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Waldabenteuer am Schluchsee
Ein Mann imBaumzelt

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Träumen in den Bäumen: Ist das eine gute Idee? Oder sollte man solch einen Schlafplatz zwischen den Ästen lieber den Vögeln überlassen? Unsere Autorin hat ihrem Mann einige Nächte in einem Baumzelt geschenkt — drei Meter über dem Waldboden

FOTOS: Frauke Rüth (3), Schwarzwaldcamp (1), AdobeStock/Smileus (1)
Auf geht’s: Steffen hat zum Glück keine Höhenangst … Hier geht’s lang zum Schwarzwaldcamp






Mein Angetrauter feiert einen runden Geburtstag. Was schenken? Ich nde, er kann ruhig mal ein Mikroabenteuer bestehen! So nennt der britische Autor Alastair Humphreys Außergewöhnliches, das man im Alltag vor seiner Haustür ausprobiert. Nicht weit von unserem Ort entfernt be ndet sich das „Schwarzwaldcamp“, wo das perfekte kleine Abenteuer angeboten wird: Übernachten im Baumzelt.
Das Camp liegt in einem Waldstück am Schluchsee. Bei der Ankun bekommen wir eine Axt und Streichhölzer in die Hand gedrückt und den Rat, uns nachts warm einzupacken, „hier im Hochschwarzwald ist es immer ein paar Grad kälter, und in den Baumzelten steigt zusätzlich kühle Lu von unten auf“, weiß Campmanagerin Anja Allgaier, 36. Wir sind sofort angetan von dem gut versteckten Platz im Wald, wo 80 Menschen übernachten können, sei es im gemieteten Tipi, im eigenen Zelt oder Van oder in einer ausrangierten Gondel. Es gibt keine gep asterten Wege, keinen Strom, als Rezeption fungiert eine Hütte, und das Zentrum ist eine Feuerstelle, auf die jeder seine Zucchini oder seine Würstchen legen darf — nachdem jemand Holz gehackt hat.
Mein Mann wärmt indes seine Erinnerungen auf: „Wie früher im Ferienlager. Mit Stockbrot grillen, Tierstimmen erraten und erst um vier Uhr morgens auf die Matratze fallen.“ Nun ja, von Matratze hat eigentlich keiner hier was gesagt …, denke ich. Der Gatte hängt weiter nostalgischen Gedanken nach und hat diesen euphorisierten Ausdruck im Gesicht, der möglicherweise ein wenig voreilig ist, denn damals musste er sich zum Schlafen nicht mehrere Meter in die Höhe hieven. Wie es uns die gelenkige Anja eindrucksvoll vorführt, als wir an unserem Übernachtungsplatz angelangt sind. Hurtig steigt sie zunächst auf die Holzkiste, die unter dem Zelt steht und in der man seine Nahrungsmittel und das Gepäck au ewahrt. Der nächste Jump führt Anja über ein stra gespanntes Netz hinauf ins Zelt, durch dessen Ö nung sie uns nun drei Meter tiefer Stehenden zuru : „Los, jetzt ihr!“ Eine Strickleiter ist nirgends zu sehen, nur die Nachbarn vom Baumzelt nebenan, die feixend gucken, ob wir es beim ersten Mal scha en. Tun wir, und schauen uns oben erst mal unsere dreieckige Schlafstätte für die kommenden Nächte genauer an. Sie wirkt recht klein, doch als wir Probe liegen, können wir uns gut arrangieren; zumindest, nachdem wir verstanden haben, dass wir unser di erierendes Körpergewicht ausbalancieren müssen. Es fühlt sich an wie eine Mischung aus Wasserbett und Hängematte. Schlussendlich hat keiner die Füße im Gesicht des anderen, und das ist doch schon mal was!
Panik vorm Abstürzen müssen wir nicht haben. „Das Zelt hält 400 Kilo aus“, versichert uns Raphael Kuner, 52, der Gründer und Chef des Camps. Vor sechs Jahren ng er an, Baumzelte aus England zu importieren, wo ein Industriedesigner das erste Exemplar entwickelt hatte. Im Camp hängen mittlerweile vier Stück, unseres



In warmen Sommernächten kann man das Zeltdach öffnen und Sterne gucken


Abends versammeln sich alle an der Grillschale






Wer Feuer will, muss Holz hacken. Faulpelze kaufen eine Kiste Brennholz (10 Euro) an der Rezeption

Frauke Rüth (3), Schrwazwaldcamp (2), AdobeStock/Smileus (1) FOTOS:
Ein hübsches Plätzchen lädt zum Verweilen ein
heißt „Willi“, außerdem gibt’s noch „Jakob“, „Hans“ und „Franz“, letzteres benannt nach Kuners Patenonkel. Auch die Tipis und Stellplätze tragen Namen, die von Freunden oder Familienmitgliedern inspiriert sind. „Gondel ,Gisela‘ haben wir nach meiner verstorbenen Schwiegermutter getau “, erklärt der Campboss. Die Skigondel war im französischen Méribel im Einsatz; jetzt steht sie auf einem Holzpodest am Boden.
Da wir uns für die Wipfel und gegen die Komfortzone entschieden haben, rollen wir im Inneren von „Willi“ die Isomatten aus, mummeln uns in die Schlafsäcke und reden – über die Nachbarn. Ganz wie zu Hause. „Meinst du, die haben auch so viel Gepäck wie wir dabei?“ „Hm, sie sahen gut organisiert aus.“ „Apropos organisiert: Ich hab vergessen, Besteck einzupacken.“ Betretene Stille. Und das ist gut so, denn jetzt hören wir endlich mal, dass wir nicht allein sind im Wald: Abgesehen von den menschlichen Anrainern tummeln sich die Tiere der Nacht. Es raschelt und knackt, es pfei , zwitschert und ötet. Beeindruckt lauschen wir und freuen uns darüber, viel näher an der Natur zu sein als sonst.
Um vier Uhr weckt mich eine Bewegung. In der Ecke des Zelts sitzt eine zierliche, braune Maus, die mich eine Weile nachdenklich ansieht und dann leise durch die Sto falten verschwindet. Als ich Raphael Kuner am nächsten Tag von ihr berichte, erklärt er: „Das war die Haselmaus. Die schaut gern im Camp vorbei. Wir lassen die Dinge hier geschehen, da fühlen sich auch die Viecher wohl.“ Allerdings hat mein Mann dem Geschehen vermutlich auf die Sprünge geholfen, als er eine Packung Cashewnüsse o en im Zelt hat liegen lassen.
Nach der Mausbegegnung meldet sich meine Blase. Ich habe keine Lust, mich drei Meter hinunterzuschwingen und durch den dunklen Wald zu latschen, um auf die Komposttoilette zu gehen. Doch bald gebe ich auf und mache mich auf den Weg. Es ist stockdunkel und nieselt leicht. Meine Handytaschenlampe leuchtet so funzelig wie eine echte. Aber nachdem ich den schmalen Pfad ausgemacht habe, der mich durchs Camp führt, nde ich es eigentlich gar nicht mehr unangenehm: Die Lu ist herrlich frisch, es du et harzig nach Nadelwald und Moosen. Die Tannen und Fichten rauschen im Wind. Amseln und Mönchsgrasmücken singen ihr erstes Lied des aufziehenden Tages. Meine Sinne fühlen sich viel wacher, aufmerksamer an als daheim.
Am Morgen erwachen mein Mann und ich ausgeruht, auch Muskelkater hat keiner. Von den Miturlaubern im Camp lassen es die meisten ruhig angehen; manche sitzen lesend in der Sonne, andere spielen mit ihren Kindern Karten oder

In den vielen Zelttaschen kann man Schuhe oder seinen Waschbeutel unterbringen



Über das Netz schwingt man sich durch eine Öffnung im Zeltboden hoch


„Jetzt bist du dran“: Im Baumzelt haben zwei Personen Platz



dösen noch ein bisschen. Die Menschen, die ins Schwarzwaldcamp kommen, suchen neben den besonderen Übernachtungsmöglichkeiten o genau diese Ruhe. Dreifach-Mutter Ela, 47, die mit ihrem Bus aus Köln angereist ist, erzählt, dass sie schon seit Jahren Auszeiten für sich allein nimmt. „In der ersten Nacht habe ich zehn Stunden am Stück geschlafen, und danach bin ich gewandert.“
Aber auch, wem nach Gesellscha ist, ndet sie: An der Feuerschale tri man abends eigentlich immer jemanden. Wir landen nach einem Ferientag am Schluchsee dort. Es dauert keine Minute, und wir bekommen etwas zu trinken angeboten. Das Feuerchen lodert schon krä ig. Wir spießen unser Grillgut auf Stöcke, und es wird gemütlich. Ein Paar erzählt, dass es in einer buddhistischen WG in Spanien lebt und gerade durch Süddeutschland reist. Die Nacht wird es im Baumzelt „Franz“ verbringen; Für die beiden ist das ein Erlebnis, das auf ihrer Bucketlist steht, wie Bungee-Jumping oder ein Fallschirm ug.
Wir sind unter den Letzten, die spät vom Feuer aufstehen. „Willi“ wartet schon auf uns. „Frau, mein Abenteuer-Geschenk ist ein Volltre er, hast du gut ausgesucht“, sagt mein Mann und grinst zufrieden. Oben lauschen wir noch ein bisschen dem Wind, der uns in unserem Nest san in den Schlaf wiegt.



INFO & SERVICE
îSchwarzwaldcamp: Das Camp wurde 2010 gegründet und liegt im Südschwarzwald am Schluchsee auf 1000 Höhenmetern. Es ist ein guter Ausgangspunkt für Wassersport, wie Kanu- oder Kajakfahren (etwa bei www.rafftaff.de). Zu Wandertouren berät die Tourismusinformation, die sich im Rathaus von Schluchsee be ndet: www.schluchsee.de îKosten: Baumzelt Willi kostet pro Nacht 79 Euro, die Gondel, die Platz für zwei Personen bietet, 99 Euro. Saison ist vom 11. April bis Oktober. îDuschen: Die sanitären Anlagen auf dem Nachbarcampingplatz darf man kostenlos nutzen. îEssen: Leckeres Frühstück bietet das Café am See (www.schluchsee-cafeamsee.de), Abendessen kann man zum Beispiel gut in der Pizzeria La Piazza in Schluchsee (www.lapiazza-pizzeria.de). îKontakt: www.schwarzwaldcamp.com

FRAUKE RÜTH
