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Wir haben einen Traum

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Rätsellösungen

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Ende 2015, Anfang 2016 flüchteten viele junge Männer nach Vorarlberg. Der Syrienkrieg war mit aller Grausamkeit im Gange. Mahdi Hassani (20) und Jelani Naseri (20) sind zwei Jugendliche, die aus ihrem Heimatland Afghanistan geflohen sind. Wie geht es ihnen heute, fünf Jahre nach ihrer Ankunft in Österreich? Wie hat sich ihr Leben verändert? Und was sind ihre Zukunftsvisionen?

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Text: Daniel Furxer, Fotos: Daniel Furxer, privat

Ich wollte die fremde Sprache von Anfang an verstehen. Ich war neugierig, was die Menschen reden. Darum habe ich sofort einen Sprachkurs im Haus Said besucht.“ Mahdi Hassani spricht „ in fast fehlerfreiem Deutsch, einige Dialektwörter mischen sich wie zufällig in seine Sätze. „Ich habe nie auf den positiven Bescheid gewartet. Ich habe mir gedacht: Was kann ich jetzt im Moment machen? So habe ich begonnen, mir Ziele zu stecken.“ Sein erstes Ziel war, die deutsche Sprache zu erlernen und in die

Schule zu gehen. Bald bekam er die Möglichkeit das BORG Lauterach zu besuchen. Er absolvierte den Pflichtschulabschluss und begann mit einer Lehre als Maler. Mittlerweile ist er im 3. Lehrjahr. „Farben haben mich immer schon interessiert, und wie ich diese mischen kann.

Mein Traum ist es, Kunst zu studieren.“ Seine österreichische Mutter, wie er sie nennt, unterstützt ihn dabei. Sie ist selbst Kunstlehrerin.

Im Caritas-Haus Said in Bregenz lernte er wichtige Menschen kennen: Margaritha Matt, die damalige Leiterin des Hauses. Und

Waltraud Gojo, die gemeinsam mit ihm lernt und ihn in behördlichen Tätigkeiten unterstützt. „Über das Haus Said habe ich auch Marco Ceroli kennengelernt, der mit uns ein Kunstprojekt durchführte, als wir noch kaum Deutsch reden konnten,“ erzählt Mahdi. Die jungen Männer drückten sich durch das Malen großflächiger Bilder aus.

Denka Mujkanovic Subasic, in der Gemeinwesenarbeit für geflüchtete Menschen tätig, organisierte die Ausstellung, die erstmals 2018 im

Landhaus ausgestellt wurde.

Auch Jelani Naseri, der ebenfalls im Haus Said wohnte, nahm an diesem Workshop teil. Er malte das Bild „Mutter mit Kind“. Was für unsere Augen sofort die Assoziation „Maria mit dem Jesuskind“ weckt, sich jedoch anders darstellt: „Ich habe meine Mutter gemalt.

Ich kenne sie nur mit einem kleinen Kind auf dem Arm, da ich das

Älteste von sechs Kindern bin. Ich habe das Bild für sie zum Muttertag gemacht.“ Jelani lebt erst seit kurzem wieder mit seiner Familie zusammen. Im Zuge der Familienzusammenführung sind seine Eltern und vier Geschwister im August nach Bregenz gekommen. Vier

Jahre war er von ihnen getrennt gewesen. Seit Sommer 2016 hat er ein Bleiberecht in Österreich. „Ich suche jetzt Arbeit für meinen Papa und meine Mama, momentan lernen sie Deutsch.“ Er sagt es mit Stolz und mit der Sicherheit, dass das schon alles klappen wird. Denn mit der Arbeit kennt er sich aus.

„Ich wünsche mir Frieden, Frieden zwischen den Menschen, das ist mein größter Wunsch.“

Jelani selbst hat schon als 14-jähriger Bub in Afghanistan als Blumendekorateur gearbeitet. So jung schon einem Beruf nachzugehen ist in seinem Heimatland Normalität. In Vorarlberg hat er neben der Schule mehrere Jobs angenommen. „Ehrenamtlich war ich als Dolmetscher und Begleiter im Krankenhaus Bregenz tätig. Den Menschen helfen, auch ohne Geld, das ist in Afghanistan ganz normal. Ich helfe gerne den Leuten, die meine Hilfe brauchen können“, so Jelani. Sein Traum ist es, ein Import-Export-Geschäft mit Früchten und Nüssen aus Afghanistan aufzubauen. Um dieses Ziel zu erreichen, besucht er die Abend-HAK und macht gerade den Führerschein.

Auch er wird tatkräftig von Menschen unterstützt, denen es ein Anliegen ist, dass diese jungen Männer in Vorarlberg eine Chance haben. Sigrun B. ist für die ganze Familie eine große Stütze und sie haben gerade ein Haus gefunden, in das sie einziehen werden. Auch Waltraud Gojo und Romuald Kopf gehören zu den Helfern, ohne die das Leben sonst nicht so einfach wäre. Tägliche Besorgungen und die Hilfe bei den Ämtern sind genauso wichtig wie Nachhilfe in Mathe und Englisch. „In Vorarlberg hab ich gelernt, pünktlich zu sein. Fleißig zu arbeiten ist mir aus Afghanistan vertraut“, beschreibt Jelani seine Erfahrungen in den letzten Jahren. „Aus Afghanistan bringe ich die Gastfreundschaft mit. Kommt jemand vor 10 Uhr auf Besuch, dann hatte er wahrscheinlich noch kein Frühstück. Dann mache ich ihm ein Frühstück. Kommt jemand zwischen 12 und 14 Uhr, dann bekommt er ein Mittagessen. Kommt jemand um 17 Uhr, dann gibt es bei uns ein Abendessen. So leben wir Gastfreundschaft.“

Mahdi ist ein Sprachentalent, er spricht seine Muttersprache Dari, Arabisch, Englisch, Persisch und Deutsch. „Jetzt will ich Japanisch, Koreanisch oder Russisch lernen.“ „Wenn ich kein Asyl bekomme, dann habe ich zumindest eine Lehre als Maler abgeschlossen und gut Deutsch gelernt. Ich konnte auch viel Lebenserfahrung sammeln“, so Mahdi ohne jeglichen ironischen Unterton. Bisher hat er noch keinen positiven Bescheid bekommen. Langeweile gibt es für ihn nicht. „Wenn ich ein Ziel erreicht habe, dann überlege ich mir ein Neues.“ Manchmal, so gibt er zu, ist es jedoch nicht so einfach zu wissen, was man will. „Aber an einem Ziel dranbleiben, bis ich es erreicht habe, das ist meine Motivation“, so Mahdi. Neues lernen ist sein Lieblingshobby.

Ein Lächeln liegt in seinem Gesicht, wenn er sagt: „Die Menschen, die geflohen sind, haben oft mehr gelernt, als Menschen, die auf der Universität studiert haben. Die Flucht hat mich geprägt.“ Die Lebenserfahrung prägt beide. In ihrem jungen Alter wissen sie ganz genau, wie sie ihr Leben gestalten wollen und sie haben einen Traum. Auch einen für die Gesellschaft: „Ich wünsche mir Frieden, Frieden zwischen den Menschen, das ist mein größter Wunsch.“ Madhi malte beim Kunstprojekt ein großes Peace-Zeichen.

Mahdis Traum ist es, Kunst zu studieren.

Die Wanderausstellung mit Bildern der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge vom Haus Said kann von 3. bis 15. November im Carl Lampert Saal in Göfis besucht werden.

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