Paracontact 4 2020_d

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LEBENSBERATUNG

BERATUNGSKOMPETENZ

Das lange Warten Hilfsmittel und Eintritt ins AHV-Alter – der komplexe Parcours von Andrea Bastreghi. Von Jeanne Rüsch

Als ich Andrea Bastreghi zum ersten Mal begegnete, arbeitete ich seit elf Monaten bei der SPV als Sozialarbeiterin für die Ro­ mandie. Das war Ende 2017 im Pa­ra­ple­gi­ ker-Zentrum, einige Tage vor seinem Aus­ tritt. Die zuständige Sozialarbeiterin der Klinik hatte mich gebeten, mit ihm Kon­ takt aufzunehmen, da er in seiner kom­­ plexen Versicherungssituation auch nach Austritt auf Unterstützung angewiesen sein würde. «Das Problem liegt darin, dass Andrea seinen Unfall noch im IV-Alter hatte, jetzt aber im AHV-Alter ist», erklär­ ­te sie mir. «Man muss also darauf achten, dass er die ihm zustehenden Ansprüche geltend machen kann.» Die Herausforde­ rung war gross, braucht er doch zum Meis­ tern seines Alltags verschiedenste Hilfsmit­ tel wie Kommunikations- und Umweltkontrollgeräte, einen komplexen Elektro­ rollstuhl, einen Duschrollstuhl, ein Gelkis­ sen, ein Brett zum Transferieren, um nur das Wichtigste zu nennen. Damals hätte

ich mir nicht vorstellen können, dass die Finanzie­rung dieser Hilfsmittel drei Jahre später immer noch nicht geregelt sein wür­de. Für mich war klar, dass die IV die Kosten übernimmt. Die Notwendigkeit der Hilfs­mittel war mit der Diagnose der permanenten Querschnittlähmung bestä­ tigt wor­den, welche vor seinem Eintritt ins AHV-Alter erfolgte. Administrative Schwierigkeiten Nach seiner Rückkehr nach Genf blieben wir in regelmässigem Telefon- und Mail­ kontakt. Die administrativen Schritte wa­ ren anspruchsvoll, es war wichtig, zusam­ men mit den Sozialarbeiterinnen des «Foyer Handicap» und mit Andrea Bastreghi zu klären, wer sich worum kümmert und auf welche externe Unterstützung er noch an­ gewiesen sein würde. Wir kamen sehr rasch überein, dass die SPV sowohl für den Ver­ lauf der IV-Anfragen zuständig sein würde als auch für die Anfrage an die Paraplegi­

Sozialberatung – Ausdauer ist gefragt

ker-Stiftung zur Vorfinanzierung der Kos­ ten für die Anschaffung der dringend be­ nötigten Hilfsmittel. Im August 2019 kam der negative Ent­ scheid. Laut der IV-Stelle, welche Andrea Bastreghis Dossier bearbeitete, erlosch das Recht auf Eingliederungsmassnahmen und somit die Finanzierung der Hilfsmittel spä­ testens Ende jenes Monats, in dem der Ver­ sicherte das AHV-Alter erreicht. Die IVStelle ging davon aus, dass dem Versicherten die Hilfsmittel erst bei seinem Austritt aus der Klinik in Nottwil im Januar 2018 übergeben wurden, er aber bereits ab Mitte Mai 2017 die AHV-Rente bezog. Die Bedin­ gungen für die Gewährung der erwähnten Hilfsmittel waren laut der IV-Stelle also nicht mehr gegeben. Die Ergotherapeuten hatten aber von Anfang an aufgelistet, auf welche Hilfsmittel Andrea Bastreghi schon während und nach seinem Klinikaufent­ halt angewiesen sein würde. Interdisziplinäre Zusammenarbeit Beim Erhalt der Vorbescheide der IV war klar, dass wir Einsprache erheben müssen. Das Dossier wurde dem Institut für Rechts­ beratung der SPV übergeben, welche nun Andrea Bastreghi vor der IV vertritt. Nach einer erneuten Ablehnung blieb Andrea Bastreghi nichts anderes übrig, als beim Sozialversicherungsgericht Genf Rekurs einzulegen. Daraufhin hat die IV ihren Ent­ scheid annulliert, um die Situation neu zu prüfen. Das Verfahren wurde am 19. Dezem­­ber 2019 von der Prozessliste gestri­ chen.

Zum Zeitpunkt der Redaktion dieses Ar­ tikels ist der Fall noch immer nicht abge­ schlossen. In der Zwischenzeit übernimmt Andrea Bastreghi die Kosten für den Un­ terhalt seiner Hilfsmittel selber. Wir beglei­ ten ihn nach wie vor wo nötig, wie zum Beispiel bei der Frage der Finanzierung der Kosten für den Transport zur jährlichen Kontrolle in Nottwil, welche sich auf zirka CHF 1000.– belaufen und bisher von kei­ ner Versicherung übernommen werden.

Lebensberatung der SPV Kantonsstrasse 40, 6207 Nottwil lb@spv.ch oder Tel. 041 939 54 00 Paracontact I Winter 2020 17


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