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Forschungsprojekt „DeTox“ gegen Hate Speech 62

Gerade, wenn Sie diesen Vergleich zu anderen Forschungsteams und Projekten haben – was ist da bei Ihnen anders oder besonders?

Das Besondere ist die Zusammenarbeit mit den Anwendern, also Hessen3C. Viele sind eben sehr theoretisch an diesen Sachen interessiert und entwickeln Methoden. Das tun wir natürlich auch, aber wir gucken, was genau man mit den Ergebnissen dann machen kann. Und eine weitere Besonderheit ist auch immer noch die Arbeit mit der deutschen Sprache. Ganz viele Methoden sind für die englische Sprache entwickelt; das mit der deutschen Sprache fängt erst an. Im Wissenschaftsbereich wartet man dringend auf unsere Daten.

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Bei solchen Technologien muss ich unweigerlich auch an dystopische Zensur-Softwaren von autoritären Diktaturen denken, die das Internet durchscannen. Wo ist der Unterschied dazu?

Bei unserem Werkzeug ist es so, dass die Kommentare gemeldet werden von Bürgern, denen diese aufgefallen sind. Und erst diese gemeldeten Sachen werden dann vorklassifiziert. Das heißt, es gibt jetzt keinen Crawler, der die ganze Zeit irgendwo durchs Netz geht.

Und es wird ja auch nichts gelöscht.

Es wird nichts gelöscht. Doch ein Problem, was ich sehe, ist, dass Unternehmen wie Facebook ja schon automatische Filter haben. Ich finde, für unsere Gesellschaft ist es nicht richtig, dass die Firmen darüber entscheiden, was Meinungsfreiheit ist und was nicht. Für unsere Gesellschaft wäre es wichtig, dass wir als demokratische Gesellschaft darüber entscheiden – das ist keine Firmenangelegenheit. Deswegen ist es wichtig, dass wir an diesen Sachen arbeiten.

Wo sehen Sie eine Lösung, diese Verantwortung wieder weg von den Firmen hin zu der Gesellschaft und der Politik zu ziehen?

Zunächst einmal gibt es ja das Netzwerkdurchsetzungsgesetz und das beinhaltet seit Kurzem auch, dass die Firmen eigentlich weitergeben müssen, was sie gelöscht haben. Und das finde ich ganz wichtig. Im Moment wissen wir nicht, was die Firmen gelöscht haben. Das heißt, wir können weder beurteilen, ob die Unternehmen übertreiben, noch können wir etwas strafrechtlich verfolgen. Es kann ja auch sein, dass da wirklich gefährliche Sachen gelöscht worden sind, und wir als Gesellschaft wissen nichts davon. Es geht also in beide Richtungen; wir dürfen das nicht einfach irgendwelchen Firmen überlassen. Und letzten Endes sind Bedrohungen, Beleidigungen oder Diskriminierungen ja das Gegenteil von Meinungsfreiheit. Wir hatten gerade den Fall, dass jemand eine politische Äußerung zur Impfpflicht getätigt hatte und anschließend bombardiert wurde mit Bedrohungen und Beleidigungen. Der Grund dafür ist, dass man die Person mundtot machen will – und das ist eine Einschränkung der Meinungsfreiheit. Das geht natürlich nicht, das müssen wir unterbinden.

Mehr Infos und ein Online-Vortrag zu „DeTox“ unter: projects.fzai.h-da.de/detox ❉

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Zum nächstmöglichen Zeitpunkt suchen wir eine pädagogische Fachkraft (w/m/d) in Voll- und/oder Teilzeit für neue Integrationsfachkraftstunden

Als freier Träger der Kinder- und Jugendhilfe und vom Land Hessen gefördertes Familienzentrum sind wir ein „Ort für Alle“, wo „Alltag und Krise unter einem Dach“ Platz haben und willkommen sind. In unserer Kita mit zwei Krippen- und zwei Kindergartengruppen, bilden Naturerfahrung & Bewegung, Gesundheit, Miteinander & Kreativität, sowie vor allem die Erkenntnisse der Bindungstheorie, die Säulen unseres Konzepts. Wir arbeiten gerne mit Menschen zusammen, die unser Haus mit ihren Qualitäten und ihrer Individualität bereichern möchten: Menschen, die es erfüllt, Kinder und Familien beim Wachsen zu begleiten, die Lust haben auf Herausforderungen und auch gerne über den Tellerrand schauen, die sich einbringen und in einer Gemeinschaft weiterentwickeln möchten. Als lebendige Organisation verstehen wir uns als (Bildungs-) Ort für alle - egal in welcher Rolle und mit welcher Aufgabe: gemeinsam gestalten wir Lebens- und Arbeitsräume des Austausches, des Wachstums und der Begegnung auf Augenhöhe. Wir freuen uns auf neugierige Fragen und/oder eure Bewerbungsunterlagen an: Menschenskinder - Werkstatt für Familienkultur e.V. Anne Schaefer und Manuela Puskeiler • Siemensstr. 3a • 64289 Darmstadt Telefon: 06151-780 80 46 • kita@menschenskinder-darmstadt.de

»LEUTE, BESUCHT KONZERTE!«

Hörspiel mit Torsten Lieberknecht

MUSIKAUSWAHL + TEXT: MATHIAS HILL | FOTO: NOUKI EHLERS, NOUKI.CO

Heimischen Fußballfans muss man unseren aktuellen „Hörspiel“-Gast gar nicht vorstellen: Der zuvor schon (lange) in Braunschweig und (nicht ganz so lange) in Duisburg tätige Fußballlehrer Torsten Lieberknecht führte den SV 98 seit Beginn der laufenden Saison trotz des Weggangs von Leistungsträgern und trotz zahlreicher Corona-Ausfälle in ungeahnte spielerische und tabellarische Höhen. Aber auch Musikaffine könnten den unkomplizierten Pfälzer, dessen Vertrag bei den Lilien gerade bis Juni 2025 verlängert wurde, schon in hiesigen Plattenläden oder Clubs gesichtet haben – ist er doch ein riesiger Rock- (und Soul-)Fan mit einer ebenso riesigen Plattensammlung. Um diesen zwei Seiten gerecht zu werden, fing unser Hörspiel diesmal auch anders an als sonst ...

So, Torsten, wir machen's heute wie bei der Platzwahl: Es gibt zum einen Fußballlieder zu hören, zum anderen Songs, die mehr an den Musikliebhaber in Dir gerichtet sind. Und in der Halbzeit gibt's natürlich Pausenmusik. Also:

Fußball oder Musik zuerst? Kopf oder Zahl?

Torsten: Kopf!

Die Münze entscheidet sich anders ... also geht es mit den Fußballsongs los.

Bruce Springsteen „London Calling“ Der große amerikanische Songwriter ist hier sehr englisch unterwegs – anlässlich seines Konzerts im Hyde-Park 2009.

Hmm ... Clash!

Ja, richtig, das ist „London Calling“ von The Clash. Aber die Frage ist bei dieser Live-Version viel eher: Wer singt's?

Nun ... das ist Bruce, der Boss.

Bruce ist also bei Dir – wie bei vielen seiner Fans – immer gleichbedeutend mit „The Boss“. Ist Bruce Springsteen für Dich ein musikalischer Fixstern?

Nun ... der Bruce ist immer ein Wegbegleiter gewesen und eigentlich auch mein Favorit. Aber ich mag eher die alten Sachen, denn die Stimme ist mittlerweile nicht mehr die, die ich gewohnt bin. Am besten war er in den Zeiten von „Darkness on the Edge of Town“ und „Born in the U.S.A.“. Ich hab aber so oder so alle Platten von ihm.

Die neueren hört man dann aber eher pflichtschuldig, oder?

Das nicht ganz. Die letzte hat mich sogar sehr überrascht, mit Anklängen an die E-Street-Band-Zeit, mit viel Saxofon. Abgesehen davon haben mich die neuen aber nicht mehr geflasht.

Zum Fußball: Kann es sein, dass es irgendwann mal bei den Lilien heißt „Liverpool Calling“?

Dimo Wache [Torwarttrainer der Lilien] und ich hatten im vergangenen Jahr Kontakt zum „Kloppo“ [dem Liverpool-FC-Trainer Jürgen Klopp], mit dem wir früher ja bei Mainz 05 lange zusammengespielt haben. Es gab da mal so eine Idee: Kurz-Trainingslager im Winter auf dem Gelände des FC Liverpool ... aber das wurde wegen Corona nicht weiter verfolgt. Generell gesagt: Mal Dinge zu machen, die für Profi-Clubs „außer der Norm sind“, das interessiert mich – ... und vielleicht auch den einen oder anderen Fan.

Die Deutsche Fußball-National- mannschaft von 1974 „Fußball ist unser Leben“ Wenn man Weltmeister werden will, muss man auch mal so richtig einen schmettern ... in diesem Fall einen waschechten Gassenhauer und Evergreen.

Ich liebe ja traditionelle Fußballlieder.

Dann kannst Du dieses hier ja sicherlich zuordnen?

Nun, da singt sicher noch Franz Beckenbauer mit. Dann ist das die Fußball-Nationalmannschaft vor der WM ... hmmm ... 1974?

Ja, richtig.

Ich bin damit groß geworden! Mein Vater und meine großen Brüder ... alle haben Fußball gespielt. Da wurden diese Songs immer gesungen, das nimmt man als kleiner Bub dann auch auf.

Kann man den Song heute noch genauso leidenschaftlich singen wie 1974?

Es ist Ansichtssache, wie man zum Fußball steht. Ich kann nur sagen: Er ist mein Leben und das Leben der Fußball-Großfamilie Lieberknecht.

Und wenn man an eine WM in Katar denkt?

Das ist nicht das, was ich brauche. Auch wenn ich in dem System gefangen bin, muss ich ja nicht alles gutheißen und habe auch eine klare Meinung zu diesen Sachen.

Juli „Geile Zeit“ Der Radio-Pop-Hit der Gießener von 2004 ist vielleicht nicht unbedingt Torstens Lieblingssong, aber darauf kommt's diesmal auch nicht unbedingt an.

[Torsten hört aufmerksam zu]: Hm ... Silbermond?

Nein ... aber so ähnlich, das sind Juli, mit „Geile Zeit“.

Das verbind' ich aber nicht mit Fußball ...

Der Song ist auch eher ... hüstel ... mein Aufhänger für die Frage: Was wären für Dich Kriterien, damit man am Ende einer Saison sagen kann: „Das war 'ne geile Zeit!“? Oh Mann! Super-Überleitung, oder?

[Torsten holt tief Luft]: Ich finde es wichtig, dass sich während der Saison ein Gefühl entwickelt – oder anders gesagt: Wir sind hier in Darmstadt ein relativ kleiner Fußballstandort, wo die Identifikation und Fannähe total wichtig sind. Wenn das gelingt und der sportliche Erfolg dann noch „over the top“ ist, dann ist das das I-Tüpfelchen. Aber der Gradmesser ist, dass sich die Menschen in der Stadt mit der Mannschaft identifizieren und dass die Mannschaft als authentisch wahrgenommen wird. Dann war's eine geile Zeit!

Das ist ja in diesem Jahr im Prinzip erreicht.

Natürlich will ja jetzt jeder auch diesen sportlichen Traum verfolgen – was immer das am Ende heißen soll. Was mir aber wichtiger ist: Bei einem kleinen Verein, der die Lilien sind, da brauchen die Leute was zum Anfassen.

Soundexpress „Wir, wir, wir sind die Eintracht“ Klassischer Aschenbahn-Hit aus Braunschweig, der anno 1988 auch noch zünftig als Vinyl-Single veröffentlicht wurde.

Ja, in Braunschweig haben sie viele Fußball-Songs. Und bei diesem ist es so: Wenn 24.000 Leute im Stadion die Zeile mit Maradona singen („Selbst wenn sie Maradona bringen,

schießen wir ein Tor mehr“), in völliger Ekstase, dann sind das Gänsehaut-Momente! Die Jahre in Braunschweig waren für mich eine wahnsinnig emotionale Zeit – die mich in die Erste Liga geführt hat und am Ende leider auch wieder zurück in die Dritte Liga ...

... und wir Lilien waren die Nutznießer (und konnten auch aufgrund der Niederlagen der Eintracht in einem knappen Saisonfinale die Klasse halten).

Stimmt, in gewisser Weise ja. Es gibt auch einen Podcast über meine Zeit bei Eintracht Braunschweig. Wir haben darin die Zeit Revue passieren lassen und mussten uns über zwei Tage treffen, weil es so viel war, an das man sich wieder erinnerte. Am Ende dauerte der sieben Stunden! Durch diesen Podcast konnte ich auch unglaublich viel verarbeiten.

Und musikalisch?

Die musikalische Begleitung ist ähnlich wie in Darmstadt und hat ein ähnlich hohes Niveau. Es gibt viele identitätsstiftende Songs über den Verein. Und die Bands und Projekte ... Zum Beispiel Jazzkantine oder Such A Surge, die kommen alle aus Braunschweig! Es gibt dort eine hoch angesehene Musikszene. Eins meiner Lieblings-Braunschweig-Lieder ist übrigens „Herr Ober, ein Wolter-Bier bitte“ ... da steh' ich ja drauf! Und hier in Darmstadt hast Du ja auch die ganze Bandbreite von „Die Sonne scheint“ bis „Allez les bleus“. Ich war auch mal beim Gerald Wrede im Plattenladen („Musik als Hilfe“), da bekam ich Einblick in die heimische Musikszene.

Die erste Halbzeit ist vorbei, wir sind jetzt bei der Pausenmusik angelangt. Gerald Wrede „Ich glaube an den SVD“ Nachdem der zufälligerweise eben schon vom Trainer Erwähnte einen Liliensampler veröffentlicht hatte, legte Gerald Wrede im Jahr 2001 auf dem Label „Lilien Kämpfen Schlappner Raus“ mit einem Glaubensbekenntnis der besonderen Art nach – „Ich glaube an den SVD, denn dieser Glaube ist okee!“

[Torsten nach wenigen Takten]: Da sind wir doch beim Wrede, oder? Hat was von Kraftwerk. Oder La Düsseldorf. Ich weiß nicht, ob ich ihm damit weh tue ...

Ach, das wird er verkraften. Er hat auch mal vor zig Jahren einen CD-Sampler für die Lilien rausgebracht, als es denen nicht so gut ging. [Titel des Meisterwerks: „22 Sahnefilets in Blau Weiss“.]

Ja, kenn' ich. Bei dem Song über Luděk Macela dachte ich sofort an unseren Klaus Gjasula [lacht.] [Der eine ein beinharter Verteidiger der 70er und 80er, der andere ein ebenso beinharter Mittelfeldspieler der Jetztzeit.]

Aber in dem Macela-Song heißt es „Der Gegner wurde nachher geschient“, das sollte ich vielleicht besser nicht erwähnen.

Ach, das fällt unter künstlerische Freiheit. Ich hab mich mit dem Gerald im Plattenladen unterhalten und er war sehr kritisch bezüglich des neuen Stadions. Ich find' wichtig, auch mal solche Stimmen zu hören, von Leuten, die nicht mehr ins Stadion gehen, weil es ihnen nach dem Umbau dort nicht mehr gefällt. Ich sehe es etwas anders. Ich finde es in Darmstadt nicht anonym, denn es ist wichtig, dass der Standort erhalten bleibt. Und du darfst NIE die Basis verlieren –

... dass Du als Profi nur noch den Spieltag „abarbeitest“ und nicht mehr die Leute an der Lilienschänke oder auf dem Parkplatz triffst. Aber wenn du so ein richtiger Traditionalist bist, dann ... kann ich das auch verstehen.

Das ist auch eine Gemeinsamkeit Deiner bisherigen Trainer-Stationen, oder?

Braunschweig und Darmstadt sind sich schon ähnlich. Aber in Duisburg wohnen 500.000 Leute, das war eher anonym alles. Im Ruhrgebiet kannst du in der Anonymität verschwinden. Deshalb war es in Duisburg total schwer, ein »Gerald Wrede ist Gefühl für die Stimmung zu bekommen. Bei Darmstadt die Mischung aus dachte ich mir, als ich mich mit dem Angebot auseinandergesetzt habe: Stadtgrö-

Kraftwerk und ße, Clubgröße, die Erfahrungen, die ich als gegnerischer Helge Schneider!« Trainer im Bölle gesammelt habe – das könnte klappen! Ich saug' auch extrem viel Energie auf durch kleine Gespräche in der Stadt.

Ich erlebe das ja so, dass viele Lilien-Fans hin- und hergerissen sind und vielleicht gar nicht in die Erste Liga aufsteigen wollen, sondern stattdessen von Duellen in der Regionalliga schwärmen.

Nun, ich seh' es so: Wenn man in die Erste Liga aufsteigt, hat man mindestens zwei Jahre länger oberhalb der Dritten Liga sicher. Den Widerstreit der Gefühle kenn' ich auch aus Braunschweig. Ich kann aber auch Fans verstehen, die sagen: „Ich lieb meinen Club, aber das – Erste Bundesliga – brauche ich nicht.“ Jetzt hab ich's übrigens: Gerald Wrede ist die Mischung aus Kraftwerk und Helge Schneider!

Black Pumas „Colors“ So, die zweite Halbzeit beginnt, und die Musik steht ab jetzt im Vordergrund. Los geht's gleich mal mit einer hochdekorierten, kraftvollen Soul-Band!

[Torsten sofort]: Black Pumas!

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