Schritt für Schritt zum perfekten Schuh
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Bevor Benjamin Bigot sich 2010 selbstständig machte, arbeitete er für die britische Nobelschuhfirma John Lobb. Ab 2015 unterrichtete er auch an der Pforzheimer Hoch schule für Design
ein erster Blick geht nach unten. „Die sind ein bisschen zu groß“, lautet Benjamin Bigots Schnelldiagnose zu den tatsächlich etwas locker sitzenden Ballerinas, die ich heute zum Besuch in seiner Maßschuh-Werkstatt angezogen habe. Diese liegt im Alten Schlachthofviertel im Osten von Karlsruhe. Wer zu Benjamin, kurz Ben, will, muss eine ehemalige Großmarkthalle durchqueren. Einst handelte man hier mit Fleischwaren. Anstelle von Mettwurst und Hähnchen werden jetzt Keramik, Möbel und Kleidung in einem Dutzend schmaler Ateliers hergestellt. In seinem Studio verspricht Ben nun, dass er meine im Internet bestellten Schläppchen gerne nachher passend macht. Und rät, dass man Schuhe vor dem Kaufen besser immer anprobieren sollte. Sein französischer Akzent lässt den Rüffel freundlich klingen — außerdem hat er ja recht.
Ben, der aus Mâcon im südlichen Burgund stammt, lebte als Kind für einige Jahre mit seinen Eltern in Baden-Baden. Der Junge war begeistert vom deutschen Brot und wollte Bäcker werden. Im Laufe der Zeit änderte sich sein Berufswunsch, und er ließ sich schließlich in Marseille zum Maßschuhmacher ausbilden. Danach ging er als Wandergeselle für die Compagnons du Devoir – eine französische Handwerkergilde, die es seit dem Mittelalter gibt – fünf Jahre lang auf die Walz mit Stationen in Lyon, Toulouse, Straßburg und Paris. In Karlsruhe, wohin es den heute 40-Jährigen mit seiner Frau und seinen beiden Kindern verschlug, eröffnete er 2010 sein erstes Ladenatelier in einem Vorort; seit Sommer 2021 ist er auf dem Schlachthofareal zu finden.
Sorgfältig bis ins letzte Detail: Benjamin Bigot bearbeitet die Brandsohle
In der ehemaligen Karlsruher Großmarkthalle haben sich Künstler und Handwerker angesiedelt
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MEIN Schwarzwald
FOTOS: Benjamin Bigot (2), Sascha Schäfer (3)
Skizzen, Werkzeug und Jojoba-Öl
Der Geruch nach Leder ist intensiv im Atelier: In den Schubfächern des Arbeitstisches befinden sich viele Rollen in unterschiedlichen Farben. Auf der Werkbank liegen Skizzen, Werkzeug und Bens bevorzugtes Schuhputzmittel aus Frankreich: Saphir Crème Universelle mit Bienenwachs und Jojoba-Öl. Er hält sein eigenes Paar Stiefel hoch, das er am Vormittag damit eingecremt und danach poliert hat. Es glänzt satt, „ich putze sie manchmal sogar zweimal am Tag“, erklärt Ben, der – außer einem Paar Turnschuhe – nur eigene Kreationen trägt. Bevor der Schuhmacher zum Werkzeug greift, spricht er ausführlich mit den Kunden. Sie reisen aus ganz Deutschland, Frankreich und der Schweiz an. Manchmal fährt er auch zu Vielbeschäftigten mit wenig Zeit: „Ich habe schon am Leipziger Bahnhof Maß genommen.“