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Unser Sonntagsaus ug

Idyllische Stille
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Mal plätschert das Wasser über kleine Kaskaden, mal fließt es ruhig durch dichten Wald: Die Eyach im Nordschwarzwald verzaubert mit ihrem natürlichen Lauf. Zum Wandern ist das Flusstal ein echter Geheimtipp…
Die Form gibt dem Pilz seinen Namen: Steife Koralle

Leuchtender Klee wächst zwischen Totholz Sumpfdotterblumen lieben feuchte Wiesen

Unser Sonntagsausflug
Wir leben in der Nähe des einsamen Eyachtals und sind deshalb schon fast „Stammgäste“ in dieser besonderen Landschaft des Nordschwarzwalds, die seit 2002 als Naturschutzgebiet ausgewiesen ist. In einer Welt, die sich immer schneller dreht und verrückter wird, ist dieses breite Wiesental zwischen Bad Wildbad und Dobel unser kleines Paradies. Der namensgebende Bach, die Eyach, schlängelt sich durch den Talboden, verzaubert mit seinem natürlichen Lauf und seiner Stille. Das glasklare Wasser plätschert über Sand- und Granitsteine, umfließt die dicken Wurzeln alter Bäume, die still und starr am Ufer stehen. Manchmal flüstert der Bach nur leise, dann wieder fließt er mit Getöse einen Mini-Wasserfall hinunter…
Nicht immer war es hier so ruhig…
An diesem Sonntag treffen wir uns mit Freunden am Parkplatz in der Nähe des Gasthauses „Eyachmühle“: Drei Hunde, vier Erwachsene und ein Kind marschieren Richtung Lehmannshof. Wir bleiben zunächst auf dem geteerten Eyachtalsträßchen talaufwärts, was uns ausgiebig Gelegenheit zum Schwätzen gibt. Wir wandern vorbei an Wiesen und erkennen weit entfernt den Bachlauf anhand des ihn umgebenden Gehölzstreifens – immer wieder durchschreiten wir auch mal kurze Waldstückchen. Kurz nach Ende des Wiesentals erreichen wir den „Paul-Ochner-Brunnen“. Benannt wurde die aus einem Buntsandstein-Brunnenstock sprudelnde Quelle nach einem Baggerbetriebunternehmer aus der Region, wie mir Förster Dominik Leitz vom Forstrevier Eyachtal später auf Nachfrage erzählt: „Paul Ochner war dem Wald und dem Eyachtal sehr verbunden. Als er überraschend bei der Arbeit im Wald aufgrund eines plötzlichen Herzstillstandes gestorben ist, hatten wir die Idee, den Brunnen nach ihm zu benennen.“
Kurze Zeit später entdecken wir rechts einige Felsformationen und einen alten Steinbruch. Etwas versteckt, nach hinten versetzt, erkennt man es noch eindeutig: Hier muss einmal Gestein abgetragen worden sein. Bernhard Kraft, ein gebürtiger Dobler, ausgebildeter Schwarzwaldguide und leidenschaftlicher Heimatforscher, weiß mehr: „Hier wurde Granit abgebaut.“ Er hat für die Zusammensetzung des Gesteins auch gleich einen Merkspruch parat: „Feldspat, Quarz und Glimmer, die drei vergess ich nimmer.“ Im Eyachtal wurde auf einer kleinen Fläche der sogenannte Forbachgranit, ein grau bis rosa gefärbter Zweiglimmergranit, freigelegt. Nur hier im Eyachtal tritt diese Nordschwarzwälder Granitschwelle an die Oberfläche. „Der abgebaute Granit wurde hauptsächlich zum Waldwegebau verwendet“, weiß Bernhard Kraft und erzählt, dass früher auch die Badener das Recht hatten, hier auf württembergischen Gebiet Material für ihre Waldwege zu holen.
Die beiden Quellbäche der Eyach, die Dürreych (dürre Eyach) und der Brotenaubach, entspringen im ehemaligen Großherzogtum Baden (heute Kreis Rastatt) und vereinigen sich direkt auf der ehemaligen Landesgrenze zur Eyach. Um das Gewässer für die Flößerei nutzen zu können, wurde dem Brotenaubach Wasser zugeführt – und zwar aus einem kleinen Wildsee mit angrenzendem Hochmoorgebiet. Dazu wurde extra ein Graben gebaut, mit dem der See angezapft werden konnte. Das blieb nicht ohne Folgen: Der Wasserspiegel sank, so dass früher noch freie Moorflächen schließlich verwaldeten.
Heute ist es schwer vorstellbar, dass auf diesem Nebenfluss der Enz 500 Jahre lang Stammholz geflößt wurde. Nach dem Bau des Eyachtalsträßchens im Jahr 1889 wurde die Flößerei eingestellt.
Die Eyachmühle liegt an der Mündung des Mannenbach in die Eyach Pudeldame Lena begleitet unsere Autorin Maren Moster auf ihrer Tour durch das idyllische Eyachtal

Der Lehmannshof ist der Wendepunkt. Zurück geht es auf dem „Wasserwegle“ entlang der Eyach
Nicht alle Vierbeiner posieren, wie vom Fotografen erwünscht. Aber Spaß hatten an diesem Nachmittag alle

Dreh- und Angelpunkt der Flößerei war der Lehmannshof, von dem nur noch zwei Gewölbekeller übrig geblieben sind. Hier befi ndet sich heute ein Grillplatz mit Holztischen und Sitzbänken – unser Etappenziel.
Gegründet wurde der Lehmannshof 1683 als Sägemühle von Leonhardt Lehmann und den Brüdern Kappler. Das Heranwachsen der vierten Lehmann-Generation mit sieben kräft igen Söhnen begründete die Legende
Kurzer Halt am Paul-Ochner-Brunnen mitten im Wald
In der Gruppe unterwegs: Auf dem breiten und bequemen Weg lässt sich beim Wandern wunderbar schwätzen
Gemütliche Runde Gemütliche Runde entlang der Eyach von den „sagenhaft en Lehmännern“ und dem „Kraft geschlecht von Riesen“, welches nicht nur bei der Arbeit, sondern auch bei Mutproben und beim Trinken kräft ig hinlangen konnte. So herrschte im Eyachtal zur Zeit der Lehmänner eine wahre Goldgräberstimmung, was man sich heute kaum noch vorstellen kann – so ruhig und idyllisch, wie es hier ist. Die Zeit der Lehmänner endete in der vierten Generation allerdings tragisch: Waldverkäufe zur Abfi ndung der Erben, die wirtschaft liche Gesamtlage aufgrund der Napoleonischen Koalitionskriege sowie private Schicksalsschläge wie der frühe Tod etlicher Kinder – allein Anfang 1800 starben vier Töchter an den Pocken – ließen den letzten Lehmann zum Trinker werden. Er verlor sein Land, verschuldete den Hof und wurde 1802 vom Oberamt in Neuenbürg entmündigt. 1808 starb Matthäus Lehmann im Alter von 46 Jahren. Der Hof wurde 1814 zwangsversteigert. Die Witwe Lehmann lebte noch einige Jahre im hinteren Eyachtal in sehr bescheidenen Verhältnissen. Anschließend wechselte der Hof mehrmals seine Besitzer. Im Oktober 1848 brannte das Wohnhaus nieder und wurde nicht wieder aufgebaut. Sägemühle und Mahlmühle wurden abgebrochen.



All die Jahre überdauert haben nur die beiden Gewölbekeller, die heute allerdings wieder bewohnt sind: Mitarbeiter der Forstverwaltung haben hier ein Rückzugsquartier für Fledermäuse geschaff en.
Zurück gehen wir auf dem „Wasserwegle“, dem schönsten Teil der Wanderung. Der zweieinhalb Kilometer lange schmale Pfad beginnt unmittelbar links abgehend vom Lehmannshof. Zunächst geht es durch eine Birkenallee, dann immer weiter dem Ufer der plätschernden Eyach entlang. Der Weg ist allerdings ein kleines Abenteuer, weil sich immer mal wieder Felsbrocken auft un, die überstiegen oder umgangen werden müssen, einige Stellen sind unwegsam, zeitweise schlammig und geröllig. Hier und da liegen umgestürzte Stämme quer über dem Fluss. Gewaltige Granitfelsen liegen im Bachbett, und man wundert sich, wie hier riesige Holländertannen gefl ößt werden konnten.

Die Stille erleben

Es ist still hier unten in der Talsohle. Nur das Wasser und der Wind sind zu hören und manchmal auch Vogelgezwitscher. Wer Glück hat, kann den Eisvogel entdecken, der hier sein Revier hat.
Wir passieren die Reste eines alten Stauwehrs und ehemalige „Wasserfallen“, die früher zur Bewässerung der Wiesen neben der Eyach dienten. Schwarzwaldguide Peter Mast aus Dobel weiß, dass die Talwiesen lange Zeit zur Heugewinnung genutzt wurden. „Dazu brauchte man früher die Bewässerungsgräben“, berichtet er. Seit dem Rückgang der Landwirtschaft nach dem Zweiten Weltkrieg holt sich der Wald die Flächen jedoch immer mehr zurück, und die Wiesen können nur mit großem Pfl egeaufwand off en gehalten werden. „Das weltbekannte Pferdegestüt Dobel macht im Eyachtal noch heute Heu“, erzählt Peter Mast, der auch weiß, dass der 2018 verstorbene Hengst Cento, Erfolgspferd und Olympiasieger, auf dem Dobler Gestüt aufgewachsen ist.
Nach etwa zweieinhalb Stunden sind wir am Ende des Wasserwegles angekommen. Ich atme die gute Luft noch einmal tief ein und aus – und bin dankbar, dass vor allem die jüngste Wanderteilnehmerin noch trockene Füße hat. Schließlich überqueren wir die Wiese Richtung Holzbrücke und setzen den Weg auf der Teerstraße bis zum Gasthaus „Eyachmühle“ fort, wo wir unsere Wanderung ausklingen lassen. Was wäre ein Sonntagsausfl ug schon ohne Einkehr!
Auf dem Rückweg wird der schmale Pfad zum Abenteuer. Wurzeln, querliegende Baumstämme und große Steine erfordern Aufmerksamkeit
FOTOS: Maren Moster (4), Peter Mast (2)

MAREN MOSTER
Mehr Infos zu dieser Wanderung fi nden Sie auf der nächsten Seite

Im Gasthaus gibt es Produkte aus DemeterAnbau Ausgangspunkt: die „Eyachmühle“, ein gut besuchtes Ausflugslokal

Unser Sonntagsausflug: Die Eyach gehört zu den schönsten Gewässern des ganzen Nordschwarzwaldes. Auf unserer Rundwanderung ab Eyachmühle bei Dobel kann man den Wildbach ein Stück weit begleiten…
îDie Eyach ist mit ihrem Oberlauf bei Kaltenbronn ein ca. 18 Kilometer langer Fluss im Nordschwarzwald. Er mündet zwischen zwischen Höfen und Neuenbürg in die Enz. Auf dieser Strecke legt das Flüsschen 220 Höhenmeter zurück. Die Quellflüsse liegen in dem aus der letzten Eiszeit stammenden Hochmoor bei Kaltenbronn. Das Wasser ist meist klar und nährstoffarm. Seit 2002 ist das Eyachtal Naturschutzgebiet. îStart und Ziel der „Eyach-Runde“ ist der Wanderparkplatz in der Nähe des Gasthauses „Eyachmühle“ bei Dobel. Für die acht Kilometer lange Wanderung haben wir mit vielen Pausen ca. 2,5 Stunden gebraucht. Zunächst geht es auf dem bequemen Eyachtalsträßchen (hier herrscht Fahrverbot für Autos) am Seerosenteich und Paul-Ochner-Brunnen vorbei zum ehemaligen Lehmannshof. Hier hat die Forstverwaltung eine Grillstelle samt großzügigen Sitzgelegenheiten eingerichtet. Zurück geht’s über das wilde Wasserwegle, direkt an der Eyach entlang. Hier sind gutes Schuhwerk und Trittsicherheit gefordert. Eine Tourbeschreibung mit Karte findet man auf outdooractive.com (Suchbegriff „Eyach-Runde“). Einen stimmungsvollen Wanderbericht gibt es unter www. albtal-tourismus.de/erleben/wandern (Suchwort „Wandern am Wildbach“). Wer mehr will: Es gibt einen 13,3 km langen Rundweg ab Dobel. Eine Wegbeschreibung findet man auf outdooractiv.com (Suchbegriff „Rundtour von Dobel ins Eyachtal“). Auskünfte bei der Tourist-Info in Dobel, Telefon 0 70 83/7 45 13, www.dobel.de
Einkehr in der Eyachmühle
Eine lange Geschichte hat das frühere Mühlenhaus, der heutige Gasthof „Eyachmühle“. Hier legt man Wert darauf, mit zertifizierten Erzeugerbetrieben aus der Region zusammenzuarbeiten: das Allerbeste aus der Natur in Bio und Demeterqualität. Unser Tipp: Gönnen Sie sich die selbst gemachten Windbeutel. Ein Träumchen… “ www.eyachmuehle.com îWander-Opening: Die offizielle Wandersaison wird in Dobel am Sonntag, 8. Mai, mit drei Touren samt Wandervesper eröffnet. Eine davon findet im Eyachtal statt. Weitere Auskünfte zu dieser Veranstaltung gibt es bei der Touristinfo, www.dobel.de. îEin langer Weg zum Naturschutzgebiet: Ein 72 Meter hoher Staudamm im Eyachtal? Heute schwer vorstellbar. Zu Beginn der 1980er-Jahre war hier allerdings tatsächlich ein Kühlwasserspeicher für das Atomkraftwerk Neckarwestheim angedacht. Um das zu verhindern, gründeten 1983 einige umweltbewusste Bürger die „Schutzgemeinschaft Eyachtal“. 1996 erreichten die Umweltschützer, dass das Eyachtal vom Regierungspräsidium Karlsruhe zum Naturschutzgebiet erklärt wurde. Die Freude währte nur kurz: Drei Jahre später kam aufgrund eines Formfehlers das Aus für diesen Schutzstatus. Ein Umstand, der erst 2002 endgültig behoben wurde. îVerhalten in einem Naturschutzgebiet: Die Wanderung verläuft größtenteils auf Flächen, die als Naturschutz-, Landschafts- und Vogelschutzgebiete ausgewiesen sind. Deshalb sollte man die ausgeschriebenen Wege besser nicht verlassen. Verboten ist das Betreten der Talauen, da hier geschützte Orchideen wie zum Beispiel das Breitblättrige Knabenkraut wachsen und Vögel am Boden brüten. Hunde sollten angeleint und Pflanzen nicht gepflückt werden.
FOTOS: Maren Moster (2), Peter Mast