4 minute read

Das Herz benötigt speziellen Schutz

Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind weltweit die häufigste Todesursache. Die Risiken für kardiologische Erkrankungen, insbesondere für Herzinfarkt und Herzinsuffizienz, steigen mit zunehmendem Alter. Massnahmen zur Prävention und rechtzeitige Behandlung könnten Herz und Gefässe länger gesund erhalten.

Anspannen – entspannen, anspannen – entspannen. Das gesunde Herz eines Erwachsenen vollführt die «Übung» rund 70 Mal pro Minute. Jeder Pumpstoss des Herzmuskels drückt das Blut über die Hauptschlagader in den Körper, sodass jede Stelle mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt wird. 100’000 Schläge macht das Herz an einem Tag, 36 Millionen in einem Jahr, mehr als 3 Milliarden im Laufe eines Lebens. «Eng mit dem Gehirn und anderen Organen vernetzt, ist unser Herz weit mehr als ein hocheffizienter Motor», sagt Frank Ruschitzka. Der Kardiologe leitet das USZ-Herzzentrum mit seinem breiten Angebot zur Diagnostik und Therapie von Herz- und Kreislauferkrankungen. Schäden an Herz und Gefässen sind die häufigste Ursache für Todesfälle weltweit. In der Schweiz sterben daran jährlich 20’000 Menschen. «HerzKreislauf-Erkrankungen machen ein Drittel der landesweiten Todesfälle aus», sagt Frank Ruschitzka. Ein Grossteil davon liesse sich mit rechtzeitiger Prävention verhindern.

Das eigene Risiko kennen

Das Risiko einer Erkrankung korreliert mit hohem Blutdruck und einem zu hohen Cholesterinspiegel und steigt ab einem Lebensalter von etwa 50 Jahren menten sowie einer Lebensstilveränderung, die für weniger Stress und mehr Bewegung sorgt, gut behandeln. Einer der wichtigsten vermeidbaren Faktoren ist das Rauchen. Wer sein individuelles Risiko kennt, kann dazu beitragen, dass Herz und Gefässe bis ins hohe Alter gesund bleiben. Für den Kardiologen Frank Ruschitzka ist das eine Selbstverständlichkeit: «Jeder erwachsene Mensch sollte sein Herz selbst in die Hand nehmen und aktiv vorsorgen.» Die Zeit spielt eine wichtige Rolle beim komplexen Krankheitsgeschehen, bei dem sich verschiedene Faktoren gegenseitig beeinflussen und verstärken. stark an, bei Frauen stärker als bei Männern (siehe Box). Auch eine Diabeteserkrankung und eine erbliche Veranlagung erhöhen das Risiko. Blutdruck und Blutfette, auch eine Diabeteserkrankung lassen sich mit Medika-

Anpumpen gegen hohen Blutdruck Ein gesundes Herz hat kein Problem, wenn es gelegentlich schneller schlagen und den Blutdruck erhöhen muss, weil die Muskeln beim Sport mehr Sauerstoff benötigen oder sich die Gefässe bei Stress verengen. Puls und Blutdruck beruhigen sich in den Ruhephasen wieder. Muss das Herz dage - gen 100’000 Mal am Tag gegen einen hohen Blutdruck anpumpen, um das Blut auch in die kleinsten Zellen des Körpers zu pressen, kann das Organ mit der Zeit Schaden nehmen. Der Herzmuskel kann sich verdicken und vergrössern, die Herzkammern können sich verformen, die Klappen undicht werden. «Das Herz wird regelrecht umgebaut», sagt Felix Tanner, stellvertretender Direktor der Klinik für Kardiologie.

Mit der Spiroergometrie kann die Herz-KreislaufLeistungsfähigkeit untersucht werden.

Herzinfarkt durch verengte Gefässe Hinzu kommt, dass Gefässe im Laufe des Lebens «verkalken» und dadurch weniger elastisch werden. Denn mit den Jahren lagern sich in den Gefässwän den sogenannte Plaques von Choleste rin ab. Der Arteriosklerose genannte Prozess verengt die Gefässe, die sich ir gendwann komplett verschliessen können. Die Plaques begünstigen zudem Entzündungsprozesse, wodurch sich gefährliche Blutgerinnsel bilden und die Gefässe vollständig verstopfen können. Ist das bei den Herzkranz‑

Bis zum Alter von etwa 50 Jahren liegt der Blutdruck von Frauen häufig unter dem von Männern. Nach der Menopause steigt der Anteil der Frauen mit Bluthochdruck deutlich an – damit wächst auch das Risiko für eine Herz- und Gefässerkrankung. Grund dafür ist, dass der weibliche Körper immer weniger vom Sexualhormon Östrogen produziert, das sowohl die Gefässe schützt als auch den Blutdruck senkt. Ein zu hoher Blutdruck kann nicht nur Herz und Gehirn schädigen, sondern auch andere Organe wie Augen und Nieren.

SPEZIALISIERTE INTERDISZIPLINÄRE HERZ-TEAMS

Je komplexer und schwerer eine Herzerkrankung ist, umso mehr Expertenwissen ist gefordert – das gilt bereits für die Diagnose, die teilweise spezielle bildgebende Verfahren erfordert. Am USZ sind dafür, wie auch für die jeweilige Therapie, subspezialisierte Teams aus den Bereichen Kardiologie und Herzchirurgie zuständig. Es gibt Herz-Teams für koronare Herzkrankheiten, Herzklappenerkrankungen, Herzrhythmusstörungen, Herzinsuffizienz/Herztransplantation oder Erkrankungen der Hauptschlagader. Ziel der engen interdisziplinären Zusammenarbeit ist es, den Betroffenen die bestmögliche Behandlung anzubieten.

gefässen der Fall, kann es schlagartig zum Herzinfarkt kommen. Teile des Herzmuskels erhalten dann kein sauerstoffreiches Blut mehr und sterben nach kurzer Zeit ab. Lebensgefährliche Herzrhythmusstörungen mit Herzkreislaufstillstand können die Folge sein. Beim Herzinfarkt muss die Diagnose besonders schnell gehen, es zählt jede Minute. «Falls möglich, fragen wir den Patienten oder die Patientin nach den Symptomen», sagt Kardiologin Barbara Stähli. Während Männer meist über stechende und häufig ausstrahlende Schmerzen in der Brust klagen, tritt gerade bei Frauen und älteren Patienten häufig eine unspezifische Übelkeit mit Erbrechen oder eine generelle Müdigkeit auf.

Schnellstmögliche Diagnose und Behandlung

Die Diagnose des Herzinfarkts erfolgt über einen Bluttest, bei dem erhöhte Werte des Herzmuskel-Eiweisses Troponin festgestellt werden. Auch das Elektrokardiogramm (EKG) ist oft typisch verändert. «Um eine gezielte Behandlung einleiten zu können, ist eine sorgfältige Abklärung der Ursachen notwendig», sagt Barbara Stähli. Besteht der Verdacht auf einen Herzinfarkt, findet notfallmässig eine Herzkatheteruntersuchung statt. Hierbei wird über ein Arm- oder Leistengefäss ein Katheter bis zum Herzen vorgeschoben, und die Gefässe, die das Herz mit Blut versorgen, werden auf Engstellen untersucht. Ist ein Herzkranzgefäss verschlossen, muss es denster Herzerkrankungen und ist eine der häufigsten Todesursachen. Rund 210’000 Menschen in der Schweiz sind betroffen, besonders häufig ältere Menschen. Ausgelöst wird die Herzinsuffizienz meist durch eine langjährige Belastung des Herzens, beispielsweise durch erhöhten Blutdruck oder Verengung der Herzkranzgefässe. Der dadurch verursachte Umbauprozess des Herzens bleibt oft über Jahre oder Jahrzehnte unbemerkt, weil das Herz versucht, Schäden zu kompensieren, indem es sich anpasst. Ein Teufelskreis. Das Herz verformt sich immer stärker, und der Herzrhythmus verändert sich. Irgendwann summieren sich die Probleme, und das Herz wird schwach, «insuffizient». Es ist dann nicht mehr in der Lage, den Körper ausreichend mit sauerstoffreichem Blut zu versorgen. schnellstmöglich wieder eröffnet werden. Sind mehrere Gefässe betroffen, kann es notwendig sein, dass Herzchirurgen eine Bypassoperation vornehmen. Insbesondere bei Frauen gibt es jedoch auch Formen des Herzinfarkts, bei denen die Herzkranzgefässe nicht verschlossen sind.

Herzinsuffizienz als Endstadium

Acht von im Schnitt täglich zehn kardiologischen Notfällen am USZ werden als Herzinfarkt oder als Herzinsuffizienz diagnostiziert. Die auch Herzschwäche genannte Erkrankung gilt als Endstadium verschie-

«Die Betroffenen klagen typischerweise über Atemnot, Erschöpfung, geschwollene Beine und Gewichtszunahme», sagt Herzinsuffizienz-Spezialist Andreas Flammer. Solche Symptome müssten ähnlich wie ein Herzinfarkt schnell behandelt werden. Dafür stehen verschiedenste Medikamente sowie Schrittmacher oder implantierbare Defibrillatoren zur Verfügung. Häufig führt die Herzschwäche zu einer Klappenerkrankung, etwa einer Mitralklappeninsuffizienz. Die Mitralklappe regelt den Blutfluss zwischen linkem Vorhof und linker Herzkammer. Wird das Ventil undicht, fliesst das Blut in den Vorhof und die Lungen zurück, statt in den Körper gepumpt zu werden. Der Herzmuskel muss dann noch mehr Pumpkraft aufwenden. Behandelt werden Herzklappenerkrankungen mit einem katheterbasierten Eingriff oder chirurgisch.

Doch trotz der vielfältigen Behandlungsformen bleibt die Herzinsuffizienz eine chronische Erkrankung. Ist sie fortgeschritten, bleibt als letzte Option eine Herztransplantation oder die Einlage eines Kunstherzens. In ausgewählten Fällen eröffneten diese Therapien die Chance für ein Leben mit guter Qualität, sagt Andreas Flammer. «Zum Glück haben wir diese Möglichkeit.»

This article is from: