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Ein tiefer Blick ins Herz
Bei rund 3’000 Patientinnen und Patienten pro Jahr werden in den Herzkatheterlaboren am USZ Herzerkrankungen diagnostiziert und behandelt. Ein Blick über die Schulter der Kardiologin Barbara Stähli ins Herz ihrer Patientin.
Text: Martina Pletscher Bild: Christoph Stulz soll die Ursache ihrer Beschwerden im Herzkatheterlabor des USZ abgeklärt werden. «Wir untersuchen Frau Furrers Herzkranzgefässe», erläutert Barbara Stähli. «Wir unterscheiden grosse und kleine Herzkranzgefässe. Beide versorgen das Herz mit Sauerstoff. Sind die kleinsten Herzkranzgefässe verengt oder verkrampft, sprechen wir von einer mikrovaskulären Dysfunktion. Frau Furrers Beschwerden sind zwar typisch dafür, wir klären deren Ursache aber nun genau ab, um sie gezielt behandeln zu können.»
Minimalinvasive Untersuchung
«Guten Morgen Frau Furrer», begrüsst Barbara Stähli ihre Patientin. Zu den Spezialgebieten der Kardiologin und stellvertretenden Leiterin der Herzkatheterlabore am USZ gehören komplexe Koronarinterventionen, die funktionelle Koronardiagnostik, also die Untersuchung der Funktion der kleinen und grossen Herzkranzgefässe, sowie der Ersatz von Herzklappen mittels Kathetereingriffen. Bei Daniela Furrer*, ihrer ersten Patientin an diesem Morgen, steht eine solche Funktionsdiagnostik an. Frau Furrer leidet seit längerer Zeit an Herzbeschwerden; ein ständiges Druckgefühl belastet sie, und sie hat Mühe beim Atmen, sporadisch tritt ein stechender Schmerz auf. Erste Abklärungen bei ihrem Arzt hatten keine Auffälligkeiten gezeigt, nun
Der Eingriff bei Frau Furrer erfolgt im Herzkatheterlabor, in dem es ähnlich wie in einem Operationssaal aussieht. Herzkatheteruntersuchungen und eingriffe sind risikoarm. Mehr als 3’000 Patientinnen und Patienten pro Jahr werden in den Herzkatheterlaboren des USZ von spezialisierten Kardiologinnen und Kardiologen untersucht und behandelt. Die Herzkatheteruntersuchung ist eine minimalinvasive Untersuchung des Herzens, mit der eine Vielzahl von Erkrankungen diagnostiziert und in bestimmten Fällen in der gleichen Sitzung behandelt werden können. Dafür wird ein dünner, biegsamer Kunststoffschlauch (der Herzkatheter) über ein Blutgefäss bis zum Herzen vorgeschoben. Eingeführt wird der Ka theter meist über ein Gefäss in der Leiste oder am Handgelenk. Über den Katheter kann Kontrastmittel in die Herzkranzgefässe, die das Herz mit Blut versorgen, gespritzt werden, um die Gefässe sichtbar zu machen und auf Engstellen zu untersuchen. Die Röntgenbilder werden über ein Röntgengerät direkt beurteilt und so die Lage des Katheters permanent kontrolliert. Eine Herzkatheteruntersuchung ist hochspezialisierte Teamarbeit. Weitere Fachpersonen reichen während der Untersuchung die benötigten Materialien steril zu, verabreichen Medikamente, überwachen Blutdruck und Herzfrequenz oder protokollieren den gesamten Eingriff.
Das Team ist rund um die Uhr bereit Der häufigste Grund für eine Herzkatheteruntersuchung sind Beschwerden oder der Nachweis einer Durchblutungsstörung des Herzmuskels in einem spezifischen, nichtinvasiven Test. Ist eines oder sind mehrere Gefässe verengt, können sie mithilfe eines über den Katheter eingeführten Ballons aufgedehnt und mit einer Gefässstütze, einem Stent, offen gehalten werden. Bei einem akuten Gefässverschluss liegt ein lebensbedrohlicher Herzinfarkt vor. Um Patientinnen und Patienten mit Herzinfarkt zu versorgen, ist das Herzkatheterlabor am USZ rund um die Uhr einsatzbereit. Dies ermöglicht es, ein verschlossenes Herzkranzgefäss so schnell wie möglich wieder zu eröffnen. Weitere spezifische Katheter werden eingesetzt, um einen Druckabfall über einer Engstelle in einem Herzkranzgefäss zu messen oder hochauflösende Querschnittsbilder der Herzkranzgefässe zu erzeugen, die eine präzise Planung und Durchführung der Eingriffe ermöglichen.
Frau Furrer ist etwas nervös Im Vorraum wurde Daniela Furrer schon für die Untersuchung vorbereitet. Sie ist doch etwas nervös von der Vorstellung, dass gleich ein kleiner Schlauch in ihr Herz geschoben wird, und hat deshalb ein leichtes Beruhigungsmittel erhalten. Der Eingriff selbst ist schmerzlos, sie wird kaum etwas davon spüren, und lediglich der Eintrittsort für den Katheter wird lokal betäubt. Wie allen Patienten wurde ihr ein Venenzugang gelegt, damit ihr bei Bedarf schnell Medikamente verabreicht werden können. Frau Furrer wird ins Herzkatheterlabor gebracht; dort werden Blutdruck und Puls kontinuierlich überwacht, und über einen Finger Clip wird der Sauerstoffgehalt in ihrem Blut kontrolliert. Dann geht es los.
Die Funktionsdiagnostik bringt Klarheit
Die grossen Herzkranzgefässe sind unauffällig. Barbara Stähli untersucht daher bei Frau Furrer die Funktion der kleinen Herzkranzgefässe. Bei Daniela Furrer zeigt sich bei diesen eine Verkrampfungsneigung. Sie leidet an einer sogenannten koronaren mikrovaskulären Dysfunktion, die Ursache ihrer Beschwerden ist damit klar. «Diese spezielle Untersuchung der kleinsten Gefässe führen wir am USZ dann durch, wenn der klinische Verdacht einer Funktionsstörung der Herzkranzgefässe besteht», erläutert Barbara Stähli. «Es ist wichtig, eine Störung der Funktion der Herzkranzgefässe zu erkennen, um unnötige weitere Abklärungen vermeiden und die richtige Behandlung einleiten zu können. Die Patientinnen – etwa 60 bis 70 Prozent der Betroffenen sind Frauen – haben oft einen langen Leidensweg hinter sich, bis die Erkrankung erkannt wird.»
Frau Furrer ist froh, die Untersuchung gemacht zu haben, die etwa eine Viertelstunde gedauert hat –und tatsächlich völlig schmerzlos war. Sie kann noch gleichentags nach Hause. Ihre mikrovaskuläre Dysfunktion ist mit Medikamenten gut behandelbar. Voraussichtlich schon in kurzer Zeit werden ihre Beschwerden nachlassen oder verschwunden sein.
* fiktiver Name
KARDIOLOGIE
Die Kardiologie ist ein Teilgebiet der Inneren Medizin. Sie befasst sich mit der Diagnose und Behandlung von angeborenen und erworbenen Erkrankungen des Herzens. Häufige Krankheitsbilder in der Kardiologie sind Herzinsuffizienz, Herzrhythmusstörungen, Herzinfarkt sowie angeborene Herzfehler. Zur Behandlung setzen Kardiologinnen und Kardiologen Medikamente oder kathetergestützte minimalinvasive Therapien ein.
Kardiologie am USZ
Über 100 Kardiologinnen und Kardiologen stellen am USZ rund um die Uhr die ambulante und stationäre Versorgung von Patientinnen und Patienten mit Herzerkrankungen sicher. Für die Diagnostik und die Therapie steht ihnen dafür eine hochmoderne Infrastruktur zur Verfügung. Die hohe Spezialisierung und die enge Zusammenarbeit mit anderen Fachbereichen am USZ sorgen für die individuell beste Behandlung jedes Patienten. In einer aktuellen Umfrage der «Handelszeitung» wurde die Kardiologie des USZ von Fachpersonen sowie von Patientinnen und Patienten zur besten Kardiologie der Schweiz gewählt.