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So viele Schätzchen

Hin und weg sind die meisten Menschen, die an einem Sommerwochenende zum ersten Mal das Baden-Badener Oldtimer-Meeting erleben. „Hin und weg“ war auch der Kölner Fotograf Csaba Peter Rakoczy, der während eines Schwarzwald-Urlaubs einen Tag in Baden-Baden verbrachte und bei herrlichem Wetter mit Frau und Hund durch den mit Lampions, Fahnen, Blumen und Illuminationen feierlich geschmückten Kurpark fl anierte. „Ich hatte nur noch Augen für die wunderschönen Autos“, erinnert er sich. „Und meine Fotos von diesem Tag werden noch heute auf meinem Instagram-Account geliked!“

Manchmal wird liebevoll gestreichelt

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Vom 8. bis 10. Juli ist die Kurstadt auch dieses Jahr wieder Schauplatz für das „Internationale OldtimerMeeting“. Es ist bereits die 45. Ausgabe – und immer noch gilt das Treff en als das schönste in Deutschland. Premiere war 1976, aus der Taufe gehoben vom in Baden-Baden unvergessenen Jean-Marc Culas, der auch das Unternehmen „Ballooning 2000“ gründete. Bei der ersten Ausgabe waren es 35 Oldtimer, gezählt wurden 1000 Besucher. Längst ist das Ganze etliche Nummern größer: Seit Jahren glänzen mindestens 350 historische Schätzchen um die Wette, werden von 20000 Fans ehrfurchtsvoll bestaunt, von allen Seiten fotografi ert, sogar liebevoll gestreichelt. Marc Culas (50), der an der Seite seines Papas Jean-Marc mit dem Oldtimer-Meeting aufwuchs, es seit 2006 mitmanagte und es dann 2011 nach dem Tod des Vaters übernahm, freut sich jedes Jahr aufs Neue über die Lobeshymnen von Ausstellern und Besuchern. Und ist selbst immer wieder begeistert und gerührt von der zauberhaft en Szenerie rund um Kaiserallee, Trinkhalle, Casino, Kurhaus und Kolonnaden.

Der Pfälzer Markus Gottschall, Rolls-Royce- und Bentley-Besitzer und mit einem Ford A Deluxe Roadster beim Meeting dabei, verrät, womit Baden-Baden gegenüber manch anderer Oldtimer-Schau in seinen Augen besonders punktet: „Nirgends geht es so unverkrampft

Die drei vom Organisationsteam: Marc Culas, Gattin Claudia (links) und Schwester Annabelle Eine historische Kulisse, wunderschöne alte Autos mit ihren stolzen Besitzern, Lampions in den Bäumen und Champagner im Glas – das Oldtimer-Meeting in Baden-Baden erzählt jedes Jahr viele tolle Geschichten

FOTOS: Marc Culas

Einzigartig bei OldtimerSchauen in Deutschland: die Atmosphäre vor historischer Kulisse im Baden-Badener Kurpark

So viele Schätzchen!

und entspannt zu. Dazu trägt diese traumhafte Umgebung natürlich bei. Aber auch der lässige Marken-Mix – da steht eben der alte VW-Bus neben einem dicken Lamborghini. Man wird immer wieder von Besuchern angesprochen und in einen Plausch über sein Fahrzeug hineingezogen. Das ist wunderbar. Das Meeting hat einfach extrem viel Herz!“

Der vom Sammler Markus Gottschall so geschätzte Marken-Mix macht auch Organisator Marc Culas stolz: „Ich freue mich natürlich, dass es mir und meinem Team jedes Jahr gelingt, rund 80 verschiedene Automarken, auch vergessene und verschollene, zu präsentieren. Aktuelle Marken gibt es weltweit nur noch 30 bis 40.“ Egal ob Bentley, Bugatti, Maserati, Rolls-Royce, Jaguar, Lamborghini, Mercedes-Benz, BMW, Ford, Porsche, Borgward, NSU, Audi/Horch oder Opel, die Liebhaberstücke werden dann zum Hingucker für Leute wirklich jeden Alters. „Absolut“, sagt Marc Culas. „Die ganze Familie kommt auf ihre Kosten. Es gab hier schon betagte Herrschaften, die mit Tränchen in den Augen vor einem Auto standen, weil sie es von den Eltern oder Großeltern kannten, sich sogar an eine bestimmte Ausfahrt damit erinnern konnten. Und bei den Kindern und Enkeln schlagen die Herzen höher, wenn sie die rausgeputzten Altertümchen sehen und sich vielleicht sogar einmal ans Lenkrad setzen dürfen.“ Die Atmosphäre sei wirklich

Der Citroën, der es immerhin bis zum TÜV in Bühl schafft

Für 2000 Euro kaufte Kfz-Meister Peter Rommel (77) aus Baden-Baden den Citroën B14 Boulangère Ouvert. „Keine gute Idee. Es waren fast alle Teile kaputt.“ Sechs Jahre Bastelei und 15000 Euro investierte er ins Restaurieren des Wagens, mit dem einst im Elsass Brot ausgefahren wurde. Für ein Einzelteil musste er mal nach Südfrankreich. Lange Touren sind mit dem Auto nicht drin: „Maximal zum TÜV nach Bühl.“

Zuletzt 1955 in Straßburg zugelassen: Peter

Rommels „Boulangère“

(Bj. 1927, 20 PS, Seilzugbremse)

Auch backstage geht’s ganz entspannt zu – einige Oldtimer-Sammler genießen ein gemütliches Picknick, andere spielen mit ihrem kleinen Liebling auf der Wiese

Sicher eines der meistfotografi erten Highlights: ein zitronengelber Ford Thunderbird anno 1955

ganz anders als im Automuseum: „Hier spaziert man unter freiem Himmel, genießt einen Cappuccino oder Champagner, kommt mit den Auto-Besitzern ins Gespräch. Einige von ihnen sind nostalgisch frisiert und angezogen – passend zur Zeit, aus der ihr Auto stammt. Viele haben Klappstühlchen mit, halten ein Picknick neben ihrem Fahrzeug auf der Wiese ab. Hier erfährt man bei einem Schwatz viele Geschichten und Anekdoten.“

Seit 2019 ist übrigens auch eine Kinderjury am Start, die Preise vergibt! „Kinder sehen die Wagen mit ganz anderen Augen als wir Erwachsenen“, weiß Marc Culas. „Das ist spannend, zu sehen, welches Auto die Kids lieben und warum.“ Bei ihrem ersten Einsatz verlieh die Kinderjury ihren Hauptpreis an Willi Ege und seinen Berliet (s. Seite 74). Begründung: Er habe sich extra viel Zeit genommen, den Wagen mit seinen vielen spannenden Details auch Kindern zu erklären!

Mit dem Oldtimer aus Schweden

Besagte Aussteller – sie kommen übrigens nicht nur aus Baden-Württemberg, sondern aus dem ganzen Bundesgebiet, aus der Schweiz und aus Frankreich. Die weiteste Anfahrt hat beim diesjährigen Meeting ein Mann aus Schweden! „Er kommt mit einem alten Bentley“, verrät Marc Culas. „Und er transportiert ihn nicht nach Baden-Baden, er fährt die ganze Strecke mit ihm. Er hat das vor 15 Jahren schon mal gemacht und sich jetzt wieder angemeldet!“

Anmeldungen wird es wohl wieder über 500 geben, aber da müsse man leider aussieben und dem einen oder anderen, dessen Automarke schon zu oft vertreten ist, schweren Herzens absagen. Rund 50 der Teilnehmer kommen quasi über einen „Umweg“ zum Meeting – sie nehmen an der beliebten Oldtimer-Rallye teil, einer Ausfahrt, die sie donnerstags (7. Juli) durchs Elsass und freitags (8. Juli) über die Badische Weinstraße und die Schwarzwaldhochstraße führt, ehe sie am späten Freitagnachmittag in die Kurstadt kurven und ihren

Stoßen aufs Oldtimer-Meeting an: Markus Gottschall und Claudia Culas

Ein Ford mit Kutschen-Gefühl

Der hat beim Lenken so viel Spiel – der fährt sich wie eine Kutsche auf Rädern“, sagt Markus Gottschall (50) aus Lustadt bei Landau über seinen Ford A Deluxe Roadster. „Ich muss also beim Fahren immer sehr früh lenken oder bremsen.“

Der Pfälzer IT-Unternehmer, dem auch noch drei weitere Oldies gehören (u.a. der RollsRoyce Corniche mit Vorbesitzer Dean Martin), berichtet über eine weitere Besonderheit seines Ford A: „Der Schwiegermutter-Sitz ganz hinten! Bis da reicht aber das Dach nicht. Da saß die Schwiegermama bei schlechtem Wetter damals also sprichwörtlich im Regen ...“

FOTOS: Marc Culas (4), Peter Rommel (2),

Zieht die Blicke auf sich: der Ford A Deluxe Roadster (Bj. 1930, 40 PS). Mit ihm macht Markus Gottschall Wochenend-Touren

Viele Oldtimer-Besitzer kommen in passender Garderobe, wie diese Dame im feschen 50er-Jahre-Style an ihrem Thunderbird

Platz auf dem Festivalgelände einnehmen. Dass bei der Ausfahrt nur 50 Wagen, die alle jünger als Baujahr 1975 sein müssen, dabei sind, hat logistische Gründe. Marc Culas: „Zum einen würde nicht jedes Fahrzeug diese anspruchsvolle Strecke schaffen. Und zum anderen wären bei größerer Teilnehmerzahl die Plätze bei den Zwischenstopps hoffnungslos überfüllt. Der fließende Verkehr würde durch uns behindert.“

Sonntags, am Schlusstag des Meetings, werden dann 120 Oldtimer von einer Jury aus Automobildesignern, Ingenieuren und Vertretern des Veranstalters nach verschiedenen Kriterien wie Zustand, Seltenheitswert und Originalität prämiert, ihre Besitzer präsentieren sie anschließend stolz bei einem Korso quer durch die Baden-Badener Innenstadt.

Ein Zusatz-Job als Frühstückskellner

Der Countdown für das 45. „Internationale OldtimerMeeting“ läuft, und Marc Culas, hauptberuflich Chef einer Agentur für digitales Marketing, die mit 40 Mitarbeitern unter anderem für Daimler arbeitet, ist jetzt Tag für Tag am Telefon und am Computer als TerminOrganisator und Programm-Manager gefragt.

Während des Meetings im Juli kommt dann vor Ort noch ein Job dazu – der als Frühstückskellner! Denn einer der Aussteller, der mit einem 72 Jahre alten Mercedes 170 DA Cabrio und einem gleichaltrigen Wohnanhänger Marke Wolf-Hirth (davon gibt’s weltweit nur noch sieben Stück!) aus der Pfalz anreist, schläft auch darin! „Obwohl das Übernachten im Kurpark eigentlich nicht erlaubt ist“, sagt Marc Culas augenzwinkernd.

Dem guten Mann bringt er jedenfalls jeden Morgen frische Croissants und heißen Kaffee an seinen Platz. „Das hat sich so eingebürgert“, sagt Marc Culas und lacht. „Eine der vielen schönen Traditionen bei dieser Veranstaltung.“

MICHAEL SANTEN

INFO Alle aktuellen Infos zum 45. Oldtimer-Meeting vom 8. bis 10. Juli in Baden-Baden auf www.oldtimer-meeting.de

Ein Berliet für Brautpaare

Weil ihn alte Technik begeistert, begann Elektro-Ingenieur Willi Ege (66) aus Ravensburg, Oldtimer zu kaufen und zu restaurieren.

Mit einem Goggo Coupé fing es an, es folgten ein Peugeot 202 (Bj. 1938) – und dieser weinrote Berliet (Bj. 1924, 30 PS). Den 6-Sitzer zeigt er seit zehn Jahren in Baden-Baden – und ab und zu kutschiert er damit Brautpaare zur Kirche.

Willi Ege am Steuer seines Berliet. Dieses Modell besitzt er auch noch in Grün, Bj. 1921 – den einzigen dieser Art weltweit!

Happy Birthday, Ferdinand! 2016, zu seinem 60. Geburtstag, schenkte Theresia Kühn ihrem Liebling eine Torte Grüßen durchs geöffnete Faltdach: Die Kühns in ihrem „Ferdinand“ (Bj. 1956, 34 PS – und mit Zündschloss auf der Beifahrerseite!)

Klein, aber oho: Unternehmensberater Peter Laube mit seinem 145 PS starken schicken Zweisitzer Nash-Healey aus dem Jahr 1952

Dieser VW Käfer heißt Ferdinand, ist 66 und gehört zur Familie…

Dieses Paar liebt schöne Formen! Architekt Lothar Kühn (69) aus Baden-Baden besitzt alte Porsches und Alfa Romeos, Ehefrau Theresia (68) drei VW Käfer, ein Coupé, ein Cabrio und „Ferdinand“! „Das ist ein VW 1200 Export“, erklärt sie. „Ein Geschenk von einem Freund meines Vaters. Da war ich 23, der Wagen 22.“ Der Mann hieß Ferdinand. Seitdem auch das Auto (Faltdach, ovales Heckfenster), das sie in den 90er-Jahren restaurieren ließ. „Sehr aufwendig – und teuer“, seufzt sie. „Aber Ferdinand gehört doch zur Familie.“

Eine Briefmarken-Serie mit den „5 schönsten 50erJahre-Modellen“ heißt „US Sporty Cars“. Als da wären: Nash-Healey, Studebaker Starliner, Corvette, Kaiser Darrin, Ford Thunderbird. „Warum nur die Marken haben und nicht auch die Autos?“, fragte sich Peter Laube (60) aus Kornwestheim. Bis auf die Corvette hat er inzwischen alle. Der erste war der Nash-Healey: „Ich war beruflich in China, sah ihn im Internet. Da war es um mich geschehen! Habe den Händler auf Long Island kontaktiert, den Deal perfekt gemacht!“

FOTOS: Andreas Beyer (Nash-Healey), Marc Culas (2), Theresia Kühn (2), privat

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