Die Lebenskompetenzen müssen gestärkt werden Das Leben ist kein Zuckerschlecken, heißt es hinlänglich, und wir müssen unseren Kindern und Jugendlichen die nötigen Werkzeuge mitgeben, um ihr Leben möglichst gut meistern zu können. Längst ist das allerdings nicht nur mehr reine Elternsache, auch die Schulen sind gefordert. „Lebenskompetenzen“ heißt das Schlagwort auf dem alles fußt und das sich immer mehr als unabdingbar herauskristallisiert für einen guten Umgang mit uns selbst, mit unseren Mitmenschen und mit den Problemen im alltäglichen Leben – und so gesehen auch im Schulalltag. Das sich dem Ende zuneigende Schuljahr – nicht zuletzt auch nach zwei Jahren Pandemie, welche viele Problematiken noch verstärkt hat – ist ein guter Zeitpunkt zu reflektieren, wo wir in Südtirol diesbezüglich stehen, welchen Stellenwert das Erlernen von Lebenskompetenzen einnimmt und von Judith Steinmair welchen Mehrwert es schaffen kann.
D
as Ziel der Schule sollte es immer sein, harmonische Persönlichkeiten und nicht Spezialisten zu entlassen, gab sich schon Albert Einstein seinerzeit überzeugt. Und fürwahr, heutzutage kann die Schule wohl nicht mehr lediglich als ein Ort verstanden werden, der zur Vermittlung von Arbeitstechniken, Faktenwissen und Fertigkeiten dient, sondern sie ist darüber hinaus ein Ort der Begegnung, an dem soziales Lernen und Wertevermittlung stattfinden. Schule heute muss den Kindern die Möglichkeit bieten, sich zu lebensfähigen, kreativen und kritikfähigen Persönlichkeiten zu entwickeln. Und zu glücklichen. Denn eines gilt mittlerweile ebenfalls als gesetzt: Glückliche Schülerinnen und Schüler sind kreativer, motivierter und lernen schneller. Und so wächst die Überzeugung, dass die Schule auch den Zweck erfüllt, Le-
benskompetenz, Lebensfreude und Persönlichkeitsentwicklung zu fördern und diese auch im Schulalltag zu realisieren. Immer häufiger treten deshalb Forderungen nach einem „Schulfach Lebenskompetenz“ auf, Südtirol macht da keine Ausnahme. Und tatsächlich gibt es so etwas auch. Unter dem Namen „Schulfach Glück“, in Deutschland und Österreich vielerorts bereits ein fixer Bestandteil des Schulunterrichts, wenden vereinzelte Schulen und Lehrer*innen die Methodik zur Stärkung und Förderung der Lebenskompetenzen auch hierzulande an.
SCHULFACH GLÜCK?
„Die Einführung des Faches Glück klingt vielleicht auf den ersten Blick exotisch, doch bei näherer Betrachtung wird deutlich, dass sie die Hauptaufgabe der Schule als Vorbereitung auf ein gelingendes Leben erfüllen
SOZIALES & GESUNDHEIT TITELTHEMA
ZUKUNFT SCHULE
soll. Glückliche Schüler streiten weniger, sind kreativer, lernen leichter und wissen, worauf es im Leben ankommt“, so der Begründer des „Schulfachs Glück“, Ernst FritzSchubert, der im Jahre 2007 als Oberstudiendirektor das Projekt initiierte. Mittlerweile ist das Fritz-Schubert-Institut in Heidelberg eine renommierte Größe, an die 100 Schulen in Deutschland, weitere in Österreich, der Schweiz und in Italien haben sein Modell bisher aufgegriffen, über 500 Lehrer*innen wurden am Institut ausgebildet (Stand 2018). Aber kann man Glück tatsächlich erlernen? Und was bringt’s? Und ist das denn nun wirklich Aufgabe der Schule? PZ-Redakteurin Judith Steinmair hat bei Expertinnen, Experten, Lehrkräften und politischen Vertretern sowie diversen Verantwortlichen nachgehakt.
IM GESPRÄCH MIT ESTHER EDER
Die Brunecker Grafikdesignerin unterrichtet an der Berufsschule Johannes Gutenberg in Bozen und ist ausgebildet im „Schulfach Glück“ am © Fritz-Schubert-Institut in Heidelberg. PZ: Was ist dieses Schulfach Glück denn nun genau? Esther Eder: Im Prinzip geht es dabei um Lebenskompetenzen, sprich um Empathie, Toleranz, Resilienz, Selbstwirksamkeit, Selbstreflexion, Selbstregulierung, Wertschätzung und um Achtsamkeit. Oder kurz gesagt: Die Schüler*innen lernen, die sogenannte Selbstkompetenz zu schulen, die Kompetenz mit sich selbst gut umzugehen.
Man kann Glück also lernen? Ja durchaus! Im „Schulfach Glück“ lernen Schüler*innen eigene Stärken und Fähigkeiten zu erkennen und zu trainieren, jedoch auch Schwächen anzunehmen, was grundlegend ist, um das Leben selbstwirksam gestalten zu können. Sie lernen Verantwortung für das eigene Glücklichsein zu übernehmen, Konfliktfähigkeit zu erwerben und ein Gesundheitsbewusstsein
in körperlicher und seelischer Hinsicht zu entwickeln. Rund um Fragen wie „Wer bin ich? Was brauche ich? Was kann ich? Was will ich?“ lernen sie ihre Träume und Bedürfnisse kennen, formulieren daraus Ziele und suchen nach Wegen, um sie zu verwirklichen. Gleichzeitig erfahren sie aber auch, dass das Leben nicht nur aus Glücksmomenten bestehen kann, sondern uns auch vor Herausforderungen stellt, die es >> PZ 11 | 1. J U N I 2022
5