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Herzenssachen

Das Herz ist nicht nur unser Lebensmotor. Es ist auch Resonanzraum unserer Gefühle, Sitz des Guten und des Bösen, Symbol der Liebe. Warum eigentlich?

Die meisten unserer Organe arbeiten im Stillen. Leber, Nieren, Milz, Bauchspeicheldrüse und auch das Gehirn funktionieren, ohne dass wir dies gross bemerken – es sei denn, es liegt eine Störung vor. Ganz anders das Herz. Es ist das einzige Organ, das – wie ein Medizinhistoriker schreibt – «aus dem Schweigen des Körpers» heraustritt. Das Herz kann gehört und getastet werden. Rund um die Uhr. Frühmorgens beim Erwachen ist der Herzschlag meist ein sanftes Ticken, 40 bis 60 Mal in der Minute. Wenn wir nach einem intensiven Spurt gerade noch das Tram erwischen, pocht es hingegen rasend schnell, sodass wir es bis zum Hals spüren. In der Sitzung nach dem Mittagessen schlägt es mal gemächlich, mal schnell – je nach Diskussionsverlauf. Und am Abend hüpft das Herz vor Freude, wenn wir die Liebste oder den Liebsten in die Arme schliessen.

Anatomisch gesehen ist das Herz ein faustgrosser Hohlmuskel. Eine Pumpe, die dafür sorgt, dass das

Blut im Körper zirkuliert. Etwa drei Milliarden Mal hat das Herz bei einem 80-Jährigen geschlagen und dabei rund 185 Millionen Liter Blut durch die Adern befördert. Niemals durfte es in dieser Zeit ruhen, auch nur das kurzzeitige Aussetzen seines Schlags hätte den Körper unmittelbar in Lebensgefahr gebracht. Stillstand hiesse Tod.

Über die rein körperlich-anatomische Bedeutung hinaus ist das Herz ein Resonanzraum unserer Gefühle. Hier spüren wir Angst, Trauer, Zorn oder Hass. Bei anhaltender Trauer oder Depression schliessen sich Panzerplatten über der Brust – bereits der eiserne Heinrich im Märchen vom Froschkönig spricht davon. Auf der anderen Seite empfinden wir im Brustraum auch Freude, Wärme und Liebe.

Es sind diese körperlich-seelischen Erfahrungen, die dem Herzen schon vor Jahrtausenden eine Sonderstellung verliehen haben. Im Alten Ägypten war das Herz das zentrale Organ schlechthin. Hier wohnten nicht nur Gefühle, sondern auch die Vernunft und der Wille. Im Christentum gilt das Herz als Sitz des Guten und des Bösen, gleichzeitig findet dort nach christlichem Verständnis die Kommunikation zwischen Jesus und Mensch statt. Schon früh kam auch dem Herz Jesu eine besondere Bedeutung zu. Das durchbohrte Herz des Heilands wurde im Mittelalter zum Sinnbild der göttlichen Liebe zu den Menschen. Im 17. Jahrhundert wurde die HerzJesu-Verehrung zum Massenkult.

Heute hat das Herzsymbol seinen religiös-mystischen Sinn weitgehend verloren. Das Herz ist primär ein Symbol für Gefühle, Verliebtheit und Liebe. Es werden Herzen gemalt, geschnitzt und modelliert, um romantische Gefühle zu bezeugen. Liebeslieder berichten von brennenden, hungrigen, gebrochenen Herzen. Und auch die Alltagssprache ist durchsetzt von Redensarten, die auf das Herz Bezug nehmen. Es gilt als Ideal, «seinem Herzen zu folgen» und wir sollten unser «Herz auf dem rechten Fleck» haben. Das Herz kann uns «in die Hose rutschen», wir können es «auf der Zunge tragen» und wir sollten aus unserem Herz «keine Mördergrube» machen. Wir grüssen «herzlich», sind «herzlos» oder haben «ein weiches Herz». Und jeder und jede versteht, was wir meinen, wenn wir sagen, wir hätten unser Herz verloren.

Im digitalen Zeitalter ist die Beliebtheit des Herzsymbols ungebrochen. Milliardenfach werden Emojis mit Herzchen verschickt –und kein einziges mit einer Leber, einer Niere, einer Milz oder einer Bauchspeicheldrüse. Denn ihre Symbolkraft ist nahe null.

Das Herz hingegen scheint als Symbol der Verliebtheit beliebter denn je. Gewiss: Nicht alle Herzen, die verschickt werden, werden zwingend auch verschenkt. Doch wenn die Botschaft von Herzen kommt, so sorgt dies in jedem Fall für gute Gefühle. Da wird uns ganz warm ums Herz.

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