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Ein kräftiger Schluck Weißtanne
Ein kräftiger Schluck
Die wichtigste Zutat: Aus den jungen Zapfen der Die wichtigste Zutat: Aus den jungen Zapfen der Weißtanne entsteht auf dem Kirnermarteshof der edle „SchwarzWaldRausch“. Zwei bis drei Monate muss der Brand reifen, damit er sein besonderes Aroma entwickelt
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Es war Zirbenschnaps aus den Alpen, der Bernd Gänswein auf die Idee gebracht hat: Kann das auch mit Weißtannenzapfen funktionieren? Die Antwort war bald klar: Ja. Und so entstand der
„SchwarzWaldRausch“, ein
Tannenzapfenlikör auf der Basis von Apfelbrand – hergestellt auf

dem Familienhof im Dreisamtal Die beiden Opas des Kirnermarteshofs: Altbauer Erich Jautz (l.) war bisher der alleinige Chef im Brennhäusle. Bernd Gänswein profitiert von seiner Erfahrung
Der alte Kirnermarteshof liegt oberhalb von Oberried im Dreisamtal, umgeben von Wiesen mit alten Streuobstbeständen. Schnaps wurde hier immer schon gebrannt, seit Jahrhunderten. Senior und Altbauer Erich Jautz war lange Zeit der alleinige Chef im Brennhäusle. Er hat den guten Ruf der Schnäpse vom Kirnermarteshof geprägt. Seit einiger Zeit mischt nun auch der Schwiegervater von Sohn Tobias mit: Bernd Gänswein, der im Alter von 60 Jahren sein Leben als Banker aufgegeben und nach dem Ruhestand „nochmal etwas ganz anderes“ machen wollte. So wurde Gebrannt wird auf dem aus dem Bankangestellten ein Hofmitarbeiter – und vor allem ein Schnaps-Experte. Diese Entscheidung kam nicht plötzlich, sondern ist idyllisch gelegenen Kirnermarteshof in Oberried schon immer. Das wissen auch die Feriengäste zu schätzen … – wie ein guter Schnaps – einige Zeit gereift: Jahre bevor Bernd Gänswein in den Ruhestand ging, hatte er sich schon zum Brennerkurs an der Universität Hohenheim angemeldet. Die Materie interessierte den Schwarzwälder schon immer. Die Praxis lernte er dann von Erich Jautz, der sein Wissen und seine Erfahrung mit ihm teilte.
Wer Tannenzapfen will, muss klettern
„SchwarzWaldRausch ist die Schnapsidee eines Bankers, der im Skiurlaub im Zillertal in Tirol den Schnaps aus dem Zapfen der Zirbelkiefer kennengelernt hat“, resümiert Bernd Gänswein schmunzelnd. „Weil ich in St. Märgen im Hochschwarzwald aufgewachsen bin, haben es mir die Weißtannen natürlich angetan. Warum also nicht einen Schnaps aus Weißtannenzapfen brennen, dachte ich mir.“ Weißtannen gelten als Charakterbaum des Schwarzwalds. Einst als Bauholz von hier in alle Welt geflößt, dann von der schnellwüchsigeren Fichte verdrängt, ist die Weißtanne heute Hoffnungsträger in Zeiten des Klimawandels.

FOTOS: mauritius images/Garden World Images/GWI/Jenny Lilly, Gabriele Hennicke, Andreas Lörcher (2)
Die Zapfen hängen ganz oben in den 30 oder 40 Jahre alten Weißtannen. Wer sie haben will, muss hochklettern und sie pflücken. „Die ersten Zapfen habe ich heimlich und ganz alleine geerntet, inzwischen macht das ein professioneller Baumkletterer für mich“, sagt Bernd Gänswein. Es gibt nur ein ganz enges Zeitfenster von ein, zwei Wochen Ende Juni, Anfang Juli für die Ernte der Zapfen. Sie müssen schon voller Harz, aber noch grün sein. „Man muss die Zapfen mit Handschuhen ernten, neben einem Eimer hat der Kletterer auch ein Kännchen mit Öl am Gürtel, weil die Zapfen so klebrig sind“, sagt Bernd Gänswein. Während der Kletterer die Zapfen in schwindelerregender Höhe pflückt, steht der Brenner unten am Baum und sichert ihn. Gar nicht so einfach ist es, Tannen zu finden, die genug Zapfen tra-


Eine Schnapsidee, die zum Erfolg geworden ist…
Die Weißtanne und ihre Zapfen haben es Bernd Gänswein angetan
Der klare Brand riecht nach Wald und frischem Tannenholz. Und im Mund kann man neben herzhaften und harzigen auch süße Aromen schmecken
FOTOS: Andreas Lörcher (2), Gabriele Hennicke, AdobeStock/simonewhitehurst gen. Auch gibt es nicht jedes Jahr eine gute Zapfenernte. Schon im Frühjahr ist Bernd Gänswein deshalb unterwegs auf der Suche nach geeigneten Tannen. Wichtig ist dabei, von oben zu schauen, denn sonst sieht er die Tannenwipfel vor lauter Bäumen nicht. Am ehesten entdeckt er Tannen mit vielen silbrig glänzenden Zapfen bei tiefstehender Sonne vom Gegenhang und am besten von einem Hochsitz aus. Manchmal hilft auch eine Drohne.
Doch zunächst muss die Grundlage geschaffen werden: An die 230 hochstämmige Obstbäume stehen auf den Streuobstwiesen rund um den etwa 300 Jahre alten Kirnermarteshof. Birnbäume, Kirschbäume, Zwetschgen- und Mirabellenbäume, dazu jede Menge Apfelbäume. Alles alte Apfelsorten wie Roter Boskoop, Bohnapfel und Klarapfel. Aus den Früchten der Streuobstwiesen, auf denen auch die Kühe und Pferde des Hofes weiden, wird im Brennhäusle Schnaps gebrannt. Der dient dann als Grundlage für den „SchwarzWaldRausch“. Für die Landwirtschaft, fürs Schütteln der Früchte vom Baum und auch für die Qualitätskontrolle der Früchte ist Schwiegersohn Tobias Jautz zuständig. „Gebrannt wird nur, was wir auch essen würden. Im einen Jahr gibt es mehr, im anderen weniger“, sagt der Chef des landwirtschaftlichen Betriebs, zu dem neben der Brennerei auch ein Campingplatz mit 100 Stellplätzen und Ferienwohnungen gehören.
Viel Alkohol für einen starken Baum
Obsternte und das Schneiden der Zapfen sind eine Gemeinschaftsaktion, bei der viele Familienmitglieder mithelfen, die alle rund um den Kirnermarteshof wohnen. Die halbierten Zapfen werden ohne jeden Zusatzstoff für mehrere Wochen mit Apfelbrand angesetzt. Zuerst ist der Auszug trüb wie naturtrüber Apfelsaft, bei richtiger Lagerung und Temperatur klärt er sich von selbst und gewinnt irgendwann einen warmen, goldenen Farbton. Lange haben die Brenner an diesem Produktionsschritt experimentiert. Die genauen Abläufe: Betriebsgeheimnis! Abschließend wird der Zapfenauszug ein zweites Mal gebrannt und verliert dadurch die zuvor vorhandenen Bitterstoffe. Zum Schluss wird noch etwas Zucker zugegeben. Warum hat der Waldrausch 50 Volumenprozent Alkohol? „Weißtanne ist ein starker Baum, da muss der Schnaps auch stark sein, das ist auch marketingtechnisch wichtig“, meint Bernd Gänswein. Fürs Marketing mit dem flotten Spruch „Nicht alle Zapfen am Baum?
„Ein Schnapsbrenner muss auch ein guter Obstbauer sein“, ist
Altbauer Erich Jautz überzeugt. Und so findet man auf dem Kirnermarteshof in Oberried an die 230 Obstbäume, darunter auch viele alte Sorten
Bernd Gänswein zusammen mit seiner Tochter Carolin und ihrem Mann Tobias Jautz

Wir auch nicht.“ ist seine Tochter Carolin Jautz zuständig. Zusammen mit einer befreundeten Grafikerin hat die gelernte Groß- und Einzelhandelskauffrau auch das Design entwickelt.
Der „SchwarzWaldRausch“-Likör kommt an. Nicht nur bei der Jugend im Dorf, sondern auch bei den Gästen des Kirnermarteshofs. „Unsere Gäste lieben unsere Schnäpse und verbreiten sie im ganzen Land, den Waldrausch erst recht“, berichtet Carolin Jautz. Die guten Edelbrände sind das Aushängeschild des Hofes. Viele kommen vor allem deswegen, meint Tobias Jautz. Gerade bei jungen Leuten hätten Edelbrände inzwischen ein gutes Standing. Erst vor kurzem bekamen die Jautz’ eine Nachricht von einem Barkeeper aus Hamburg, der sich mit acht Rezepten für „SchwarzWaldRausch“-Cocktails an einem Wettbewerb beteiligt hatte. Zum SelberMixen hatten die Landwirte bisher keine Zeit, aber sie sind sicher, auch die Schwarzwald-Cocktails werden ihre Liebhaber finden.

GABRIELE HENNICKE INFO Erhältlich ist der Weißtannenlikör „SchwarzWaldRausch“, (wie auch die anderen Produkte aus der Brennerei) im Hofladen oder auf Bestellung. Auch einige Geschäfte in der Region wie der Berg- und Talladen in Todtnauberg, die Rainhof-Scheune in Kirchzarten oder der Laden No.5 in Hinterzarten bieten das Produkt an. Kontakt: Familie Jautz, Vörlinsbach 22, 79254 Oberried, Tel. 0 76 61/9 73 90 00, www.kirnermarteshof.de; der Hofladen hat freitags von 15 bis 17 Uhr geöffnet