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Herzens‑ angelegenheit

In der modernen Herzchirurgie wird immer mehr minimalinvasiv operiert. Was die Vorteile sind und weshalb es trotzdem immer offene Herzoperationen geben wird.

Text: Katrin Hürlimann

Bilder: Christoph Stulz, USZ ln der modernen Herzchirurgie wird vermehrt minimalinvasiv operiert –zum Vorteil der Patientinnen und Patienten.

«Wir gehen mit unseren Patienten eine Freundschaft auf Zeit ein», sagt Omer Dzemali, der die Klinik für Herzchirurgie am USZ seit Dezember 2022 leitet. Er bringt damit zum Ausdruck, wo der Fokus der modernen Herzchirurgie liegt: Die Patientinnen sollen hochqualitativ und schnell behandelt werden und in einer angemessenen Zeit genesen können. Das funktioniert nur, wenn verschiedene Disziplinen und Berufsgruppen, die sich mit kardiovaskulären Krankheiten beschäftigen, zusammenspannen. In erster Linie sind das die Herzchirurgie und die Kardiologie, fast immer involviert sind auch Anästhesie, Radiologie, Infektiologie, Gefäss­, Thoraxund Viszeralchirurgie. Für eine erfolgreiche Herzoperation braucht es ein perfektes Zusammenspiel von Chirurginnen, Pflegenden der Normalbettenstation und der Intensivstation, spezifisch ausgebildeten Kardioanästhesistinnen und Physiotherapeuten. «Unser Ziel ist es, Traumata zu reduzieren und die Operation und ihre Folgen für die betroffene Person so angenehm wie möglich zu gestalten», sagt Omer Dzemali, «wir operieren immer häufiger auch minimalinvasiv.»

Reine Übungssache

Minimalinvasive Eingriffe haben viele Vorteile für die Patientinnen und Patienten: Sie dauern weniger lang, nach dem Eingriff benötigen die Betroffenen rascher keine Beatmung mehr, wodurch sie weniger lang auf der Intensivstation bleiben müssen. Zurück bleibt eine viel kleinere Narbe als bei der offenen Herzchirurgie. Für die Operateure bedeuten minimalinvasive Eingriffe ein Umdenken. «Für uns Chirurgen ist es auf den ersten Blick kein Vorteil, minimalinvasiv zu operieren. Bei der offenen Herzoperation fühlt man sich sehr sicher, weil alles offen vor einem liegt und man den Überblick hat. Und vor allem, weil wir es gewohnt sind, so zu operieren», erklärt Omer Dzemali. Dass das auch bei den minimalinvasiven Operationen der Fall ist, lerne man mit der Erfahrung, sagt der Klinikdirektor. Mit der Kamera, die bei minimalinvasiven Eingriffen zum Einsatz kommt, sieht man sogar alles viel detaillierter als von Auge. «Eine Herzklappe, die normalerweise einen Durchmesser von drei bis vier Zentimetern hat, wird auf dem Bildschirm zehnfach vergrössert dargestellt, also mit einem Durchmesser von 30 bis 40 Zentimetern.» Bezüglich Sicherheit der Operationen gibt es

Dazu gehört auch, dass der jeweilige Operateur den Patienten mindestens zwei Wochen vor der Operation kennenlernt. «Betroffene sollen zudem möglichst in Anwesenheit von Angehörigen aufgeklärt werden», findet der Klinikdirektor. «Das hilft uns und den Patienten.» Vor der Operation lernen die Patient:innen auch die Narkoseärzte kennen. Omer Dzemali ist ein Befürworter von standardisierten Prozessen. «Ein klar definierter Patientenpfad entlastet alle – unsere Teams und vor allem die Patienten, weil sie zu jedem Zeitpunkt wissen, was als Nächstes geschieht.»

Immer mehr operierbar

Omer Dzemali, Direktor der Klinik für Herzchirurgie und Leiter Universitäre Herzchirurgie Zürich keinen Unterschied zwischen minimalinvasiver und offener Operation: Eine Herzoperation ist immer ein massiver Eingriff. Am USZ werden bereits drei Assistenzärzte darin ausgebildet, minimalinvasiv zu operieren. «Für die neue Generation von Herzchirurgen werden minimalinvasive Eingriffe Standard sein», ist Omer Dzemali überzeugt. Er motiviert sein Team, neue Methoden und modernste Techniken anzuwenden und so den Herzpatientinnen und ­patienten die bestmögliche Behandlung anzubieten.

Wenn immer möglich operieren die Herzchirurginnen und ­ chirurgen am USZ also minimalinvasiv. Wo vor drei bis vier Jahren noch der ganze Brustkasten geöffnet werden musste –eine sogenannte Sternotomie durchgeführt wurde –, reicht heute oft ein vier Zentimeter langer Schnitt. Je nach Erkrankung und Operation wird der Schnitt vorn oder an der Seite des Brustkastens gesetzt. «Wir können heute angeborene Herzfehler minimalinvasiv operieren», erklärt Omer Dzemali. Auch Bypass­ Operationen oder Operationen an den Herzklappen sind so möglich. Natürlich gibt es nach wie vor Fälle, bei denen man offen operiert. «Wir werden von der offenen Herzchirurgie nicht wegkommen, und das ist auch gut so», findet der Klinikdirektor. Es gebe Eingriffe, die man konventionell operieren müsse.

Die Klinik für Herzchirurgie pflegt eine enge Zusammenarbeit mit der Abteilung «Soft Robotics» der ETH Zürich. Dort entwickeln die Forschenden derzeit eine Roboterhand, die die Bewegungen der Chirurg:innen live nachahmt, inklusive Intensität des Drucks. Die Weiterentwicklung der technischen Geräte wird das Spektrum möglicher Eingriffe deutlich erweitern, ist Omer Dzemali überzeugt.

Alle ziehen am selben Strick Der Fokus in der Herzchirurgie am USZ liege darin, die beste Therapie für den Patienten durchzuführen, so Omer

Dzemali. Der Entscheid, ob und, wenn ja, welche Operation es braucht, sei enorm wichtig. «Mit den Ressour‑ cen am USZ, also der Zusammenarbeit mit vielen verschiedenen Disziplinen und Berufsgruppen, können wir diese

Entscheidungen treffen», führt der Klinikdirektor aus. Von der Bildgebung vor der Operation, hin zu den Chirur ginnen während der Operation bis zur nachbetreuenden Reha durch die Physiotherapeutinnen oder Nachbe treuung durch die Psychokardiologen: Herzpatientinnen und patienten am USZ können sich auf äusserst moti vierte Teams verlassen, die hochquali tativ arbeiten und denen die Gesund heit der Patienten am Herzen liegt.

Omer Dzemali

Omer Dzemali ist deutscher Staatsbürger. Er wurde in Tetovo in Nordmazedonien geboren. Der heute 52-Jährige hat an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz Medizin studiert. Er lebt mit seiner Frau und zwei Kindern im Kanton Aargau. Seit Dezember 2022 leitet er die Klinik für Herzchirurgie am USZ.

Omer Dzemali, weshalb sind Sie Herzchirurg geworden?

Schon als Kind bin ich mit dem Thema Herzkrankheiten in Berüh rung gekommen. Meine Gross mutter, die mich grossgezogen hat, war herzkrank und ist, als ich neun Jahre war, daran gestorben. Da habe ich mir geschworen, dass ich später etwas mit Medizin und dem Herzen machen will. Man darf als Kind Träume haben, vielleicht werden sie eines Tages wahr. Im Studium habe ich lange als Tutor in der Anatomie gearbeitet und dabei meine manuellen Fähigkeiten weiterentwickelt, das hat mir grossen Spass gemacht.

Wie geben Sie Ihre Begeisterung für das Fach weiter?

An erster Stelle steht für mich die Motivation, mit gutem Beispiel vor anzugehen. Guten Nachwuchs zu finden, ist nicht einfach, weil es ein sehr zeitintensiver Job ist. Deshalb habe ich ein Programm ins Leben gerufen, bei dem Medizinstudentin nen und studenten im fünften und sechsten Studienjahr bei uns im Team assistieren können. So erhalten sie schon früh Einblick in den Alltag und sind motiviert, Neues zu lernen. Ich bin ein Befürworter der standardisierten Ausbildung. Ich möchte, dass die Assistenzärztin nen und ärzte wissen, wann sie sich wie und wo weiterbilden sollen. Und ich spreche früh mit ihnen dar über, welches Feld der Herzchi‑ rurgie sie besonders interessiert.

Was macht einen guten Herzchirurgen aus?

Den Patienten ernst nehmen, ihm zuhören, Vertrauen schenken und Vertrauen wecken. Überzeu gungsarbeit leisten, wenn Patienten Hemmungen oder Angst haben.

Wer patientenorientiert arbeitet, wird erfolgreich sein. Dafür muss man sich Zeit nehmen, denn neben den zum Teil langen Operationen stehen auch Gespräche mit Patienten und Angehörigen und auch admi nistrative Arbeiten an. Extrem wich tig sind auch die manuellen Fähig keiten. Da kommt es vor allem auf die Übung an, wie beim Geigenspiel. Und je öfter man operiert, umso besser macht man es.

Was ist die grösste Herausforderung an Ihrem Beruf?

Ich muss viele Aufgaben gleich‑ zeitig meistern können: An erster Stelle steht, mich um die Patienten zu kümmern – immer im interdis‑ ziplinären Team. In meiner Position kommen Führungsaufga ben hinzu. Und ich muss fähig und bereit sein, Entscheidungen zu treffen. Konkret heisst das, dass ich zum Beispiel bereit sein muss, eine Wanderung abzubre chen, um zurück im Spital Leben zu retten. Die Genugtuung danach ist grösser als bei jeder Besteigung eines Berggipfels.

Die koronare Herzkrankheit (KHK) ist eine häufige Erkrankung des Herzens. Die Blutgefässe, die den Herzmuskel versorgen sollen, sind verengt durch Ablagerung von Kalk oder Fett. Der Herzmuskel wird dadurch nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff versorgt, ein Totalverschluss führt zum Herzinfarkt. Bei Verdacht auf eine KHK ist daher eine sorgfältige Diagnostik entscheidend.

CT innert eines Herzschlags

Als Erstes erfolgt bei vielen Patientinnen und Patienten die Untersuchung mittels Computertomographie (CT). Diese dauert heute – von der Vorbereitung abgesehen – weniger als eine Sekunde: Je nach Gerät werden zeitgleich mehrere Hundert Bilder aufgenommen und anschliessend zu einem dreidimensionalen Bild zusammengefügt. In der Diagnostik ersetzt das CT heute zumeist die invasivere Angiographie.

Den Stoffwechsel sichtbar machen

Das CT und das ebenfalls oft zur Anwendung kommende MRI stellen die anatomischen Strukturen dar, seien dies Knochen oder Weichteile. Mit den diagnostischen Verfahren der Nuklearmedizin ist es dagegen möglich, den Stoffwechsel sichtbar zu machen. Hierfür werden der Patientin sogenannte

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