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Ein Herz fürs „Süße Löchle“

Jedes Kuchenstück wird liebevoll mit frischen Früchten garniert serviert
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Heike Neumanns Heike Neumanns hausgemachter Rüblikuchen Einziges denkmalgeschütztes Einziges denkmalgeschütztes Café im LändleEinblicke in eine über hundert Jahre alte Backstube Drei Gründe, hier haltzumachen:
Ein für das „Süße Löchle“
Das Traditionscafé in Lahr stand vor 20 Jahren kurz vor dem Aus. Dank des Einsatzes engagierter Bürger hat der Wohlfühlort jedoch überlebt – und steht heute sogar unter Denkmalschutz
Das schmale Haus in der Friedrichstraße 14 fällt beim raschen Vorübergehen kaum ins Auge. Ganz im Gegenteil. Vom alten Lahrer Rathaus über den Urteilsplatz kommend, entdeckt man es erst im Schatten des angrenzenden Multiplexkinos. Doch hat man es einmal gesehen, kann man gar nicht anders, als genauer hinzuschauen – und dann würde man am liebsten über sein geducktes Ziegeldach streichen und ihm zufl üstern: „Ich habe dich gesehen, kleines, altes Haus. Wie hübsch du bist!“
Fühlen sich in ihrer Gastgeberrolle pudelwohl: die „Löchle“-Pächter Eduard und Heike Neumann

Ein Ausflug in alte Kaffeehaus-Zeiten
Das „Süße Löchle“ im badischen Städtchen Lahr wirkt wie aus der Zeit gefallen. Im Schaufenster thront eine massive, aus Messing gefertigte Registrierkasse mit Mark- und Pfennig-Einheiten, tummeln sich betagte Kaff eekannen-Modelle, stehen Küchenwaagen samt gusseiserner Gewichte, sind schwarz-weiße Fotografi en mit Motiven aus einem anderen Jahrhundert ausgestellt. Tritt man in das Café ein, nimmt der Ausfl ug in die Vergangenheit vollends Fahrt auf. Den nur wenige Quadratmeter großen Verkaufsraum teilen sich eine
Wachgeküsst: Vor der Sanierung lediglich als Abstellfläche genutzt, hat sich der neu gestaltete Innenhof zwischen Café und der historischen Backstube zu einem echten Lieblingsplatz gemausert


Da geht die Sonne auf! Die Möhren-OrangenSuppe mit Ingwer wärmt Leib und Seele
stattliche Kirschbaumholz-Vitrine, die fast die ganze linke Seite einnimmt, sowie eine Glastheke, unter der kleine Leckereien präsentiert werden. Aus stoffbezogenen Lampenschirmen fällt warmes Licht auf die süßen und herzhaften Happen. Die Luft ist erfüllt von einer Duft-Melange aus Kaffeearoma und Kuchenteig.
Über eine schmale Sprossenfenster-Schiebetür geht es ins Café. Mit seinen roten, lederbezogenen Sitzbänken und Stühlen, acht Marmortischchen, einer hüfthohen Holzvertäfelung sowie dem wärmespendenden Kachelofen findet man sich in einem heimeligen KaffeehausAmbiente der 1920er-/1930er-Jahre wieder.

Der Art déco wirkt überraschend zeitlos
„Das Einmalige am ,Löchle‘ ist, dass hier alles echt ist. Nichts wurde von Flohmärkten zugekauft, um es auf alt zu trimmen. Und diese Authentizität spürt man einfach. Das Haus hat eine unglaubliche Ausstrahlung, ich bin richtig verliebt“, schwärmt Heike Neumann, die das über hundert Jahre alte Café mit ihrem Mann Eduard und einem kleinen Helferteam mit spürbar großem Enthusiasmus betreibt. Sogar die Ölbilder an den Wänden sind Originale. Sie stammen vom Lahrer Landschaftsmaler Wilhelm Wickertsheimer (1886–1968), der das „Süße Löchle“ einst regelmäßig besucht hatte.
Überhaupt sei von der Geschichte des Hauses relativ viel bekannt, erzählt Eduard Neumann. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts als Handwerkerhaus errichtet, betrieb die Konditorenfamilie Hildebrand hier ab 1887 eine Konditorei und Feinbäckerei. Elf Jahre später wurde das Café eröffnet. „Der letzte große Umbau fand Ende des Ersten Weltkriegs statt. Dadurch ist die Inneneinrichtung im Art-déco-Stil der 1920er-Jahre bis heute erhalten geblieben“, so Neumann. Auch die beiden nachfolgenden Besitzerinnen Gertrud Hauser sowie deren Nichte Gisela Seidl hatten daran nicht gerüttelt. Diese
Der erste Elektroofen kam 1942 in die Backstube. Weil der nicht durch die Türe passte, wurde kurzerhand die Hausrückwand aufgebrochen, der Ofen hineingeschoben und die Mauer wieder verschlossen Da schlägt das Herz eines jeden Zuckerbäckers höher: Mit der antiken Bonbonmaschine lassen sich „Gutzele“ (Drops) in Herzfom herstellen. Falls Bedarf bestünde, wäre sie jederzeit noch einsatzbereit


Trotz ihres beträchtlichen Alters wirkt die Ausstattung im Verkaufsraum herrlich zeitlos (großes Bild). Im Haus fanden sich noch Kassenbücher und Geschäftspapiere aus ganz alten Tagen (s. links)

hatte das „Löchle“ sage und schreibe 65 Jahre betrieben und es ins 21. Jahrhundert überführt. Danach sah es erst mal düster aus um den Fortbestand des Traditionscafés.
Das kleine Haus hat viel Glück gehabt
Einer Gruppe engagierter Lahrer Bürger und der Gründung einer gemeinnützigen Aktiengesellschaft im Jahr 2004 ist es zu verdanken, dass der geliebte Treffpunkt nicht zwangsversteigert wurde. Sie erwarb das Haus, und das Café konnte fortgeführt werden. Zeitgleich wurde das Gebäude samt historischer Backstube und Inneneinrichtung unter Denkmalschutz gestellt.
Ein erheblicher Sanierungsstau stellte die Gemeinschaft im Jahr 2016 dann allerdings vor Probleme. Ein Käufer für das „Süße Löchle“ musste her – und wurde gefunden. „Das kleine Haus hat in seinem Leben viel Glück gehabt. Aber sein größtes Glück überhaupt war, dass es von Adelheid und Roland Wagner gekauft wurde“, ist Eduard Neumann überzeugt. Mit viel Liebe

Wenn’s im Alltag mal hektisch zugeht, bietet sich das heimelige Café als perfekter Entschleunigungsort an
FOTOS: Christina Feser

Eine Schwarz-Weiß-Postkarte zeigt die Fassade des Cafés in den 1920er-Jahren

Der Weg vom Verkaufsraum ins Café führt an dem prächtigen Kirschbaumschrank vorbei
Auf den Spuren des Malers
Die Ölbilder von Wilhelm Wickertsheimer gehören zum festen Bestand im Café „Süßes Löchle“, und auch in der Stadt begegnet man dem beliebten Lahrer Landschaftmaler immer wieder. Besonders gelungen ist der gut sechs Kilometer lange „Wickertsheimer Weg“. Er startet an der Tonofenfabrik, führt durch die Innenstadt bis hinauf auf den Schutterlindenberg und über Burgheim zurück in die Stadt, wo er am „Süßen Löchle“ endet. Dabei erfährt man an 35 Infotafeln (im Bild die Tafel am Urteilsplatz vor dem Café) Interessantes über die Stadt, die Landschaften und den „Lohrer Moolersmann“ selbst. Weitere Infos und Wanderungen auf www.lahr.de zum Detail hat es das Lahrer Unternehmerpaar zu dem gemacht, was es heute ist: Ein mit Bedacht saniertes Museumscafé, das 2020 mit dem Denkmalschutzpreis Baden-Württemberg ausgezeichnet wurde. „Die Entscheidung für den Kauf war eine ganz spontane“, erzählt Besitzerin Adelheid Wagner. „Mein Mann und ich waren wie so oft am Samstag nach dem Wochenmarkt im ,Löchle‘ Kaffee trinken. Beim Abschied rief uns die damalige Pächterin hinterher, ob wir wüssten, dass das Haus zum Verkauf stehe, und warum wir es eigentlich nicht übernehmen“, erinnert sich Frau Wagner. „Wir sind keine 100 Schritte gelaufen, dann haben wir uns angeschaut und gesagt: ,Okay, wenn wir es bekommen, dann kaufen wir es.‘ Im Januar 2017 haben wir den Vertrag unterschrieben.“
Innerhalb eines Jahres wurde das Haus in enger Abstimmung mit dem Denkmalamt von Grund auf saniert. Auch wenn es dabei so manche Überraschung gab, würde Adelheid Wagner die Herausforderung immer wieder annehmen. „Ich habe dieses Haus in all den Jahren sehr lieb gewonnen und sehe darin so viel Potenzial. Und ich habe während der Umbauphase sehr viel gelernt. Vor allem, was ich alles kann“, schmunzelt die tatkräftige 72-Jährige. Mit Heike und Eduard Neumann habe sie die idealen Pächter gefunden. „Die beiden haben ein Konzept und den Kopf voller Ideen, das ist toll!“
Regen? Hier gibt es „Sonne zum Löffeln“
Als gelernte Ernährungsberaterin kann Heike Neumann ihr Kulinarik- und Genuss-Wissen perfekt in das Café einbringen. Eduard Neumann, der mit Kunst und Design handelt, hat das Auge für die Optik. Er erzählt: „Wir sind schon immer gerne Gastgeber gewesen und können uns jetzt so richtig ausleben. Natürlich sind wir an die Gegebenheiten gebunden und müssen viel improvisieren, aber das gelingt uns bisher ganz gut.“ So müssen zum Beispiel alle Speisen aus der Küche in der oberen Etage über das Treppenhaus nach unten balanciert werden. Viele positive Rückmeldungen zeigen den Neumanns, dass sie auf dem richtigen Weg sind. Auch
Das kulinarische Angebot ist superlecker – und gesund. Ob Aufstriche, Suppen oder Kuchen, alles ist hausgemacht

erste Veranstaltungen wie Ausstellungen mit regionalen Künstlern und ein Cocktailabend waren gut besucht. Der neue Innenhof mit Zugang zur historischen Backstube sowie der „Blaue Salon“ in der ersten Etage bieten sich außerdem prima für private Feierlichkeiten an.
Wer von Donnerstag bis Samstag ins „Süße Löchle“ kommt, darf sich auf kleine, feine Bistrogerichte freuen. „Wir bieten wechselnde Suppen an, diese Woche etwa unsere ,Sonne zum Löffeln‘, eine Möhren-Orangen-Suppe. Außerdem eine Quiche und Aufstriche mit frischem Bauernbrot. Dazu eine Auswahl hausgemachter Kuchen, wie Zitronen-Mohn-Tarte oder Apfel-Weißweinkuchen.“ Der Renner ist Heike Neumanns Rüblikuchen mit Frischkäse-Frosting, den es auch in einer veganen Variante gibt. Das Publikum ist bunt und altersmäßig durchmischt. Genau so, wie es sich die Neumanns wünschen. Lustig sei, erzählt Adelheid Wagner dann noch, dass gerade ältere Lahrer immer von „ihrem Löchle“ sprechen. Meist beginnen sie ihre Erzählung mit den Worten: „Also bei mir war’s immer so …“ Wie schön, dass es noch Cafés gibt, die emotional so berühren.

CHRISTINA FESER
KONTAKT Café „Süßes Löchle“, Friedrichstr. 14, 77933 Lahr, Telefon: 0 78 21/9 96 64 40, www.cafe-suesses-loechle.de Donnerstag bis Samstag von 9.30 bis 18.00 Uhr geöffnet
Schnuckelig und denkmalgeschützt: Das „Löchle“ gehört zu den geschichtsträchtigsten Häusern in Lahr
FOTOS: Christina Feser (4), privat