GESELLSCHAFT & MENSCHEN
BILDUNG IM PUSTERTAL
Spiegelbild der Gesellschaft Um die Chancen und Herausforderungen in der Bildungsarbeit, um die Stärkung des Ehrenamtes und das miteinander im Gespräch bleiben ging es Anfang September in einer offenen Dialogrunde in der Bibliothek Toblach. Der Bildungsweg Pustertal – Bezirksservice Weiterbildung hat Vertreterinnen und Vertreter der Bildungsausschüsse und Gemeinden, vom Amt für Weiterbildung sowie Landesrat Philipp Achammer zu einem Austausch rund um die Bildung eingeladen. „Wo der Schuh drückt“ in den Gremien, die sich für Bildung und Kultur engagieren, aber auch was momentan schwierig ist und was gut funktioniert im Zusammenleben und in der Zusammenarbeit, das wollte man wissen. In Dialog darüber wollte man treten mit dem Bildungs- und Kulturlandesrat, in runden Tischen, bei denen sich die Themen und Fragen bei jeder Runde mehr in die Tiefe schraubten. Das übergreifende Gesprächsthema hieß an allen vier Tischen:
“Chancen und Herausforderungen in der Bildungsarbeit.” Durch mehrfaches TischWechseln der TeilnehmerInnen wurde das vorher Besprochene resümiert und weiter vertieft. Die Kraft der Gruppe ermöglichte es den einzelnen Teilnehmerinnen und Teilnehmer für sich selber Dinge einzuordnen und auch den unterschiedlichen Kontext zu erkennen. Gastgeberin des ersten Gesprächskreises war Ulrike Spitaler vom Amt für Weiterbildung. Sie brachte die Diskussion in Gang über die Frage “Was brauchen wir für Bedingungen, damit der Bildungsausschuss gut arbeiten kann?” Das Ergebnis war eindeutig, es braucht die Mitarbeit von Menschen, die gut im Dorf vernetzt sind. Persönliche Kontakte sind die beste Möglichkeit, um Menschen dazu zu motivieren, sich zu engagieren und mitzumachen. Die Zusammenarbeit mit Vereinen erleichtert die Arbeit und fördert das Verständnis füreinander und für die jeweiligen Aufgaben. Wichtig dabei und unbedingt zu pflegen sind die Kontakte zu Bib-
Bildungsreferent Philipp Achammer: Gegen das Auseinanderdriften der Gesellschaft ankämpfen.
liothek, Gemeinde und Schule sowie die Unterstützung durch die Bezirksservicestellen.
BILDUNGSFERNE SCHICHTEN
Als Gastgeberin der zweiten Runde begrüßte Irmgard Pörnbacher vom BIWEP und Leiterin des Bezirksservice Weiterbildung die Teilnehmer an ihrem Tisch. Erörtert wurde ein Thema: “Bildungsferne Schichten – Inwieweit können sie als eine Chance gesehen werden, um neue Ideen zu entwickeln?” Eifrig tauschte sich die Gruppe über den Begriff “bildungsfern” aus, zu abwertend und Distanz schaffend zwischen den Menschen, das war für alle klar. Es sollen – ganz im Gegenteil – Grenzen aufgehoben und die Menschen dort abgeholt werden, wo sie sind. Je-
BILDUNGSAUSSCHÜSSE ALS LOKALER PULS Wenn von Kultur- und Bildungsarbeit die Rede ist, dann fallen uns zumeist die großen landesweiten Institutionen oder Einrichtungen ein. Doch Kultur- und Bildungsarbeit findet nicht nur im Großen statt, im Gegenteil. Sie lebt genauso vielfältig in unseren Dörfern. Insbesondere dort gilt für die Bildungsarbeit: Sie muss nah bei den Menschen sein, um Bildung auf breiter Basis bewusst zu machen. Ein zentrales Motiv beim Austauschtreffen der Vertreterinnen und Vertreter der Bildungsausschüsse und der Gemeinden aus dem Pustertal war daher die Wichtigkeit von persönlichen Begegnungen und Kontakten. Gerade der Austausch vor Ort ist entscheidend: erstens um ein Gespür dafür zu behalten, welche dorfspezifischen Themen den Menschen unter den Nägeln brennen, zweitens um Akteure stärker untereinander zu vernetzen sowie Kräfte zu bündeln, und drittens um die unterschiedlichsten Charaktere innerhalb einer Dorfgemeinschaft zu erreichen. 20
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Seit nunmehr knapp vierzig Jahren leisten die rund 136 Südtiroler Bildungsausschüsse dahingehend eine entscheidende Grundlagenarbeit, ausgehend von Voraussetzungen, die nicht überall gleich sind. Ein Umstand übrigens, der Chancen birgt. Denn so verschieden die Voraussetzungen sind, so unterschiedlich und reichhaltig ist auch das Angebot in den jeweiligen Orten. Eines ist den Bildungsausschüssen aber gemeinsam: Auf der Basis der Vereine koordinieren und verbessern sie die Weiterbildungsangebote in den Dörfern; sie sind Impulsgeber, setzen Initiativen und tragen landauf und landab zur Stärkung der Dorfgemeinschaft bei. Und wer meint, in unseren Dörfern wäre die Bildungsarbeit weniger vorwärtsgewandt als in den Städten, der tut ihr unrecht. Denn: Die Bildungsausschüsse vor Ort fühlen den lokalen Puls, leisten Vernetzungsarbeit und schließen Lücken, sie greifen Themen auf, die ansonsten nicht aufgegriffen würden. Als „Struktur im Schatten“
leisten die Bildungsausschüsse mit ihren ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern somit eine außerordentliche Arbeit: Sie stiften lokale Gemeinschaft und bauen Brücken hin zu einem gelingenden Zusammenleben in unserer Gesellschaft. Und ja, die Bildungsausschüsse sind gefragter denn je. Gerade in der derzeitigen Corona-Krise, die sich zu einer Gesellschaftskrise entwickelt hat, gilt es, die Gemeinschaft in einem Dorf – diese Mikroeinheit der Demokratie – immer wieder aufs Neue zu pflegen und sie bei anstehenden Herausforderungen zu begleiten. Eine Unterstützung dieser ehrenamtlichen Arbeit in den Bildungsausschüssen in organisatorischer und pädagogischer Hinsicht ist daher zweifellos eine gute Investition in die Zukunft, persönlich wie für die ganze Gemeinschaft, aber auch, um Solidarität auf Dorf- und Bezirksebene gedeihen zu lassen. // Philipp Achammer