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Out of Schwarzwald

Lustwandelns Die Kunst des

Out of Schwarzwald In dieser Ausgabe: Ein Ausflug an die Donau

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Seit gut 170 Jahren ist es „ordentlichen Menschen“ gestattet: das Lustwandeln im Fürstlichen Park von Inzigkofen. Aber wie geht so etwas eigentlich? Und warum ist dieser Park dafür ideal geeignet? Wir fragten nach und gingen los ...

FOTO: mauritius images/P. Widmann

Die Teufelsbrücke war lange eine Holzkonstruktion. Jetzt führt ein Betonbau über die 20 Meter tiefe Schlucht – die „Höll“ Ahorn, Kastanien, Linden: Majestätische Alleen gehören zum Kernbestand des Inzigkofer Parks

Lustwandeln. Bei diesem Wort kommen einem sofort steife Röcke und weiße Stoffschirmchen in den Sinn. Dazu gemächlich schlendernde Damen in einem gepflegten Park. Flüsternd. Kichernd. Plaudernd. Kurios, dass der Fürstliche Park von Inzigkofen an der Donau heute noch bewusst seine Besucher zum Lustwandeln einlädt. Wie geht denn das – so ohne Rock und Schirmchen? „Einfach gemächlich gehen und genießen, was einem der Park an Eindrücken anbietet“, lautet der Tipp von Dr. Edwin Ernst Weber. Der Archivar des Landkreises Sigmaringen hat sich intensiv mit Gestaltung und Geschichte des Parks befasst und weiß, wie es hier früher zuging. „Vor 200 Jahren war ein Park der ,grüne Salon‘ der fürstlichen Familie. Dort empfing man Gäste und gab sich in der inspirierenden Umgebung anregenden und vertraulichen Gesprächen hin.“

Was ist wohl hinter der nächste Kurve?

Geheimnisse besprechen? Dafür ist dieser Ort immer noch ideal. Fürstin Amalie Zephyrine von Salm-Kyrburg (1760–1841) ließ die von der Natur geformten Hang- und Felspassagen am Ostausgang des Donaudurchbruchs durch die Schwäbische Alb vor über 200 Jahren mit begehbaren Wegen präparieren. Ein kleines Holzschild unterhalb des ehemaligen Klosters von Inzigkofen markiert den Eingang in die höchst zauberhafte Welt.

Der Park gehört dem Fürstenhaus Hohenzollern. Für Spaziergänger ist der historische Landschaftsgarten aber auf eigene Verantwortung frei zugänglich. Am Anfang führt der Weg in leichten Bögen sanft bergab – um mächtige, einzeln stehende Bäume herum. Schon nach

wenigen Metern packt den Spaziergänger die Neugier: Wie sieht es hinter der nächsten Kurve aus? Die Antwort ist immer dieselbe: überraschend anders.

Überall ragen Felsen empor. Schluchten fräsen sich am Kreisarchivar Dr. EdWeg entlang. Malerische win Ernst Weber hat Uferauen und Lichtungen den Park erforscht wechseln sich mit Anhöhen und sogenannten Blickachsen ab. Mal sieht man ein Schloss, mal eine Burg, mal die Kirche im Nachbardorf. So, als ob man durch ein Gemälde spaziert.

In der Mitte der Anlage macht die Donau direkt vor dem Wahrzeichen des Parks einen malerischen Schlenker: „Das ist der Amalienfelsen“, erklärt Edwin Ernst Weber die 30 Meter hohe Felswand mit der Inschrift aus Eisenlettern und dem Allianzwappen der Fürstin und ihres Gatten. Der Aussichtspunkt trägt die Nummer fünf im Flyer, den der Archivar für Besucher entwickelt hat. Ein Punkt von vielen, der ungewöhnlich ist: Teeplatz im Park? Festwiese unterhalb der Eremitage? Warum

Hinter der Klosteranlage mit ihrer sehenswerten Barockkirche befindet sich ein liebevoll angelegter Kräutergarten

Im Zickzack am Felsen vorbei. Das Lustwandeln kann auch zu einer längeren Wanderung ausgebaut werden

FOTOS: Stefanie Böck (2), AdobeStock/JM Soedher, AdobeStock/Volker Loche, AdobeStock/PixelPower

Im ehemaligen Kloster Inzigkofen, früher ein AugustinerChorfrauenstift, sind heute die Volkshochschule und das Klostermuseum untergebracht

FOTOS: AdobeStcok/JM Soedher, mauritius images/Udo Siebig, Stefanie Böck, AdobeStock/Tamara Kulikova, Wikipedia

Die Fürstin mit dem wilden Leben

Amalie Zephyrine von Salm-Kyrburg stammt aus einer linksrheinischen Hochadelsfamilie und wird 1760 als achtes Kind in Paris geboren. Sie heiratet den Erbprinzen Anton Aloys von Hohenzollern-Sigmaringen. Das Leben in der kleinen Residenzstadt Sigmaringen empfindet Amalie als „unerträglich einengend“. Nur zehn Wochen nach der Geburt ihres Sohnes flieht sie, als Mann verkleidet, zu ihrem Bruder zurück nach Paris. Während der Revolution verliert sie ihren Lieblingsbruder unter der Guillotine. Sie selbst überlebt. Nach 20 bewegten Jahren in der französischen Hauptstadt kehrt sie nach Hohenzollern zurück und richtet sich im Amtshaus des säkularisierten Klosters Inzigkofen ein. Ab 1815 gestaltet sie den Landschaftspark nach englischem Vorbild. Mit 81 Jahren stirbt sie – und bleibt als Fürstin mit einem bewegten Leben in Erinnerung, der in der Zeit Napoleons der Sonderweg Hohenzollerns in der Geschichte von Südwestdeutschland maßgeblich zu verdanken ist. „Teufelsbrücke“ und was bitte ist die „Höll“? Grotten, Känzele, Lindenallee: Hier lauert hinter jeder Kurve ein neuer, ausgesprochen hübscher Anblick. „Die Fürstin hat die Gegebenheiten optimal in Szene gesetzt“, erklärt Edwin Ernst Weber. So wurden die Spaziergänge zum Genuss. Manchmal sogar mit einer kulinarischen Komponente: Im hinteren Teil des Parks gibt es Grotten, halbe Höhlen, so hoch wie Tanzsäle. „Die wurden von den Nachfahren der Fürstin möbliert und für Feste genutzt.“ Sogar Bilder und Geweihe hingen an der Wand. Heute stehen nur noch einzelne Bänke unter den Felsvorsprüngen. Egal, wo man im Park auf einer Sitzgelegenheit Platz nimmt, man kommt automatisch ins Grübeln: Mit wem hat die Fürstin hier wohl gesessen? Über was hat sie gesprochen? Was war sie überhaupt für ein Mensch? „Also unkompliziert war sie jedenfalls nicht“, urteilt Edwin Ernst Weber vorsichtig. Sicher ist, dass sie ein Händchen für die Gestaltung des Parks hatte. Schon das Überqueren der gebogenen Teufelsbrücke über die rund 20 Meter breite und 20 Meter tiefe Schlucht wäre mit ihr ein Erlebnis gewesen.

Neue Hängebrücke über die Donau

Die Fürstin hätte vielleicht von der Eremitage erzählt – dem kleinen Berg mit der Kapelle gegenüber. Früher stand dort ein Teehaus. Seit 2019 führt eine Hängebrücke über die Donau zu dem etwas unheimlichen Ort. In fürstlicher Zeit hatte diese Funktion eine Fährverbindung erfüllt, in den 1940/50er-Jahren existierte zeitweise ein hölzerner Pioniersteg. Uralte Bäume sowie löcherige Massenkalkfelsen säumen den Pfad zur Kapelle. „Oben hat man ein Grab aus alemannischer Zeit gefunden. Ein Mann und seine Söhne. Die wurden offenbar im Kampf erschlagen“, erzählt der Archivar.

Immer wieder reizvolle Aussichtspunkte: Zur Donau hin fallen die Felswände steil ab

Inzigkofer Grotten: Die spannenden Felsformationen sind Auswaschungen von Massenkalken und vor etwa 150 Millionen Jahren entstanden

Wie spazieren gehen durch ein Gemälde: FlussAuen, Äcker und Felder zeichnen ein abwechslungsreiches Bild. Auf dem Weg durch den Park tun sich Aussichten wie diese immer wieder überraschend auf

INFO & SERVICE

îLage: Inzigkofen liegt am südwestlichen Rand der Schwäbischen Alb im Naturpark Obere Donau, ca. drei Kilometer westlich der Kreisstadt Sigmaringen. îFürstlicher Park Inzigkofen: Das 25 Hektar große Parkgelände ist im Besitz der Hohenzollern, wird aber vom Schwäbischen Albverein Inzigkofen betreut. Für Spaziergänger ist der historische Landschaftsgarten auf eigene Verantwortung frei zugänglich. Parkmöglichkeiten gibt es bei der „Römerhalle“ und beim „Friedhof“ (Fußweg 5 Minuten) îAuskünfte zu Führungen, Museen und Einkehrmöglichkeiten bei der Gemeindeverwaltung, Tel. 0 75 71/7 30 70, www.inzigkofen.de; unter dem Punkt „Tourismus/Fürstlicher Park“ kann man den Flyer zum Park herunterladen.

Wie sieht es hinter der nächsten Ecke aus? Die Antwort ist immer gleich: überraschend anders

Damals war der Berg noch nicht so zugewachsen. Fest angestellte Gärtner und zahlreiche Hilfskräfte pflegten im 19. Jahrhundert die „Fürstlichen Anlagen“ von Inzigkofen. Mit allen romantischen Plätzen und aufregenden Stellen: „Hier neben der Teufelsbrücke, von dem kleinen Felsvorsprung aus, sind die Besucher früher über die Himmelsleiter in die Tiefe der ‚Höll‘ gestiegen.“ Da runter? Kaum zu glauben. Die Leiter muss eine Art Klettersteig gewesen sein. Deshalb hat die Fürstliche Forstverwaltung dem Abenteuer inzwischen ein Ende bereitet. „Das war viel zu gefährlich.“ Ohne die stetige Pflege der Wege durch den Schwäbischen Albverein aus Inzigkofen wären bis heute einige Passagen eine echte Herausforderung. Stabile Holzstege mit Geländern führen an steilen Felsen entlang. Der Abstieg zu den Grotten ist nur über befestigte Treppen zu erreichen.

Am Schluss hinauf zum „Känzele“

Steil, aber lohnenswert: Denn hier macht der Spazierweg hochinteressante Kurven um Felsvorsprünge und durch Steintorbögen hindurch. Oben hat der Enkel der Fürstin, der spätere Fürst Karl Anton von Hohenzollern, einen atemberaubenden Blickpunkt gebaut: Das „Känzele“ ist ein Platz in schwindelnder Höhe über der Donau. Wer hier steht, kann das ganze Panorama über die Degernau bis zur Ruine Gebrochen Gutenstein genießen. Allerdings erst seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Davor diente der Park allein der fürstlichen Familie als „grüner Salon“. Fürst Karl Anton öffnete die von ihm in den 1840er-Jahren erweiterte Anlage seiner Großmutter. Seitdem ist „jedem ordentlichen Menschen das Lustwandeln in den hiesigen Anlagen gestattet“. Auch ohne Rock und Schirmchen. STEFANIE BÖCK

Die Hängebrücke über die Donau führt seit 2019 die beiden Parkteile wieder zusammen. Früher war das andere Ufer nur per Boot oder ab 1940 über einen Steg zu erreichen, der einem Hochwasser zum Opfer fiel

Tipp: der Kloster-Felsenweg

Wer Lust hat auf eine längere Wanderung, dem sei der zertifizierte Kloster-Felsenweg empfohlen. Neben dem Fürstlichen Park Inzigkofen mit Kloster, Amalienfelsen, Hängebrücke und der sagenumwobenen Teufelsbrücke über die Höll-Schlucht gibt es zahlreiche Gesteinsformationen zu bestaunen, die sich überall in der Landschaft finden. Immer wieder erhascht man schöne Blicke auf die malerische Auenlandschaft der Donau, die auf der ersten Hälfte der Rundtour ein ständiger Begleiter ist. Startpunkt ist die Turnhalle in Sigmaringen-Laiz (an der Donau). Einkehren kann man im Parkstüble Inzigkofen (www.parkstueble-inzigkofen.de). Wegbeschreibung: www.oberschwabentourismus.de/touren (Kloster-Felsenweg) oder auf www.wanderinstitut.de. Länge 12,6 km; Hm: 555 m; Dauer: 4,20 h

FOTOS: AdobeStock/Joachim, AdobeStock/Volker Loche (2), AdobeStock/Klaus Brauner; Karte: Sierk Schmalzriedt

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