marie 54/ November 2020

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Mittendrin in V

„Wir haben einen Traum!“ Ende 2015, Anfang 2016 flüchteten viele junge Männer nach Vorarlberg. Der Syrienkrieg war mit aller Grausamkeit im Gange. Mahdi Hassani (20) und Jelani Naseri (20) sind zwei Jugendliche, die aus ihrem Heimatland Afghanistan geflohen sind. Wie geht es ihnen heute, fünf Jahre nach ihrer Ankunft in Österreich? Wie hat sich ihr Leben verändert? Und was sind ihre Zukunftsvisionen?

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Text: Daniel Furxer, Fotos: Daniel Furxer, privat

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Jelani malte das Bild für seine Mama.

ch wollte die fremde Sprache von Anfang an verstehen. Ich war neugierig, was die Menschen reden. Darum habe ich sofort einen Sprachkurs im Haus Said besucht.“ Mahdi Hassani spricht in fast fehlerfreiem Deutsch, einige Dialektwörter mischen sich wie zufällig in seine Sätze. „Ich habe nie auf den positiven Bescheid gewartet. Ich habe mir gedacht: Was kann ich jetzt im Moment machen? So habe ich begonnen, mir Ziele zu stecken.“ Sein erstes Ziel war, die deutsche Sprache zu erlernen und in die Schule zu gehen. Bald bekam er die Möglichkeit das BORG Lauterach zu besuchen. Er absolvierte den Pflichtschulabschluss und begann mit einer Lehre als Maler. Mittlerweile ist er im 3. Lehrjahr. „Farben haben mich immer schon interessiert, und wie ich diese mischen kann. Mein Traum ist es, Kunst zu studieren.“ Seine österreichische Mutter, wie er sie nennt, unterstützt ihn dabei. Sie ist selbst Kunstlehrerin. Im Caritas-Haus Said in Bregenz lernte er wichtige Menschen kennen: Margaritha Matt, die damalige Leiterin des Hauses. Und Waltraud Gojo, die gemeinsam mit ihm lernt und ihn in behördlichen Tätigkeiten unterstützt. „Über das Haus Said habe ich auch Marco Ceroli kennengelernt, der mit uns ein Kunstprojekt durchführte, als wir noch kaum Deutsch reden konnten,“ erzählt Mahdi. Die jungen Männer drückten sich durch das Malen großflächiger Bilder aus. Denka Mujkanovic Subasic, in der Gemeinwesenarbeit für geflüchtete Menschen tätig, organisierte die Ausstellung, die erstmals 2018 im Landhaus ausgestellt wurde. Auch Jelani Naseri, der ebenfalls im Haus Said wohnte, nahm an diesem Workshop teil. Er malte das Bild „Mutter mit Kind“. Was für unsere Augen sofort die Assoziation „Maria mit dem Jesuskind“ weckt, sich jedoch anders darstellt: „Ich habe meine Mutter gemalt. Ich kenne sie nur mit einem kleinen Kind auf dem Arm, da ich das Älteste von sechs Kindern bin. Ich habe das Bild für sie zum Muttertag gemacht.“ Jelani lebt erst seit kurzem wieder mit seiner Familie zusammen. Im Zuge der Familienzusammenführung sind seine Eltern und vier Geschwister im August nach Bregenz gekommen. Vier Jahre war er von ihnen getrennt gewesen. Seit Sommer 2016 hat er ein Bleiberecht in Österreich. „Ich suche jetzt Arbeit für meinen Papa und meine Mama, momentan lernen sie Deutsch.“ Er sagt es mit Stolz und mit der Sicherheit, dass das schon alles klappen wird. Denn mit der Arbeit kennt er sich aus.


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