschaftlich, medizinisch, f r ö h l i c h , V ta re , tgihäfmae tiezlloV, , znagrhemthcin os ,gnuj ,ssorg,dnereiduts ,dnereinopsid ok m m unikati v ,glatzköpfg, deutsch, kochend, innovativ,mitKopftuch,bebrillt, berufseinsteigend, tätowiert, behandelnd, engagiert, brünett, a lban isch, p r iorisieren d, g ä r tnernd, ko l legial, sommersp rossig, analysierend, co-leitend,
Teilzeit, operierend,divers,schweizerisch,jung, wertschätzend, motiviert, bärtig,
mitHandicap

Kennzahlen aus dem Geschäftsjahr 2022

Case-Mix-Index (CMI) Verweildauer

1.673

Der hohe CMI zeigt die tragende Rolle, die das USZ im Bereich der spezialisierten und hoch spezialisierten Versorgung einnimmt (Vorjahr: 1.652).

Arbeitspensum

48.3%

Der Anteil Mitarbeitender, die in einem Teilzeitpensum arbeiten, erhöhte sich weiter (Vorjahr 50.4%).

6.39 Tage Fluktuation

Die durchschnittliche Verweildauer konnte weiter verkürzt werden (Vorjahr: 6.41).

17 %

Die hohe Belastung im Kerngeschäft und der Fachkräftemangel führten zu einer Zunahme der Fluktuation (Vorjahr 13.9%).

Bei den Frauen ist Teilzeitarbeit deutlich verbreiteter als bei den Männern.

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Vollzeit Vollzeit Teilzeit Vollzeit Teilzeit Teilzeit 51.7% 60.8% 39.2% 31.5% 68.5%

1’511.3 Millionen CHF

–22.1 Millionen CHF

Der Betriebsertrag überschritt erstmals die 1.5-MilliardenGrenze. Verschiedene Sonderlasten führten dennoch zu einem Verlust in der Höhe von CHF 22.1 Mio.

Frauenanteil am USZ

69.9%

Der Frauenanteil am Gesamtpersonalbestand ist leicht gesunken (Vorjahr 70.1%).

7’339 Vollzeitstellen

Das USZ beschäftigt weniger Mitarbeitende als im Vorjahr (-1.5% Vollzeitstellen).

Ambulanter Ertrag +4%

Im ambulanten Bereich hält der Aufwärtstrend an. Der Ertrag konnte mit +4% wieder gesteigert werden.

100% erneuerbar

100%

17%

67% CO2 -neutrale Quellen

50%

Holz Windenergie Kehricht

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Strom am Campus Wärme am Campus
Personalbestand Betriebsertrag Verlust
Erläuterungen und weitere Zahlen zum USZ gibt es im Geschäftsbericht 2022. Im April online unter www.usz.ch/gb2022

Herzenssachen

Das Herz ist nicht nur unser Lebensmotor. Es ist auch Resonanzraum unserer Gefühle, Sitz des Guten und des Bösen, Symbol der Liebe. Warum eigentlich?

Die meisten unserer Organe arbeiten im Stillen. Leber, Nieren, Milz, Bauchspeicheldrüse und auch das Gehirn funktionieren, ohne dass wir dies gross bemerken – es sei denn, es liegt eine Störung vor. Ganz anders das Herz. Es ist das einzige Organ, das – wie ein Medizinhistoriker schreibt – «aus dem Schweigen des Körpers» heraustritt. Das Herz kann gehört und getastet werden. Rund um die Uhr. Frühmorgens beim Erwachen ist der Herzschlag meist ein sanftes Ticken, 40 bis 60 Mal in der Minute. Wenn wir nach einem intensiven Spurt gerade noch das Tram erwischen, pocht es hingegen rasend schnell, sodass wir es bis zum Hals spüren. In der Sitzung nach dem Mittagessen schlägt es mal gemächlich, mal schnell – je nach Diskussionsverlauf. Und am Abend hüpft das Herz vor Freude, wenn wir die Liebste oder den Liebsten in die Arme schliessen.

Anatomisch gesehen ist das Herz ein faustgrosser Hohlmuskel. Eine Pumpe, die dafür sorgt, dass das

Blut im Körper zirkuliert. Etwa drei Milliarden Mal hat das Herz bei einem 80-Jährigen geschlagen und dabei rund 185 Millionen Liter Blut durch die Adern befördert. Niemals durfte es in dieser Zeit ruhen, auch nur das kurzzeitige Aussetzen seines Schlags hätte den Körper unmittelbar in Lebensgefahr gebracht. Stillstand hiesse Tod.

Über die rein körperlich-anatomische Bedeutung hinaus ist das Herz ein Resonanzraum unserer Gefühle. Hier spüren wir Angst, Trauer, Zorn oder Hass. Bei anhaltender Trauer oder Depression schliessen sich Panzerplatten über der Brust – bereits der eiserne Heinrich im Märchen vom Froschkönig spricht davon. Auf der anderen Seite empfinden wir im Brustraum auch Freude, Wärme und Liebe.

Es sind diese körperlich-seelischen Erfahrungen, die dem Herzen schon vor Jahrtausenden eine Sonderstellung verliehen haben. Im Alten Ägypten war das Herz das zentrale Organ schlechthin. Hier

Text: Andreas Heller Bild: Adobe Stock

wohnten nicht nur Gefühle, sondern auch die Vernunft und der Wille. Im Christentum gilt das Herz als Sitz des Guten und des Bösen, gleichzeitig findet dort nach christlichem Verständnis die Kommunikation zwischen Jesus und Mensch statt. Schon früh kam auch dem Herz Jesu eine besondere Bedeutung zu. Das durchbohrte Herz des Heilands wurde im Mittelalter zum Sinnbild der göttlichen Liebe zu den Menschen. Im 17. Jahrhundert wurde die HerzJesu-Verehrung zum Massenkult.

Heute hat das Herzsymbol seinen religiös-mystischen Sinn weitgehend verloren. Das Herz ist primär ein Symbol für Gefühle, Verliebtheit und Liebe. Es werden Herzen gemalt, geschnitzt und modelliert, um romantische Gefühle zu bezeugen. Liebeslieder berichten von brennenden, hungrigen, gebrochenen Herzen. Und auch die Alltagssprache ist durchsetzt von Redensarten, die auf das Herz Bezug nehmen. Es gilt als Ideal, «seinem Herzen zu folgen» und wir sollten

unser «Herz auf dem rechten Fleck» haben. Das Herz kann uns «in die Hose rutschen», wir können es «auf der Zunge tragen» und wir sollten aus unserem Herz «keine Mördergrube» machen. Wir grüssen «herzlich», sind «herzlos» oder haben «ein weiches Herz». Und jeder und jede versteht, was wir meinen, wenn wir sagen, wir hätten unser Herz verloren.

Im digitalen Zeitalter ist die Beliebtheit des Herzsymbols ungebrochen. Milliardenfach werden Emojis mit Herzchen verschickt –und kein einziges mit einer Leber, einer Niere, einer Milz oder einer Bauchspeicheldrüse. Denn ihre Symbolkraft ist nahe null.

Das Herz hingegen scheint als Symbol der Verliebtheit beliebter denn je. Gewiss: Nicht alle Herzen, die verschickt werden, werden zwingend auch verschenkt. Doch wenn die Botschaft von Herzen kommt, so sorgt dies in jedem Fall für gute Gefühle. Da wird uns ganz warm ums Herz.

Das Herz benötigt speziellen Schutz

Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind weltweit die häufigste Todesursache. Die Risiken für kardiologische Erkrankungen, insbesondere für Herzinfarkt und Herzinsuffizienz, steigen mit zunehmendem Alter. Massnahmen zur Prävention und rechtzeitige Behandlung könnten Herz und Gefässe länger gesund erhalten.

Anspannen – entspannen, anspannen – entspannen. Das gesunde Herz eines Erwachsenen vollführt die «Übung» rund 70 Mal pro Minute. Jeder Pumpstoss des Herzmuskels drückt das Blut über die Hauptschlagader in den Körper, sodass jede Stelle mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt wird. 100’000 Schläge macht das Herz an einem Tag, 36 Millionen in einem Jahr, mehr als 3 Milliarden im Laufe eines Lebens. «Eng mit dem Gehirn und anderen Organen vernetzt, ist unser Herz weit mehr als ein hocheffizienter Motor», sagt Frank Ruschitzka. Der Kardiologe leitet das USZ-Herzzentrum mit seinem breiten Angebot zur Diagnostik und Therapie von Herz- und Kreislauferkrankungen. Schäden an Herz und Gefässen sind die häufigste Ursache für Todesfälle weltweit. In der Schweiz sterben daran jährlich 20’000 Menschen. «HerzKreislauf-Erkrankungen machen ein Drittel der landesweiten Todesfälle

aus», sagt Frank Ruschitzka. Ein Grossteil davon liesse sich mit rechtzeitiger Prävention verhindern.

Das eigene Risiko kennen

Das Risiko einer Erkrankung korreliert mit hohem Blutdruck und einem zu hohen Cholesterinspiegel und steigt ab einem Lebensalter von etwa 50 Jahren

menten sowie einer Lebensstilveränderung, die für weniger Stress und mehr Bewegung sorgt, gut behandeln. Einer der wichtigsten vermeidbaren Faktoren ist das Rauchen. Wer sein individuelles Risiko kennt, kann dazu beitragen, dass Herz und Gefässe bis ins hohe Alter gesund bleiben. Für den Kardiologen Frank Ruschitzka ist das eine Selbstverständlichkeit: «Jeder erwachsene Mensch sollte sein Herz selbst in die Hand nehmen und aktiv vorsorgen.» Die Zeit spielt eine wichtige Rolle beim komplexen Krankheitsgeschehen, bei dem sich verschiedene Faktoren gegenseitig beeinflussen und verstärken.

stark an, bei Frauen stärker als bei Männern (siehe Box). Auch eine Diabeteserkrankung und eine erbliche Veranlagung erhöhen das Risiko. Blutdruck und Blutfette, auch eine Diabeteserkrankung lassen sich mit Medika-

Anpumpen gegen hohen Blutdruck Ein gesundes Herz hat kein Problem, wenn es gelegentlich schneller schlagen und den Blutdruck erhöhen muss, weil die Muskeln beim Sport mehr Sauerstoff benötigen oder sich die Gefässe bei Stress verengen. Puls und Blutdruck beruhigen sich in den Ruhephasen wieder. Muss das Herz dage -

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Text: Helga Kessler Bild: Christoph Stulz
«Um eine gezielte Behandlung einleiten zu können, ist eine sorgfältige Abklärung der Ursachen notwendig.»
Barbara Stähli, Kardiologin

Mit der Spiroergometrie kann die Herz-KreislaufLeistungsfähigkeit untersucht werden.

gen 100’000 Mal am Tag gegen einen hohen Blutdruck anpumpen, um das Blut auch in die kleinsten Zellen des Körpers zu pressen, kann das Organ mit der Zeit Schaden nehmen. Der Herzmuskel kann sich verdicken und vergrössern, die Herzkammern können sich verformen, die Klappen undicht werden. «Das Herz wird regelrecht umgebaut», sagt Felix Tanner, stellvertretender Direktor der Klinik für Kardiologie.

Herzinfarkt durch verengte Gefässe Hinzu kommt, dass Gefässe im Laufe des Lebens «verkalken» und dadurch weniger elastisch werden. Denn mit den Jahren lagern sich in den Gefässwän den sogenannte Plaques von Choleste rin ab. Der Arteriosklerose genannte Prozess verengt die Gefässe, die sich ir gendwann komplett verschliessen können. Die Plaques begünstigen zudem Entzündungsprozesse, wodurch sich gefährliche Blutgerinnsel bilden und die Gefässe vollständig verstopfen können. Ist das bei den Herzkranz‑

Bis zum Alter von etwa 50 Jahren liegt der Blutdruck von Frauen häufig unter dem von Männern. Nach der Menopause steigt der Anteil der Frauen mit Bluthochdruck deutlich an – damit wächst auch das Risiko für eine Herz- und Gefässerkrankung. Grund dafür ist, dass der weibliche Körper immer weniger vom Sexualhormon Östrogen produziert, das sowohl die Gefässe schützt als auch den Blutdruck senkt. Ein zu hoher Blutdruck kann nicht nur Herz und Gehirn schädigen, sondern auch andere Organe wie Augen und Nieren.

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DER BLUTDRUCK STEIGT NACH DER MENOPAUSE

SPEZIALISIERTE INTERDISZIPLINÄRE HERZ-TEAMS

Je komplexer und schwerer eine Herzerkrankung ist, umso mehr Expertenwissen ist gefordert – das gilt bereits für die Diagnose, die teilweise spezielle bildgebende Verfahren erfordert. Am USZ sind dafür, wie auch für die jeweilige Therapie, subspezialisierte Teams aus den Bereichen Kardiologie und Herzchirurgie zuständig. Es gibt Herz-Teams für koronare Herzkrankheiten, Herzklappenerkrankungen, Herzrhythmusstörungen, Herzinsuffizienz/Herztransplantation oder Erkrankungen der Hauptschlagader. Ziel der engen interdisziplinären Zusammenarbeit ist es, den Betroffenen die bestmögliche Behandlung anzubieten.

gefässen der Fall, kann es schlagartig zum Herzinfarkt kommen. Teile des Herzmuskels erhalten dann kein sauerstoffreiches Blut mehr und sterben nach kurzer Zeit ab. Lebensgefährliche Herzrhythmusstörungen mit Herzkreislaufstillstand können die Folge sein. Beim Herzinfarkt muss die Diagnose besonders schnell gehen, es zählt jede Minute. «Falls möglich, fragen wir den Patienten oder die Patientin nach den Symptomen», sagt Kardiologin Barbara Stähli. Während Männer meist über stechende und häufig ausstrahlende Schmerzen in der Brust klagen, tritt gerade bei Frauen und älteren Patienten häufig eine unspezifische Übelkeit mit Erbrechen oder eine generelle Müdigkeit auf.

Schnellstmögliche Diagnose und Behandlung

Die Diagnose des Herzinfarkts erfolgt über einen Bluttest, bei dem erhöhte Werte des Herzmuskel-Eiweisses Troponin festgestellt werden. Auch das Elektrokardiogramm (EKG) ist oft typisch verändert. «Um eine gezielte Behandlung einleiten zu können, ist eine sorgfältige Abklärung der Ursachen notwendig», sagt Barbara Stähli. Besteht der Verdacht auf einen Herzinfarkt, findet notfallmässig eine Herzkatheteruntersuchung statt. Hierbei wird über ein Arm- oder Leistengefäss

ein Katheter bis zum Herzen vorgeschoben, und die Gefässe, die das Herz mit Blut versorgen, werden auf Engstellen untersucht. Ist ein Herzkranzgefäss verschlossen, muss es

denster Herzerkrankungen und ist eine der häufigsten Todesursachen. Rund 210’000 Menschen in der Schweiz sind betroffen, besonders häufig ältere Menschen. Ausgelöst wird die Herzinsuffizienz meist durch eine langjährige Belastung des Herzens, beispielsweise durch erhöhten Blutdruck oder Verengung der Herzkranzgefässe. Der dadurch verursachte Umbauprozess des Herzens bleibt oft über Jahre oder Jahrzehnte unbemerkt, weil das Herz versucht, Schäden zu kompensieren, indem es sich anpasst. Ein Teufelskreis. Das Herz verformt sich immer stärker, und der Herzrhythmus verändert sich. Irgendwann summieren sich die Probleme, und das Herz wird schwach, «insuffizient». Es ist dann nicht mehr in der Lage, den Körper ausreichend mit sauerstoffreichem Blut zu versorgen.

schnellstmöglich wieder eröffnet werden. Sind mehrere Gefässe betroffen, kann es notwendig sein, dass Herzchirurgen eine Bypassoperation vornehmen. Insbesondere bei Frauen gibt es jedoch auch Formen des Herzinfarkts, bei denen die Herzkranzgefässe nicht verschlossen sind.

Herzinsuffizienz als Endstadium

Acht von im Schnitt täglich zehn kardiologischen Notfällen am USZ werden als Herzinfarkt oder als Herzinsuffizienz diagnostiziert. Die auch Herzschwäche genannte Erkrankung gilt als Endstadium verschie-

«Die Betroffenen klagen typischerweise über Atemnot, Erschöpfung, geschwollene Beine und Gewichtszunahme», sagt Herzinsuffizienz-Spezialist Andreas Flammer. Solche Symptome müssten ähnlich wie ein Herzinfarkt schnell behandelt werden. Dafür stehen verschiedenste Medikamente sowie Schrittmacher oder implantierbare Defibrillatoren zur Verfügung. Häufig führt die Herzschwäche zu einer Klappenerkrankung, etwa einer Mitralklappeninsuffizienz. Die Mitralklappe regelt den Blutfluss zwischen linkem Vorhof und linker Herzkammer. Wird das Ventil undicht, fliesst das Blut in den Vorhof und die Lungen zurück, statt in den Körper gepumpt zu werden. Der Herzmuskel muss dann noch mehr Pumpkraft aufwenden. Behandelt werden Herzklappenerkrankungen mit einem katheterbasierten Eingriff oder chirurgisch.

Doch trotz der vielfältigen Behandlungsformen bleibt die Herzinsuffizienz eine chronische Erkrankung. Ist sie fortgeschritten, bleibt als letzte Option eine Herztransplantation oder die Einlage eines Kunstherzens. In ausgewählten Fällen eröffneten diese Therapien die Chance für ein Leben mit guter Qualität, sagt Andreas Flammer. «Zum Glück haben wir diese Möglichkeit.»

«Jeder erwachsene Mensch sollte sein Herz selbst in die Hand nehmen und aktiv vorsorgen.»
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Frank Ruschitzka, Direktor der Klinik für Kardiologie, Leiter Herzzentrum

So schlägt das Herz

Bild: Saskia Venema

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Das sauerstoffarme Blut fliesst zunächst über die obere und die untere Hohlvene in den rechten Vorhof und von dort zur rechten Herzkammer.

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Aus der rechten Herzkammer wird das sauerstoffarme Blut über die Lungenarterie in die Lunge gepumpt, wo es mit Sauerstoff angereichert wird.

Das sauerstoffreiche Blut fliesst von der Lunge über die Lungenvenen in den linken Vorhof und weiter in die linke Herzkammer.

Sauerstoffreiches Blut wird über die Aorta in den Körperkreislauf gepumpt, um Organe und Gewebe mit Sauerstoffund Nährstoffen zu versorgen.

Lungenvenen

Linker Vorhof Lungenvenen Pulmonalklappe Ao rten kl a pp e Aorta Lungenarterie 5 3 4 4 2 1 1 2
Herzscheidewand Mitralklappe
Linke Herzkammer Sauerstoffreiches Blut
Trikuspidalklappe Obere Hohlvene Untere Hohlvene Rechter
Rechte Herzkammer Sauerstoffarmes Blut
Vorhof
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Ein tiefer Blick ins Herz

Bei rund 3’000 Patientinnen und Patienten pro Jahr werden in den Herzkatheterlaboren am USZ Herzerkrankungen diagnostiziert und behandelt. Ein Blick über die Schulter der Kardiologin Barbara Stähli ins Herz ihrer Patientin.

Text: Martina Pletscher Bild: Christoph Stulz

soll die Ursache ihrer Beschwerden im Herzkatheterlabor des USZ abgeklärt werden. «Wir untersuchen Frau Furrers Herzkranzgefässe», erläutert Barbara Stähli. «Wir unterscheiden grosse und kleine Herzkranzgefässe. Beide versorgen das Herz mit Sauerstoff. Sind die kleinsten Herzkranzgefässe verengt oder verkrampft, sprechen wir von einer mikrovaskulären Dysfunktion. Frau Furrers Beschwerden sind zwar typisch dafür, wir klären deren Ursache aber nun genau ab, um sie gezielt behandeln zu können.»

Minimalinvasive Untersuchung

«Guten Morgen Frau Furrer», begrüsst Barbara Stähli ihre Patientin. Zu den Spezialgebieten der Kardiologin und stellvertretenden Leiterin der Herzkatheterlabore am USZ gehören komplexe Koronarinterventionen, die funktionelle Koronardiagnostik, also die Untersuchung der Funktion der kleinen und grossen Herzkranzgefässe, sowie der Ersatz

von Herzklappen mittels Kathetereingriffen. Bei Daniela Furrer*, ihrer ersten Patientin an diesem Morgen, steht eine solche Funktionsdiagnostik an. Frau Furrer leidet seit längerer Zeit an Herzbeschwerden; ein ständiges Druckgefühl belastet sie, und sie hat Mühe beim Atmen, sporadisch tritt ein stechender Schmerz auf. Erste Abklärungen bei ihrem Arzt hatten keine Auffälligkeiten gezeigt, nun

Der Eingriff bei Frau Furrer erfolgt im Herzkatheterlabor, in dem es ähnlich wie in einem Operationssaal aussieht. Herzkatheteruntersuchungen und ­ eingriffe sind risikoarm. Mehr als 3’000 Patientinnen und Patienten pro Jahr werden in den Herzkatheterlaboren des USZ von spezialisierten Kardiologinnen und Kardiologen untersucht und behandelt. Die Herzkatheteruntersuchung ist eine minimalinvasive Untersuchung des Herzens, mit der eine Vielzahl von Erkrankungen diagnostiziert und in bestimmten Fällen in der gleichen Sitzung behandelt werden können. Dafür wird ein dünner, biegsamer Kunststoffschlauch (der Herzkatheter) über ein Blutgefäss bis zum Herzen vorgeschoben. Eingeführt wird der Ka­

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Auf Monitoren können die Kardiologen die Reise des Katheters ins Herz verfolgen und die Reaktion der Herzkranzgefässe sehen.

theter meist über ein Gefäss in der Leiste oder am Handgelenk. Über den Katheter kann Kontrastmittel in die Herzkranzgefässe, die das Herz mit Blut versorgen, gespritzt werden, um die Gefässe sichtbar zu machen und auf Engstellen zu untersuchen. Die Röntgenbilder werden über ein Röntgengerät direkt beurteilt und so die Lage des Katheters permanent kontrolliert. Eine Herzkatheteruntersuchung ist hochspezialisierte Teamarbeit. Weitere Fachpersonen reichen während der Untersuchung die benötigten Materialien steril zu, verabreichen Medikamente, überwachen Blutdruck und Herzfrequenz oder protokollieren den gesamten Eingriff.

Das Team ist rund um die Uhr bereit Der häufigste Grund für eine Herzkatheteruntersuchung sind Beschwerden oder der Nachweis einer Durchblutungsstörung des Herzmuskels in einem spezifischen, nichtinvasiven Test. Ist eines oder sind mehrere Gefässe verengt, können sie mithilfe eines über den Katheter eingeführten Ballons aufgedehnt und mit einer Gefässstütze, einem Stent, offen gehalten werden. Bei einem akuten Gefässverschluss liegt ein lebensbedrohlicher Herzinfarkt vor. Um Patientinnen und Patienten mit Herzinfarkt zu versorgen, ist das Herzkatheterlabor am USZ rund um die Uhr einsatzbereit. Dies ermöglicht es, ein verschlossenes Herzkranzgefäss so schnell wie möglich wieder zu eröffnen. Weitere spezifische Katheter werden eingesetzt, um einen Druckabfall über einer Engstelle in einem Herzkranzgefäss zu messen oder hochauflösende Querschnittsbilder der Herzkranzgefässe zu erzeugen, die eine präzise Planung und Durchführung der Eingriffe ermöglichen.

Frau Furrer ist etwas nervös Im Vorraum wurde Daniela Furrer schon für die Untersuchung vorbereitet. Sie ist doch etwas nervös von der Vorstellung, dass gleich ein kleiner Schlauch in ihr Herz geschoben wird, und hat deshalb ein leichtes Beruhigungsmittel erhalten. Der Eingriff

selbst ist schmerzlos, sie wird kaum etwas davon spüren, und lediglich der Eintrittsort für den Katheter wird lokal betäubt. Wie allen Patienten wurde ihr ein Venenzugang gelegt, damit ihr bei Bedarf schnell Medikamente verabreicht werden können. Frau Furrer wird ins Herzkatheterlabor gebracht; dort werden Blutdruck und Puls kontinuierlich überwacht, und über einen Finger­ Clip wird der Sauerstoffgehalt in ihrem Blut kontrolliert. Dann geht es los.

Die Funktionsdiagnostik bringt Klarheit

Die grossen Herzkranzgefässe sind unauffällig. Barbara Stähli untersucht daher bei Frau Furrer die Funktion der kleinen Herzkranzgefässe. Bei Daniela Furrer zeigt sich bei diesen eine Verkrampfungsneigung. Sie leidet an einer sogenannten koronaren mikrovaskulären Dysfunktion, die Ursache ihrer Beschwerden ist damit klar. «Diese spezielle Untersuchung

der kleinsten Gefässe führen wir am USZ dann durch, wenn der klinische Verdacht einer Funktionsstörung der Herzkranzgefässe besteht», erläutert Barbara Stähli. «Es ist wichtig, eine Störung der Funktion der Herzkranzgefässe zu erkennen, um unnötige weitere Abklärungen vermeiden und die richtige Behandlung einleiten zu können. Die Patientinnen – etwa 60 bis 70 Prozent der Betroffenen sind Frauen – haben oft einen langen Leidensweg hinter sich, bis die Erkrankung erkannt wird.»

Frau Furrer ist froh, die Untersuchung gemacht zu haben, die etwa eine Viertelstunde gedauert hat –und tatsächlich völlig schmerzlos war. Sie kann noch gleichentags nach Hause. Ihre mikrovaskuläre Dysfunktion ist mit Medikamenten gut behandelbar. Voraussichtlich schon in kurzer Zeit werden ihre Beschwerden nachlassen oder verschwunden sein.

* fiktiver Name

KARDIOLOGIE

Die Kardiologie ist ein Teilgebiet der Inneren Medizin. Sie befasst sich mit der Diagnose und Behandlung von angeborenen und erworbenen Erkrankungen des Herzens. Häufige Krankheitsbilder in der Kardiologie sind Herzinsuffizienz, Herzrhythmusstörungen, Herzinfarkt sowie angeborene Herzfehler. Zur Behandlung setzen Kardiologinnen und Kardiologen Medikamente oder kathetergestützte minimalinvasive Therapien ein.

Kardiologie am USZ

Über 100 Kardiologinnen und Kardiologen stellen am USZ rund um die Uhr die ambulante und stationäre Versorgung von Patientinnen und Patienten mit Herzerkrankungen sicher. Für die Diagnostik und die Therapie steht ihnen dafür eine hochmoderne Infrastruktur zur Verfügung. Die hohe Spezialisierung und die enge Zusammenarbeit mit anderen Fachbereichen am USZ sorgen für die individuell beste Behandlung jedes Patienten. In einer aktuellen Umfrage der «Handelszeitung» wurde die Kardiologie des USZ von Fachpersonen sowie von Patientinnen und Patienten zur besten Kardiologie der Schweiz gewählt.

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Herzens‑ angelegenheit

In der modernen Herzchirurgie wird immer mehr minimalinvasiv operiert. Was die Vorteile sind und weshalb es trotzdem immer offene Herzoperationen geben wird.

Text: Katrin Hürlimann

Bilder: Christoph Stulz, USZ

ln der modernen Herzchirurgie wird vermehrt minimalinvasiv operiert –zum Vorteil der Patientinnen und Patienten.

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«Wir gehen mit unseren Patienten eine Freundschaft auf Zeit ein», sagt Omer Dzemali, der die Klinik für Herzchirurgie am USZ seit Dezember 2022 leitet. Er bringt damit zum Ausdruck, wo der Fokus der modernen Herzchirurgie liegt: Die Patientinnen sollen hochqualitativ und schnell behandelt werden und in einer angemessenen Zeit genesen können. Das funktioniert nur, wenn verschiedene Disziplinen und Berufsgruppen, die sich mit kardiovaskulären Krankheiten beschäftigen, zusammenspannen. In erster Linie sind das die Herzchirurgie und die Kardiologie, fast immer involviert sind auch Anästhesie, Radiologie, Infektiologie, Gefäss­, Thoraxund Viszeralchirurgie. Für eine erfolgreiche Herzoperation braucht es ein perfektes Zusammenspiel von Chirurginnen, Pflegenden der Normalbettenstation und der Intensivstation, spezifisch ausgebildeten Kardioanästhesistinnen und Physiotherapeuten. «Unser Ziel ist es, Traumata zu reduzieren und die Operation und ihre Folgen für die betroffene Person so angenehm wie möglich zu gestalten», sagt Omer Dzemali, «wir operieren immer häufiger auch minimalinvasiv.»

Reine Übungssache

Minimalinvasive Eingriffe haben viele Vorteile für die Patientinnen und Patienten: Sie dauern weniger lang, nach

dem Eingriff benötigen die Betroffenen rascher keine Beatmung mehr, wodurch sie weniger lang auf der Intensivstation bleiben müssen. Zurück bleibt eine viel kleinere Narbe als bei der offenen Herzchirurgie. Für die Operateure bedeuten minimalinvasive Eingriffe ein Umdenken. «Für uns Chirurgen ist es auf den ersten Blick kein Vorteil, minimalinvasiv zu operieren. Bei der offenen Herzoperation fühlt man sich sehr sicher, weil alles offen vor einem liegt und man den Überblick hat. Und vor allem, weil wir es gewohnt sind, so zu operieren», erklärt Omer Dzemali. Dass das auch bei den minimalinvasiven Operationen der Fall ist, lerne man mit der Erfahrung, sagt der Klinikdirektor. Mit der Kamera, die bei minimalinvasiven Eingriffen zum Einsatz kommt, sieht man sogar alles viel detaillierter als von Auge. «Eine Herzklappe, die normalerweise einen Durchmesser von drei bis vier Zentimetern hat, wird auf dem Bildschirm zehnfach vergrössert dargestellt, also mit einem Durchmesser von 30 bis 40 Zentimetern.» Bezüglich Sicherheit der Operationen gibt es

Dazu gehört auch, dass der jeweilige Operateur den Patienten mindestens zwei Wochen vor der Operation kennenlernt. «Betroffene sollen zudem möglichst in Anwesenheit von Angehörigen aufgeklärt werden», findet der Klinikdirektor. «Das hilft uns und den Patienten.» Vor der Operation lernen die Patient:innen auch die Narkoseärzte kennen. Omer Dzemali ist ein Befürworter von standardisierten Prozessen. «Ein klar definierter Patientenpfad entlastet alle – unsere Teams und vor allem die Patienten, weil sie zu jedem Zeitpunkt wissen, was als Nächstes geschieht.»

Immer mehr operierbar

Omer Dzemali, Direktor der Klinik für Herzchirurgie und Leiter Universitäre Herzchirurgie Zürich

keinen Unterschied zwischen minimalinvasiver und offener Operation: Eine Herzoperation ist immer ein massiver Eingriff. Am USZ werden bereits drei Assistenzärzte darin ausgebildet, minimalinvasiv zu operieren. «Für die neue Generation von Herzchirurgen werden minimalinvasive Eingriffe Standard sein», ist Omer Dzemali überzeugt. Er motiviert sein Team, neue Methoden und modernste Techniken anzuwenden und so den Herzpatientinnen und ­patienten die bestmögliche Behandlung anzubieten.

Wenn immer möglich operieren die Herzchirurginnen und ­ chirurgen am USZ also minimalinvasiv. Wo vor drei bis vier Jahren noch der ganze Brustkasten geöffnet werden musste –eine sogenannte Sternotomie durchgeführt wurde –, reicht heute oft ein vier Zentimeter langer Schnitt. Je nach Erkrankung und Operation wird der Schnitt vorn oder an der Seite des Brustkastens gesetzt. «Wir können heute angeborene Herzfehler minimalinvasiv operieren», erklärt Omer Dzemali. Auch Bypass­ Operationen oder Operationen an den Herzklappen sind so möglich. Natürlich gibt es nach wie vor Fälle, bei denen man offen operiert. «Wir werden von der offenen Herzchirurgie nicht wegkommen, und das ist auch gut so», findet der Klinikdirektor. Es gebe Eingriffe, die man konventionell operieren müsse.

Die Klinik für Herzchirurgie pflegt eine enge Zusammenarbeit mit der Abteilung «Soft Robotics» der ETH Zürich. Dort entwickeln die Forschenden derzeit eine Roboterhand, die die Bewegungen der Chirurg:innen live nachahmt, inklusive Intensität des Drucks. Die Weiterentwicklung der technischen Geräte wird das Spektrum möglicher Eingriffe deutlich erweitern, ist Omer Dzemali überzeugt.

Alle ziehen am selben Strick Der Fokus in der Herzchirurgie am USZ liege darin, die beste Therapie für den Patienten durchzuführen, so Omer

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«Meine Patientinnen und Patienten sehe ich jeden Tag.»

Dzemali. Der Entscheid, ob und, wenn ja, welche Operation es braucht, sei enorm wichtig. «Mit den Ressour‑ cen am USZ, also der Zusammenarbeit mit vielen verschiedenen Disziplinen und Berufsgruppen, können wir diese

Entscheidungen treffen», führt der Klinikdirektor aus. Von der Bildgebung vor der Operation, hin zu den Chirur ginnen während der Operation bis zur nachbetreuenden Reha durch die Physiotherapeutinnen oder Nachbe

treuung durch die Psychokardiologen: Herzpatientinnen und patienten am USZ können sich auf äusserst moti vierte Teams verlassen, die hochquali tativ arbeiten und denen die Gesund heit der Patienten am Herzen liegt.

Omer Dzemali

Omer Dzemali ist deutscher Staatsbürger. Er wurde in Tetovo in Nordmazedonien geboren. Der heute 52-Jährige hat an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz Medizin studiert. Er lebt mit seiner Frau und zwei Kindern im Kanton Aargau. Seit Dezember 2022 leitet er die Klinik für Herzchirurgie am USZ.

Omer Dzemali, weshalb sind Sie Herzchirurg geworden?

Schon als Kind bin ich mit dem Thema Herzkrankheiten in Berüh rung gekommen. Meine Gross mutter, die mich grossgezogen hat, war herzkrank und ist, als ich neun Jahre war, daran gestorben. Da habe ich mir geschworen, dass ich später etwas mit Medizin und dem Herzen machen will. Man darf als Kind Träume haben, vielleicht werden sie eines Tages wahr. Im Studium habe ich lange als Tutor in der Anatomie gearbeitet und dabei meine manuellen Fähigkeiten weiterentwickelt, das hat mir grossen Spass gemacht.

Wie geben Sie Ihre Begeisterung für das Fach weiter?

An erster Stelle steht für mich die Motivation, mit gutem Beispiel vor anzugehen. Guten Nachwuchs zu finden, ist nicht einfach, weil es ein sehr zeitintensiver Job ist. Deshalb habe ich ein Programm ins Leben gerufen, bei dem Medizinstudentin nen und studenten im fünften und sechsten Studienjahr bei uns im Team assistieren können. So erhalten sie schon früh Einblick in den Alltag und sind motiviert, Neues zu lernen. Ich bin ein Befürworter der standardisierten Ausbildung. Ich möchte, dass die Assistenzärztin nen und ärzte wissen, wann sie sich wie und wo weiterbilden sollen. Und ich spreche früh mit ihnen dar über, welches Feld der Herzchi‑ rurgie sie besonders interessiert.

Was macht einen guten Herzchirurgen aus?

Den Patienten ernst nehmen, ihm zuhören, Vertrauen schenken und Vertrauen wecken. Überzeu gungsarbeit leisten, wenn Patienten Hemmungen oder Angst haben.

Wer patientenorientiert arbeitet, wird erfolgreich sein. Dafür muss man sich Zeit nehmen, denn neben den zum Teil langen Operationen stehen auch Gespräche mit Patienten und Angehörigen und auch admi nistrative Arbeiten an. Extrem wich tig sind auch die manuellen Fähig keiten. Da kommt es vor allem auf die Übung an, wie beim Geigenspiel. Und je öfter man operiert, umso besser macht man es.

Was ist die grösste Herausforderung an Ihrem Beruf?

Ich muss viele Aufgaben gleich‑ zeitig meistern können: An erster Stelle steht, mich um die Patienten zu kümmern – immer im interdis‑ ziplinären Team. In meiner Position kommen Führungsaufga ben hinzu. Und ich muss fähig und bereit sein, Entscheidungen zu treffen. Konkret heisst das, dass ich zum Beispiel bereit sein muss, eine Wanderung abzubre chen, um zurück im Spital Leben zu retten. Die Genugtuung danach ist grösser als bei jeder Besteigung eines Berggipfels.

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VIER FRAGEN AN
Direktor der Klinik für Herzchirurgie und Leiter Universitäre Herzchirurgie Zürich

Die koronare Herzkrankheit (KHK) ist eine häufige Erkrankung des Herzens. Die Blutgefässe, die den Herzmuskel versorgen sollen, sind verengt durch Ablagerung von Kalk oder Fett. Der Herzmuskel wird dadurch nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff versorgt, ein Totalverschluss führt zum Herzinfarkt. Bei Verdacht auf eine KHK ist daher eine sorgfältige Diagnostik entscheidend.

CT innert eines Herzschlags

Als Erstes erfolgt bei vielen Patientinnen und Patienten die Untersuchung mittels Computertomographie (CT). Diese dauert heute – von der Vorbereitung abgesehen – weniger als eine Sekunde: Je nach Gerät werden zeitgleich mehrere Hundert Bilder aufgenommen und anschliessend zu einem dreidimensionalen Bild zusammengefügt. In der Diagnostik ersetzt das CT heute zumeist die invasivere Angiographie.

Den Stoffwechsel sichtbar machen

Das CT und das ebenfalls oft zur Anwendung kommende MRI stellen die anatomischen Strukturen dar, seien dies Knochen oder Weichteile. Mit den diagnostischen Verfahren der Nuklearmedizin ist es dagegen möglich, den Stoffwechsel sichtbar zu machen. Hierfür werden der Patientin sogenannte

Nuklearmedizin: hochspezialisierte Diagnostik

Möglichst schonend, präzis und rasch: Diese Anforderungen gelten nicht nur für die Behandlung von Herzkrankheiten, sondern ebenso für deren Diagnostik. Eine wichtige Rolle spielen heute die Untersuchungen in der Nuklearmedizin.

Text: Cindy Mäder Bild: USZ

Tracersubstanzen verabreicht, also ein bestimmtes Molekül, das mit einem leicht radioaktiven Stoff gekoppelt ist. Diese Substanz variiert dabei je nach Organ und Fragestellung, wie beispielsweise der Suche nach einem Tumor bzw. dessen Ablegern oder der Suche nach Entzündungsherden.

Gestörte Mikrozirkulation im Herzmuskel betrifft vor allem Frauen

Bei der nuklearmedizinischen Untersuchung des Herzens wird meist untersucht, wo und wie gut der Herzmuskel mit Blut versorgt wird. Besonders bei Frauen kann diese Untersuchung sehr wichtig sein, denn bei ihnen zeigt das CT oftmals normal durchgängige Herzkranzgefässe – trotz Symptomen einer koronaren Herzkrankheit. Mittlerweile weiss man aber, dass bei einem substanziellen Teil von ihnen die Mikrozirkulation gestört ist, also Verschlüsse in den kleinsten Blutgefässen vorliegen, die weder im CT noch im MRI erkennbar sind.

Untersuchung nur an Zentren möglich

Die hierfür notwendige sogenannte PET­Untersuchung ist allerdings nur an spezialisierten Zentren möglich. Grund dafür sind insbesondere die benötigten radioaktiven Substanzen.

Das am USZ für diese Herzuntersuchung verwendete Radionuklid

13N­Ammoniak hat eine Halbwertszeit von knapp zehn Minuten. Das heisst, es zerfällt laufend: Nach zehn Minuten ist nur noch die Hälfte der Substanz nutzbar, nach 20 Minuten noch 25 Prozent der ursprünglichen Menge. Eine kurze Halbwertszeit hat den Vorteil, dass die Strahlenbelastung sehr gering ist. Es bedeutet aber auch, dass die Produktion des Radionuklids in unmittelbarer Nähe der Untersuchung stattfinden und die Menge spezifisch für jeden einzelnen Patienten hergestellt werden muss.

Kombinierte Untersuchungen als Spezialität

Den grössten Erkenntnisgewinn erzielt man in der Diagnostik meist, wenn zwei Technologien kombiniert werden, sprich PET und CT oder PET und MRI. Die Kombination erlaubt es zum Beispiel, gleichzeitig den Stoffwechsel eines Organs und seine anatomischen Strukturen zu beurteilen. Das erste PET/CT weltweit wurde am Institut für Nuklearmedizin des USZ in Betrieb genommen, vor einigen Jahren folgte das PET/MR. Letztere Kombination kommt in der Herzbildgebung insbesondere bei Patienten mit Verdacht auf eine Entzündung des Herzmuskels zur Anwendung.

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Mit Herz und Seele

Geht es der Psyche gut, wirkt sich das positiv auf den Genesungsprozess nach einer Herzoperation aus. Dieser Fakt soll nun besser untersucht werden.

Text: Manuela Britschgi Bild: Getty Images

«Sie müssen sich vorstellen, dass ich als mehr oder weniger fremde Person Ihr Herz während einer Operation abstelle.» Die Aussage von Omer Dzemali, Direktor der Klinik für Herzchirurgie am USZ, löst augenblicklich Unbehagen aus – auch bei einer nicht herzkranken Person. Menschen mit einem herzchirurgischen Eingriff sind durch die oft lebensbedrohlichen Risiken stark belastet. Der Kontrollverlust beim Eingriff kann dies zusätzlich verstärken. Tatsächlich kämpft daher ein erheblicher Teil dieser Patient:innen sowohl vor als auch nach der Operation mit psychischen Symptomen oder gar Erkrankungen wie Depressionen oder Angststörungen.

Ganzheitliche Behandlung

Was in der Kardiologie des USZ schon seit Längerem Standard ist, hält nun auch Einzug in der Herzchirurgie – als einer der ersten in der Schweiz. Omer Dzemali arbeitet bei den Stadtspitälern Zürich bereits seit einigen Jahren eng mit dem Team der Psychokardiologie des USZ zusammen. Sie entwickelten gemeinsam ein Vorgehen, um psychische Belastungen der Patientinnen und Patienten frühzeitig zu erkennen und, sofern gewünscht, zu behandeln. Dieses Angebot etabliert er nun auch am USZ. Die Patient:innen profitieren nachweislich davon. «Es ist hinreichend erforscht, dass die Lebensquali-

tät deutlich steigt, wenn neben den körperlichen Beschwerden auch psychische Symptome behandelt werden. Eine stabile psychische Konstitution kann sich positiv auf die Genesung auswirken», erklärt Roland von Känel, Klinikdirektor der Konsiliarpsychiatrie und Psychosomatik.

Risiken minimieren

Es leuchtet ein: Wer entspannt und zuversichtlich ist, dem geht es in der Regel auch körperlich besser und umgekehrt. Doch inwieweit beeinflussen sich Körper und Geist bei Eingriffen am Herzen tatsächlich, und was sind potenzielle Indikatoren, die dies voraussagen? Genau dies versuchen die beiden Klinikdirektoren und ihre Teams nun herauszufinden. «Unsere gemeinsame Studie weist darauf hin, dass Personen mit depressiven Symp -

tomen oder Angststörungen nach einer Herzoperation unter anderem deutlich höhere Entzündungswerte aufweisen als Operierte ohne psychische Beeinträchtigungen», erklärt Omer Dzemali. Etwas erhöhte Entzündungswerte sind nach einem grossen Eingriff zwar normal, je höher diese aber sind, desto grösser ist das Risiko für Komplikationen. «Es interessiert uns darum auch, ob gewisse psychologische Auffälligkeiten vor einem Eingriff am Herzen direkt mit spezifischen Störungen in der Genesung nach dem Eingriff zusammenhängen», ergänzt Roland von Känel.

Freund auf Zeit

Die Studie wird nun an beiden Standorten weitergeführt. Sollten Roland von Känel und Omer Dzemali signifikante Zusammenhänge finden, wäre dies wegweisend. So könnten mit gezielten psychologischen Interventionen vor dem Eingriff gegebenenfalls spätere Beeinträchtigungen vermindert oder gar verhindert werden. Omer Dzemali meint dazu: «Ich bin überzeugt: Wenn wir Menschen ganzheitlich behandeln, auf alle Ebenen eingehen, ihnen quasi mit unserer Professionalität als ‹Freund oder Freundin auf Zeit› zur Seite stehen, können wir auch qualitativ die Ergebnisse einer Intervention am Herzen verbessern. Und genau dies möchten wir nun mit unserer Forschung belegen.»

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Patient Nr. 1

Jedes Jahr werden weltweit Millionen Herzkranke durch die Ballondilatation vor dem Tod bewahrt. Dölf Bachmann war vor 45 Jahren der erste Patient, bei dem diese Behandlungsmethode angewandt wurde.

Text: Marcel Gutbrod Bild: zVg

ie Schmerzen in der Brust plagten mich schon länger. Als sie immer schlimmer wurden, bekam ich es mit der Angst zu tun und ging zum Hausarzt. Dieser schickte mich weiter ins Spital Baden. Dort nahm man meine Beschwerden zuerst nicht richtig ernst. Erst als meine Werte beim Belastungs-EKG ins Bodenlose fielen, wurde ich sofort mit Blaulicht ins Unispital verlegt. Da lag ich nun in einem Sechserzimmer und wartete auf meine Herz-OP. Die anderen Leidensgenossen im Zimmer, alles Herzpatienten, zeigten mir stolz ihre grossen Narben auf dem Brustkorb. Mir graute es bei der Vorstellung, am nächsten Tag auch mit so einer hässlichen Narbe aufzuwachen. Da kam Dr. Andreas Grüntzig an mein Bett und erklärte mir,

dass er schon länger nach einem Patienten suche, der sich mit seiner neuen Operationsmethode behandeln lasse.

Grüntzig skizzierte mir den Ablauf der Ballondilatation bis ins letzte Detail. Mich faszinierte, wie einfach und schonend dieser Eingriff im Vergleich zu einer klassischen Herzoperation war. Allein schon, weil ich keine Narbe auf der Brust haben wollte, war ich sofort einverstanden mit der Operation. Dass ich der allererste Patient sein würde, bereitete mir keine Sorgen.

Dann war es so weit: Während des Eingriffs konnte ich alles mitverfolgen. Der Eingriff verlief problemlos, und danach ging ich zu Fuss ins Patientenzimmer zurück. Meine Zimmergenossen machten grosse Augen, dass ich bereits wieder auf den Beinen war und keine grosse Narbe auf der Brust hatte. Sie dachten, die Operation habe bei mir noch gar nicht stattgefunden. Ich entgegnete dann, dass alles tipptopp geflickt sei.

Bereits die Werte der ersten Belastungstests nach der Operation waren um Welten besser als davor. Bald wurde ich entlassen mit der Ermahnung, künftig unbedingt das Rauchen zu unterlassen. Zu Hause angekommen glaubte ich, noch einen Stumpen rauchen zu können. Nach ein paar Zügen wurde mir speiübel. Da wusste ich, dass ich das Rauchen komplett aufgeben muss. Bis auf die unfreiwillige Rauchabstinenz hatte ich nach der Operation fast keine Beschwerden. Und das blieb auch viele Jahrzehnte so. Wenn ich heute an die Operation zurückdenke, bin ich sehr dankbar dafür. Ich geniesse das Leben jeden Tag. Ich bin jetzt 85-jährig, und in den letzten 45 Jahren seit der Operation hatte ich ein erfülltes Leben –beruflich wie privat. Ohne Unispital und Dr. Grüntzig wäre das alles nicht möglich gewesen. Ich hatte wirklich unglaubliches Glück, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein.

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«D
«Ich war sofort einverstanden mit der Operation.»
Dölf Bachmann, Patient
Dölf Bachmanns Schicksal schrieb Medizingeschichte.

#facesofusz

Maria Sarioglou

Besonders komplizierte Fälle, bei denen sie kreativ sein muss, mag sie am liebsten. Maria Sarioglou geht in ihrem Beruf voll auf. Seit zwölf Jahren ist sie am USZ und kann sich keinen spannenderen Arbeitsort vorstellen.

Steckbrief Maria

Alter: 36

Beruf: Fachbereichsexpertin MRT

Neuroradiologie

Heimatland: Griechenland

Am USZ seit: 2011

Arbeitspensum: 100 Prozent

Lieblingstätigkeit: Reorganisation der vier Geräte, wenn ein Notfall dazwischenkommt.

Grösste Herausforderung: Als MTRA muss

ich die ganze Zeit mitdenken und kann nicht einfach eine Routine befolgen.

#facesofusz ist unsere Serie auf Instagram. Jeden zweiten Mittwoch erscheint ein Porträt über engagierte, interessante und aussergewöhnliche Mitarbeitende, die sich mit Haut und Haaren ihrer Arbeit am USZ verschrieben haben.

www.instagram.com/ universitaetsspitalzuerich

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Text: Carlotta Superti-Furga Bilder: Christoph Stulz

«Ich habe in Griechenland studiert und drei Jahre dort gearbeitet. Eine Ärztin, die mit mir arbeitete, hat mir dann erzählt, dass das USZ nach MTRA-Personal sucht. Ich bewarb mich und sechs Monate später war ich hier. Das war vor elf Jahren, und ich konnte noch kein Wort Deutsch. Nach der Arbeit ging ich in den Deutschunterricht. Meine Arbeit ist einerseits sehr technisch, andererseits aber auch personenorientiert. Als Fachbereichsexpertin Neuroradiologie bediene ich Magnetresonanztomographen (MRT). Das sind diese lauten, engen Röhren, vor denen sich viele Menschen fürchten.

Viele Menschen fühlen sich in der engen Röhre, umgeben von lautem Hämmern, nicht wirklich wohl oder haben sogar richtig Platzangst. Das kommt häufiger vor. In solchen Fällen nehme ich mir mehr Zeit und versuche, alles in Ruhe zu erklären, damit sich die Person sicher fühlt. Wenn das nicht ausreicht, dann können wir den Patient:innen ein Beruhigungsmittel geben.

Am USZ haben wir vier MRTs. Drei davon sind für ambulante Patienten und eines für stationäre. Ich arbeite normalerweise mit stationären Patient:innen. Das sind in der Regel die komplizierteren Fälle. Je nachdem können diese Personen nicht so einfach flach auf dem Rücken liegen, weil sie beispielsweise gerade operiert wurden und noch an andere Geräte angeschlossen sind. Dann ist es meine Aufgabe, die Person so zu positionieren, dass es für sie so angenehm wie möglich ist, und gleichzeitig dafür zu sorgen, dass wir gute Bilder erhalten.

Ich bin jedes Mal stolz, wenn wir bei einer Untersuchung gute Bilder erstellt haben. So helfen wir mit, eine Diagnose zu stellen oder die Behandlung zu vereinfachen. Ausserdem haben wir am USZ immer die neusten Geräte und können so auch Studien durchführen, um Behandlungen, beispielsweise für Aneurysmen, zu optimieren. Es ist also immer viel los, und die Zeit vergeht wie im Flug. Genau das mag ich an meiner Arbeit am USZ: Es ist nie langweilig. Und sollte es doch mal etwas anstrengender werden, kann ich mich immer auf meine Teamkolleg:innen verlassen. Wir unterstützen uns gegenseitig und verstehen uns wirklich gut.

Mein Arbeitsplatz am USZ

Die Magnetresonanztomografie (MRT) ist ein bildgebendes Verfahren, das mit starken Magnetfeldern und Radiowellen arbeitet und dreidimensionale Schnittbilder aus dem Körperinneren schafft. Sie wird vor allem bei der Diagnostik von Krankheiten des Gehirns, des Rückenmarks und des peripheren Nervensystems eingesetzt. Das MRT-Team am USZ besteht aus 22 Radiologiefachpersonen, die jährlich etwa 15’000 Patientinnen und Patienten scannen.

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Ihre Arbeit ist sehr technisch. Maria Sarioglou plant die nächste Untersuchung am Computer.
»
Maria Sarioglou bereitet das Untersuchungszimmer für den nächsten Patienten vor. MRT AM USZ

Langwierige Behandlung mit gutem Ergebnis

Lippen-Kiefer-Gaumenspalten sind in Europa die häufigste angeborene Fehlbildung bei Kindern. Am USZ beginnt die Behandlung mit der Beratung der Eltern schon während der Schwangerschaft durch ein spezialisiertes Team.

Text: Martina Pletscher Bilder: USZ, zVg

«Eine Spaltenbildung wird häufig schon bei einer Ultraschalluntersuchung während der Schwangerschaft erkannt», sagt Harald Essig, Mund-, Kiefer-, Gesichtschirurg am USZ und Spezialist für die Behandlung von Lippen-, Kiefer- und Gaumenspalten. «Für die Eltern sind damit erst einmal Ängste und viele Fragen um ihr ungeborenes Kind verbunden. Deshalb sind Unterstützung und Beratung schon zu diesem Zeitpunkt wichtig.» Am USZ arbeitet dafür ein erfahrenes Team aus Spezialisten und Spezialistinnen der Klinik für Geburtshilfe, der Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie und der Klinik für Neonatologie zusammen. Bei Bedarf wird auch eine Humangenetikerin zur Beratung beigezogen. «Wir treffen uns mit den Eltern zu einem Gespräch, in dem wir das erwartete Ausmass der Spaltbildung besprechen, Fragen beantworten und Behandlungsmöglichkeiten aufzeigen. Denn alle Spaltenformen sind behandelbar mit einem sehr guten funktionellen und ästhetischen Ergebnis. Wir können damit viele Sorgen ausräumen. Umfassend informiert und unterstützt, können sich die Eltern schon während der Schwangerschaft emotional auf ihr Kind vorbereiten und der Geburt zuversichtlich entgegensehen», so die Erfahrung von Harald Essig.

Eine der häufigsten Fehlbildungen Lippen-, Kiefer- und Gaumenspalten gehören zu den häufigsten angeborenen Fehlbildungen in Europa. Etwa eines von 500 Kindern kommt mit einer Spalte zur Welt, Jungen sind etwas häufiger betroffen als Mädchen. Bei den Betroffenen sind Oberlippe,

auf und sind nur in seltenen Fällen Teil eines genetischen Syndroms. Ein Teil ist familiär bedingt, also durch fehlerhafte Erbanlagen verursacht, andere sind spontane Fehlbildungen.

Die unterschiedlichen Spaltformen können ein- oder beidseitig auftreten. Bei allen Formen sind die Ausprägungen individuell, je nach Ausprägung sind auch die funktionellen Störungen und Beeinträchtigungen durch die Spaltenbildung verschieden. Sie erschweren die Nahrungsaufnahme und können Atemschwierigkeiten bereiten.

Harald Essig, Mund-, Kiefer-, Gesichtschirurg

Oberkiefer und Gaumen teilweise oder komplett von einem Spalt durchzogen. Die Art und die Ausprägung der Fehlbildung können vorgeburtlich anhand spezieller, hochpräziser 3D-Ultraschallbilder beurteilt werden, fallweise werden zusätzlich Gentests gemacht, um abzuklären, ob Symptome weiterer Beeinträchtigungen vorliegen. LippenKiefer-Gaumenspalten treten jedoch in der Regel als isolierte Fehlbildungen

Durch die Fehlbildung selbst und auch durch Wachstumsstörungen, die nach den notwendigen chirurgischen Eingriffen auftreten können, kommt es häufig zu einer Fehlstellung der Zähne oder gar zu einer Unterentwicklung des Mittelgesichts. Ist der Weichgaumen betroffen, können Schwierigkeiten bei der sprachlichen Artikulation und Belüftungsstörungen des Mittelohrs auftreten. Das durch die Spalte veränderte Erscheinungsbild ist für die Betroffenen eine zusätzliche Belastung.

Festgestellt wird eine Spalte, wenn nicht schon vorgeburtlich, in der Regel bei der Erstuntersuchung nach der Geburt. Lediglich eine submuköse, das heisst unter der Schleimhaut gelegene Gaumenspalte, wird mitunter erst vom Kinderarzt, von der Logopädin oder oft auch vom Kinderarzt

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«Alle Spaltenformen sind gut behandelbar.»

bzw. Schulzahnarzt vermutet und erkannt, insbesondere dann, wenn ein Kind ungewöhnlich oft an Mittelohrentzündungen leidet.

Vom ersten Tag an in erfahrenen Händen

Die Behandlung einer Spalte kann –abhängig vom Ausmass – in mehreren Etappen bis zum Ende des Wachs‑ tums im jungen Erwachsenenalter dau ern. «Das Ziel jedes Schrittes und beim Abschluss ist es, funktionelle Ein‑ schränkungen und Wachstumsstö‑ rungen zu vermeiden bei einem ästhe tisch guten Ergebnis. Damit jedes Kind die beste Behandlung erfährt, setzt diese gleich nach der Geburt ein», erläutert Harald Essig das Konzept am USZ. «Wird die Spaltenbildung erst nach der Geburt erkannt, wird spätes tens dann eine Kieferchirurgin oder ein Kieferorthopäde beigezogen, um das Kind zu untersuchen. Dann be spricht das Behandlungsteam mit den Eltern die weiteren Schritte.» Zuerst stehen praktische Fragen im Vorder grund, vor allem die Ernährung des Kindes. Das Stillen ist in den meisten Fällen möglich, vor allem, wenn le diglich eine Lippenspalte besteht. Auf Neugeborene mit Spaltbildungen spezialisierte Pflegefachfrauen und Hebammen leiten die Mütter dabei an. Der Kieferorthopäde fertigt bei Be darf schon in den ersten Tagen eine Gaumenplatte an, die Mund und Na senhöhle trennt, als Saug und Trink hilfe dient, aber auch die Atmung er‑ leichtert. Weil die Gaumenplatte schon in den ersten Lebenstagen eingesetzt wird, gewöhnen sich die Kinder rasch daran. «Die meisten Kinder können dann zusammen mit der Mutter nach wenigen Tagen nach Hause entlas‑ sen werden. Treten Probleme oder Fra gen auf, können uns die Eltern jeder zeit kontaktieren.»

Schrittweise zum Verschluss

Eine Gaumenplatte kann auch im weiteren Verlauf eine wichtige Funktion einnehmen, etwa um die Position der Oberkiefersegmente zu steuern. Dafür wird sie regelmässig angepasst und erneuert. Schrittweise wird der

Verschluss der Spalte bzw. der Spalten angegangen. Die Lippenspalte kann schon nach den ersten sechs Lebens monaten operativ geschlossen werden. Im Verlauf der Therapie sind häufig weitere kieferchirurgische Eingriffe er forderlich, etwa um den Gaumen zu verschliessen und Kieferfehlstellungen zu korrigieren. Nötigenfalls werden Zahnfehlstellungen mit einer kieferor thopädischen Therapie behandelt. «Damit das Gebiss und das Kieferwachs tum sich harmonisch entwickeln, werden Kinder mit einer Spaltbildung bis zum Abschluss des Wachstums kieferorthopädisch überwacht», so Ha rald Essig. «Bei stärkeren Abweichun‑ gen der Kiefer, die allein kieferortho pädisch nicht zu beeinflussen sind, kann nach Abschluss des Wachstums, etwa zwischen 16 und 18 Jahren, eine operative Korrektur notwendig werden.»

Parallel dazu ist eine logopädische Betreuung der Kinder wichtig. Diese sollte schon im zweiten Lebensjahr beginnen und dabei unter anderem die Entwicklung der Lippen , Zungen und Gaumenmuskulatur und ab Sprech beginn auch die Lautbildung beob‑ achten und wenn nötig therapeutisch fördern.

Grosse Belastung –mit lohnendem Ergebnis

Die grundlegenden Eingriffe erfolgen bis zum dritten Lebensjahr. «Die The

rapie ist mit wenigen Pausen jedoch dauernd präsent, auch durch die regel mässigen Kontrolluntersuchungen. Die sich vor allem bei Kiefer und Gau menspalten über die ganze Kinder und Jugendzeit erstreckende Behand lung kann für das Kind, die Eltern und die ganze Familie deshalb zu einer grossen Belastung werden», weiss Harald Essig. «Die Psyche kann leiden, aber auch der Familienalltag ist da durch immer wieder beeinträchtigt. Es ist wichtig, auch diesen Aspekt im Auge zu haben und offen anzusprechen.» Für die Kinder und ihre Eltern kann es dann hilfreich sein, sich im Rahmen der Behandlung psychotherapeutisch begleiten zu lassen. Seit Kurzem bietet das USZ deshalb gemeinsam mit der Abteilung für Psychologie des Universi täts Kinderspitals Zürich ein entspre chendes begleitendes Angebot an. Auch Selbsthilfegruppen und Elterninitiati ven bieten Rückhalt und Unterstützung in schwierigen Phasen. «Wir können den Betroffenen und den Eltern aus un serer Erfahrung heraus Mut machen. Am Ende der Therapie steht meist ein gutes Ergebnis. Die Patientinnen und Patienten leben beschwerdefrei, und von der einstigen Lippen Kie fer Gaumenspalte sieht man kaum mehr als eine kleine Narbe an der Oberlippe.»

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Eines von 500 Kindern kommt mit einer Form der Lippen-Kiefer-Gaumenspalte zur Welt.

Frühzeitig erkannt, ist Lungenkrebs heilbar

Rauchen gilt als grösster Risikofaktor für Lungenkrebs. Um die Methoden zur Früherkennung von Lungentumoren zu verfeinern, suchen USZ-Forschungsteams geeignete Studienteilnehmende. Isabelle Schmitt-Opitz, Direktorin der Klinik für Thoraxchirurgie, und Thomas Frauenfelder, Direktor des Instituts für Diagnostische und Interventionelle Radiologie, erklären die Details.

Text: Jolanda van de Graaf Bild: Yasemin Ünsal

Lungentumor tut nicht weh und kann darum über längere Zeit unbehelligt wachsen. Oft handelt es sich um einen Zufallsbefund, wenn Menschen wegen anderer Beschwerden zum Arzt gehen.

Thomas Frauenfelder: Von den jährlich 4’200 diagnostizierten Fällen in der Schweiz werden 85 Prozent innerhalb der nächsten fünf Jahre sterben. Dies ist eine traurige Realität.

Was braucht es, um mehr Leben retten zu können?

Schmitt-Opitz: Lungenkrebs lässt sich praktisch nur heilen, indem er chirurgisch entfernt wird. Wird ein Lungentumor frühzeitig entdeckt, ist eine Operation möglich, und die erkrankte Person kehrt krebsfrei nach Hause. So kann auf weitere komplexe Behandlungsmethoden verzichtet werden.

Warum sterben in der Schweiz immer noch jährlich 3’000 Menschen an Lungenkrebs? Das sind mehr als acht Menschen pro Tag. Isabelle Schmitt-Opitz: Lungenkrebs wird meistens recht spät entdeckt. Ein

Frauenfelder: Zur besseren Früherkennung gehören auch aussagekräftige Bilder. Die Technologie in der Niedrigdosis-Computertomographie (CT) hat sich in den letzten Jahren enorm entwickelt. Das CT bietet heute dank einer höheren Zahl an Bilderschichten deutlich mehr Informationen, was in der Diagnose neue Möglichkeiten eröffnet. Zudem hat die Strahlendosis massiv abgenommen.

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Im CT können Lungentumore zuverlässig entdeckt werden.

Wie genau wird Lungenkrebs behandelt?

Schmitt-Opitz: Bei Verdacht auf Lungenkrebs besprechen wir den Fall im wöchentlichen Tumorboard des Lungen- und Thoraxonkologiezentrums. Ziel ist es, sich auf eine Behandlungsmethode zu einigen, die für Erkrankte am wenigsten belastend ist. Ist ein Lungentumor entfernbar, operieren wir. Hat der Tumor bereits Metastasen gestreut, folgen weitere Anschlusstherapien wie zum Beispiel eine Chemo- oder Immuntherapie. Solche Therapien sind anspruchsvoll und können lange dauern. Deshalb ist es wichtig, einen Lungentumor so früh wie möglich zu erkennen.

Wie muss ein Lungenkarzinom beschaffen sein, damit es chirurgisch entfernt werden kann?

Schmitt-Opitz: Wichtig ist, dass der Tumor abgrenzbar ist oder der Krebs erst maximal eine Lymphknotenstation befallen hat. Relevant sind Tumore ab einer Grösse von sechs Millimeter Durchmesser. Ein Lungenkarzinom verdoppelt seine Grösse innerhalb von etwas mehr als einem Jahr.

Sie führen ein LungenscreeningProgramm durch. Wie sieht die Entdeckungsrate aus?

Schmitt-Opitz: Bei 4 von 100 Lungenscreening-Teilnehmenden wurde ein Lungentumor rechtzeitig entdeckt, sodass er operativ entfernt werden konnte. Sie sind heute krebsfrei. Im internationalen Vergleich ist das eine hohe Entdeckungsrate.

Frauenfelder: Zudem haben wir eine vergleichsweise tiefe Recall-Rate. Der Recall für weitergehende Untersuchungen geht an Personen, deren Diagnose nicht eindeutig ist. Die hochwertige Bildgebung erlaubt uns heute aber ziemlich klare Aussagen über die Qualität einer Gewebewucherung.

Wie kam es 2017 zum Start des Lungenscreenings?

Frauenfelder: Internationale Studien zeigten, dass mittels Früherkennung durch Lungenscreening die Lungen-

krebs-Sterblichkeit um 20 Prozent gesenkt werden kann. In der Schweiz bedeutet dies, pro Jahr über 650 Menschenleben zu retten. Wir starteten unsere Studien 2017 mit 75 Teilnehmenden. 2018 konnten wir die Finanzierung durch den Innovationspool des USZ sichern. Wir konnten zwar unseren Pool an Studienteilnehmenden laufend ausweiten, möchten jedoch noch mehr Probanden gewinnen.

Wie läuft ein Lungenscreening ab?

Schmitt-Opitz: Zuerst klären wir mit den Interessierten ab, ob sie die Voraussetzungen erfüllen. Das CT selber dauert gerade mal zehn Minuten. Teilnehmende ohne Befund werden telefonisch darüber informiert. Wurde ein Tumor entdeckt, wird das weitere Vorgehen in einem persönlichen Gespräch im Rahmen einer Sprechstunde besprochen.

Wer kann bei der Studie mitmachen?

Frauenfelder: Wir suchen Menschen zwischen 55 und 74 Jahren, die während 30 Jahren täglich mindestens eine Packung Zigaretten geraucht haben. Ex-Raucher und -Raucherinnen dürfen nicht länger als 15 Jahre rauchfrei sein. Die Teilnehmenden profitieren von einer allfälligen Früherkennung und stellen im Gegenzug die anonymen Daten der Forschung zur Verfügung. Damit können wir den Untersuchungsprozess für die Diagnose und den Behandlungsplan verfeinern und leisten zusammen mit den Studienteilneh-

menden einen wichtigen Beitrag an die Umsetzung eines nationalen Lungenscreening-Programms.

Noch existiert aber kein nationales Programm. Wo steht die Schweiz da?

Frauenfelder: Die Gesundheitsvorsorge ist in der Schweiz kantonal geregelt. Um einen Flickenteppich zu vermeiden, macht ein nationales Lungenscreening-Programm Sinn. Mitte November 2022 hat das unabhängige nationale Expertengremium Krebsfrüherkennung eine Empfehlung für ein nationales LungenscreeningProgramm bei Risikogruppen abgegeben. Das bringt nun zusätzlichen Schwung in das Thema. Die Vorarbeiten sind gemacht. Ein nationales Lungenscreening-Programm wird Leben retten.

Was bringen die laufenden Studienprojekte in der Praxis?

Frauenfelder: Wir wollen mit einem breiten Datenpool die Aussagekraft der Bildgebung noch mehr verfeinern. Dahin gehend werden wir künftig auch vermehrt Künstliche Intelligenz (KI) nutzen.

Schmitt-Opitz: In der Risikogruppe der Raucher spielen neben Lungenkrebs auch koronare Herzerkrankungen und das Lungenemphysem (zerstörte Lungenbläschen) eine wichtige Rolle. Ziel ist es, künftig mit einem einzigen Lungen-CT alle drei Erkrankungen zu erkennen. Das wird einen grossen Mehrwert bringen.

STUDIENTEILNEHMENDE GESUCHT

Sind Sie zwischen 55 und 74 Jahren und rauchen seit 30 Jahren täglich mindestens eine Packung Zigaretten? Ebenfalls gesucht werden ehemalige Raucher und Raucherinnen, die bis vor 15 Jahren mindestens eine Packung pro Tag geraucht haben. Wir freuen uns auf Ihre direkte Kontaktaufnahme per E-Mail unter lungenkrebs-screening@usz.ch; Telefon +41 43 254 41 10. Auch eine Zuweisung durch Ihren Hausarzt ist möglich. Die Niedrigdosis-Computertomographie (CT) findet am Universitätsspital Zürich statt (Rämistrasse 100) und dauert rund 10 Minuten. Das Lungenscreening ist kostenfrei.

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Der Darm-Herz-Achse auf der Spur

Eine Studie soll zeigen, ob die Optimierung des Mikrobioms Patient:innen hilft, die unter verkalkten Herzkranzgefässen leiden.

Text: Claudio Jörg

Bild: Saskia Venema

Herz­Kreislauf­Erkrankungen sind die häufigste Todesursache und der dritthäufigste Grund für Hospitalisierungen. Expert:innen gehen davon aus, dass sich die Situation verschlimmert, weil die Bevölkerung immer älter wird und Übergewicht und Diabetes auf dem Vormarsch sind. Kardiologen und Gastroenterologen des USZ planen eine Studie, die dazu beitragen könnte, das Problem zu entschärfen. «Unsere Untersuchung soll zeigen, ob sich

die Funktion des Herzens bei Patient:innen mit koronarer Herzkrankheit positiv entwickelt, wenn das Mikrobiom von gesunden Menschen in deren Darm eingebracht wird», sagt Barbara Stähli, Leitende Ärztin an der Klinik für Kardiologie. Der Einfluss einer Veränderung des Mikrobioms auf das Herz sei bis anhin noch nie klinisch untersucht worden. Aus der Forschung gäbe es aber Hinweise darauf, dass diese Strategie vielversprechend sein könnte.

Bakterien gegen Verkalkung

«Man weiss heute, dass Patientinnen und Patienten mit bestimmten Erkrankungen eine andere Zusammensetzung des Mikrobioms haben als gesunde Menschen», erklärt Michael Scharl, Leitender Arzt in der Gastroenterologie und Leiter der MikrobiomSprechstunde. Bei Kranken sei die Diversität der Darmbakterienarten im Mikrobiom reduziert. Die Zusammensetzung der Anteile bestimmter Gruppen von Mikroorganismen an der Gesamtmenge unterscheide sich zum Beispiel bei Patienten mit Rheuma, Hautkrebs oder Multipler Sklerose. «Darüber, welche Funktion bestimmte Darmbakterien bei bestimmten Krankheiten genau erfüllen, wissen wir noch kaum etwas.»

Mikrobiota­Transplantation», kurz FMT genannt. Dabei wird via Darmspiegelung eine verdünnte und filtrierte Stuhlprobe eines Spenders mit einem gesunden Mikrobiom in den Dickdarm einer Patientin eingebracht. Schon nach einer einmaligen Spende können sich die Mikroorganismen bei den Empfängern etablieren und lassen sich noch nach Jahren nachweisen. Die andere Hälfte der Studienteilnehmenden erhält ein Placebo.

Hoffnung auf einfache Therapie

Bei der ersten Visite werden die Ärzte die Stuhltransplantation vornehmen und die Herz­ und Gefässfunktion untersuchen, und für die Laboranalyse werden Blut, Gewebe und Stuhl gesammelt. Nach sechs Monaten untersuchen die Ärzte das Herz von Neuem. Der Vergleich wird zeigen, ob und inwiefern die Therapie wirksam war. Von den molekularbiologischen Untersuchungen verspricht man sich zudem neue Erkenntnisse über die Funktion der Darmbakterien im menschlichen Körper.

Bei der Stuhltransplantation wird die Stuhlprobe via Endoskop in den Dickdarm eingebracht.

In die Studie sollen 38 Patient:innen mit Typ ­2­Diabetes und typischen Risikofaktoren für Herzerkrankungen eingeschlossen werden. Die Hälfte der Teilnehmenden erhält eine «Fäkale

Die Studie ist derzeit in der Vorbereitungsphase, und ein Start ist noch in diesem Jahr geplant. Sollten die Resultate die Hypothese bestätigen, würde eine grössere multizentrische Studie in Angriff genommen. Barbara Stähli: «Wir hoffen, mit unserer Forschung einen innovativen, hochwirksamen und kostengünstigen Therapieansatz für Patienten mit koronarer Herzkrankheit entwickeln zu können.»

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Selbstbestimmte Pionierin

Ruth Gattiker hatte als eine der ersten Frauen in der herzchirurgischen Anästhesie eine gehörige Portion Mut und den Biss, um sich in der männerdominierten Medizin durchzusetzen. 1969 war sie Narkoseärztin bei der schweizweit ersten Herztransplantation am USZ.

Text: Claudio Jörg Bilder: Milan Schijatschky, iStock

nierten Umfeld durchzusetzen. Nach ihrer ersten Stelle als Assistenzärz‑ tin in der Chirurgie der Pflegerinnen schule erhielt sie eine Anstellung als Narkoseärztin am Kantonsspital Zürich, wie das Universitätsspital Zürich damals hiess. Ihr Chef war Åke Senning, eine Koryphäe der Herz chirurgie. Der Schwede baute in den 1960er‑Jahren die Herzchirurgie in Zürich auf. «Eine Frau – nein, das geht nicht», soll er zuerst gesagt haben. Später verstanden sich die beiden bes tens. «Er hatte nicht gerne Duckmäuser, deshalb kam ich so gut mit ihm aus», erklärte sie schelmisch in der Sendung.

Die Beste ihres Fachs

Teil des Teams um Åke Senning, das die erste Herztransplantation der Schweiz durchführte. Der aufsehener‑ regende Eingriff glückte, doch der Patient verstarb einige Monate nach dem Eingriff, weil sein Körper das transplantierte Herz abstiess. Trotz dem wurde damit die Grundlage für die späteren erfolgreichen Herztrans plantationsprogramme am USZ in den 80er Jahren gelegt. Diese wurden möglich dank der Entwicklung des Medikaments Cyclosporin, das die Ab‑ stossung des transplantierten Organs durch den Körper besser unterdrückt.

Schon mit 16 Jahren wusste die 1923 geborene Ruth Gattiker, dass sie gerne studieren und einen Beruf haben möchte. «Heira‑ ten und Kinder haben? Das kam für mich überhaupt nicht infrage», er zählte die 93 Jährige im Jahr 2016 –vor Lebensenergie sprühend – in der Sendung «Aeschbacher» am Schweizer Fernsehen. Die Karriere gelang ihr erst über Umwege dank viel Mut und viel Biss. Ihr Vater war alles andere als begeistert von ihren Absichten und wollte, dass sie Sekretärin wird und eine Familie gründet.

Eine Frau? Das geht nicht!

In der Berufswelt wusste sich Ruth Gattiker in einem von Männern domi

In den 1950er Jahren wurde die Anäs thesie zu einem eigenständigen Fach. Die Disziplin entwickelte sich dyna misch. Man begann, die Patienten zu intubieren und künstlich zu beat‑ men. 1963 verbrachte Ruth Gattiker ein Jahr an der Mayo Klinik in den USA. Anschliessend unternahm sie eine dreimonatige Tour und be‑ suchte in Amerika diverse Herzklini ken. Ihre Habilitation «Anästhesie in der Herzchirurgie» wurde 1971 zu einem Standardwerk im deutsch‑ sprachigen Raum. 1976 wurde sie zur Titularprofessorin ernannt. Ihr För derer Åke Senning bezeichnete sie als «die Weltbeste ihres Fachs».

Aufsehenerregender Eingriff

70 Stunden Wochen waren für Ruth Gattiker normal. Wenn Patientinnen oder Patienten in einem kritischen Zustand waren, schlief sie auf einem Klappbett im Spital. 1969 war sie ein

Aktiv bis ins hohe Alter Nach ihrer Pensionierung blieb Ruth Gattiker aktiv. Sie unternahm jeden Tag ein bis zweistündige Spaziergänge und hielt sich mit Pilates fit. An der Universität Zürich studierte sie Musik wissenschaften und belegte an der Volkshochschule Kurse in Altgrie chisch. Ihrer Lebensgefährtin, der Chirurgin Marie Lüscher, blieb sie 36 Jahre verbunden. Ruth Gattiker starb 2021 nach einem kurzen Spital‑ aufenthalt. Heute ist ein Preis nach ihr benannt, der Frauen in der akade mischen Medizin würdigt: der «Stern Gattiker Preis» der Schweizerischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften.

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Ruth Gattiker im Operationssaal des Kantonsspitals Zürich in den 1960er-Jahren. Denise Schmid: Ruth Gattiker. Pionierin der Herzanästhesie. Verlag Hier und Jetzt, Baden 2016.

Das medizinische Bilderrätsel

Zwei Begriffe haben sich hier versteckt. Finden Sie sie?

bezeichnet man zu langsame, zu schnelle oder unregelmässige Herzschläge.

Als Herzrhythmusstörung oder Arrhythmie

Herzrhythmusstörung

spricht man, wenn die Blutdruckwerte bei 140/90 mmHg oder darüber liegen.

Von Bluthochdruck oder Hypertonie

Bluthochdruck

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Das Magazin richtet sich an Mitarbeitende sowie Besucherinnen und Besucher des USZ.

Herausgeberin

Universitätsspital Zürich, Unternehmenskommunikation

Redaktionsleitung

Barbara Beccaro, Katrin Hürlimann

Redaktion USZ

Manuela Britschgi, Marcel Gutbrod, Claudio Jörg, Cindy Mäder, Martina Pletscher, Carlotta Superti-Furga, Moritz Suter

Externe Autoren

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Layout Partner & Partner

Druck

Staffel Medien AG

Korrektorat

Susanne Brülhart

Bilder

Adobe Stock, Christoph Stulz, Getty Images, iStock, Milan Schijatschky, Nicolas Zonvi, Noun Project, Saskia Venema, Tobias Willa, Universitätsspital Zürich, Yasemin Ünsal, zVg

Auflage

12’500 Exemplare

Erscheinungsweise

Dreimal jährlich: März/Juli/November

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Andreas Güntner entwickelt am USZ Atemluftsensoren als neue Diagnosemethode

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Sandra Braun stiess nach ihrem Studium in Molekularer und Technischer Medizin im März 2021 zum Team der Kardiotechniker:innen in der Herzchirurgie. In ihrer aktuellen Funktion als klinische Perfusionistin arbeitet sie seit ein paar Monaten. Während der Operationen bedient sie die Herz-Lungen-Maschine und überwacht somit die vitalen Funktionen des Patienten. Dass sie am Morgen jeweils nicht weiss, was in den folgenden Stunden passieren wird, beschreibt sie als die grösste, aber auch als die spannendste Herausforderung ihres Alltags. Von einer geplanten Operation oder einem akuten Notfall bis hin zu Einsätzen mit der REGA oder mit Schutz&Rettung Zürich – die Aufgaben in der Kardiotechnik sind äusserst vielfältig. Durch ihre Tätigkeit ergeben sich für Sandra Braun viele Schnittstellen im ganzen Spital. Im Operationssaal zum Beispiel arbeitet sie mit Herzchirurgie, OP-Pflege, Anästhesie und weiteren relevanten Berufsgruppen zusammen. Bei spezielleren Eingriffen sind auch Thorax- und Gefässchirurgie involviert, Intensivmedizin und Kardiologie gehören ebenfalls zu ihren Einsatzgebieten. Dass Kardiotechnik eher dem Klischee eines «Männerberufs» entspricht, ist für sie nicht relevant. Sie ist von ihrem Beruf begeistert und motiviert, den Patientinnen und Patienten immer die bestmögliche Versorgung zu bieten.

20

Patient:innen mit Kunstherz

sind im Durchschnitt am USZ in Betreuung.

120

ECMO-Patient:innen werden am USZ pro Jahr behandelt.

Mitglieder

zählt das Team der Kardiotechnik in der Herzchirurgie.

ZUR PERSON
Sandra Braun, Kardiotechnikerin
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