Suche und finde Kunst im öffentlichen Raum, Folge 28: Benedikt König, Grabmal Friedrich von Flotow, 1884 TEXT: THOMAS GEORG BLANK | FOTO: NOUKI EHLERS, NOUKI.CO
Ein umzäuntes Quadrat mit mehr oder minder kontrolliertem Bewuchs – und mittendrin eine seltsame Szene aus Stein und Metall: Auf einem zum Eingang gewordenen Riesensockel thront das Antlitz des Grabbewohners und Komponisten Friedrich von Flotow.
Immerhin wird sie bis zum heutigen Tag aufgeführt.
Unter seinem ernsten Gesicht befindet sich eine aus Marmor gearbeitete Frauenfigur, deren rechter Fuß bereits auf der Schwelle ruht und deren Hand gerade dabei ist, die Tür zu öffnen. Wer ist dieser Gast? Vielleicht handelt es sich bei der Figur um die Verkörperung von Flotows Erfolgsoper „Martha“. Dieses Musikstück war Mitte des 19. Jahrhunderts ein gigantischer Erfolg und für eine Weile die meist gespielte Oper der Welt. Doch während ihr Schöpfer sich bereits im Reich der Toten hinter der Tür befindet, weilt die steingewordene Chart-Stürmerin noch auf der Seite der Lebenden.
Dem Bildhauer Benedikt König ist mit dieser Szene ein berührendes und vieldeutiges Bild zum Tod gelungen, welches das Verhältnis von Autor:innen und ihren Werken auf wunderbar unaufgeregte Weise thematisiert. Leider sind Bilder, die den Tod begleiten, nicht immer so poetisch und friedlich. Das liegt vor allen Dingen daran, dass bei Weitem nicht jeder Tod so ausgiebig beschmückt und be trauert werden kann wie jener des Komponisten Friedrich von Flotow. Den polaren Gegensatz bilden anonyme Massengräber, die jeden Tag irgendwo auf unserem Planeten aus verschiedenen Gründen ausgehoben werden. Derzeit leider viel zu häufig in der Ukraine und anderen von Krieg und Kämpfen erschütterten Ländern. Die Aussage, dass der Tod alle Menschen gleichmacht, scheint mit Blick auf diesen Sachverhalt eine hohle Phrase zu sein. ❉
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