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Ich bin ein total neugieriger Mensch

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Patricia Tschallener (39, aus Hohenems) ist seit einem Monat Vizebürgermeisterin von Hohenems. Mit der marie sprach die Bildungsstadträtin über lebenslanges Lernen, italienische Auszeiten im Wohnwagen und ihre vierpfotigen Tagesstruktur-Geber Floh und Lilly.

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Text und Fotos: Christina Vaccaro

Am besten nicht klingeln, sondern anrufen“, schreibt Patricia Tschallener im Mail vor unserem Treffen. Der Grund dafür hat vier Pfoten, gleich zwei Mal: Der zehnjährige Labrador-Belgischer Schäferhund-Mischling Floh und die stürmische dreijährige Lilly „ wedeln freudig hinter der Terrassentür. In diesem blass-ockergrünfarbenen Mehrfamilienhaus im Herrenried ist die grüne Vizebürgermeisterin aufgewachsen. Geboren wurde sie als Tochter einer Innsbruckerin und eines Emser Vaters in Tirol. Auch später führte das Leben die heute 39-Jährige immer wieder aus Vorarlberg hinaus (und wieder zurück). Doch der Reihe nach. „Meine Eltern haben sich im Studium kennengelernt. Da bin ich als Unfall passiert“, erzählt

Tschallener und lächelt dabei. Ihre ersten sechs Lebensjahre verbringt sie in Innsbruck, wobei der

Vater während dieser Zeit teils schon an der Textilschule in Vorarlberg unterrichtet. Pünktlich zur

Einschulung zieht die Familie nach Hohenems. Es folgen Schuljahre in der Volksschule Herrenried und dem BRG Schoren. Als Tschallener zwölf Jahre alt ist, lassen sich die Eltern scheiden. Die Mutter zieht nach Rankweil, sie bleibt beim Vater, da „das räumlich gepasst hat“ – die Schule in Dornbirn, der Badmintonverein in Hohenems, eine Tante in der Nähe. Nach der HLW Rankweil beginnt die junge Tschallener in Innsbruck Wirtschaftspädagogik sowie Italienisch und Spanisch auf Lehramt zu studieren.

Nach dem Studium zieht sie für die Beziehung mit einer Frau in die Nähe von Düsseldorf. Drei

Jahre lebt sie in Deutschland und arbeitet für eine Spedition. Ihre Viersprachigkeit kann sie dort gut gebrauchen, gleichzeitig vertieft sie ihr wirtschaftlich-technisches Wissen. „Schon als Jugendliche haben mich Lkw interessiert, als Kind spielte ich lieber mit Autos als mit Puppen“, erinnert sich die

Politikerin heute.

„Bildung passiert täglich und kann etwas ganz Lässiges sein, nämlich dann, wenn sie auf meine Talente und Interessen angepasst ist.“

Seit jeher viele Ämter

Was sich wie ein roter Faden durch Tschalleners Leben zieht, ist das Tragen von Verantwortung: Klassensprecherin in der HLW, Studienvertreterin auf der Romanistik und Koordinationsleiterin des Ausbildungsschwerpunktes „Logistik & Supply Chain Management“ an der HTL Dornbirn, an der sie seit ihrer Rückkehr 2008 nach Vorarlberg unterrichtet. Auf die Frage, mit welchem Thema sie in die Politik eingestiegen ist, antwortet Tschallener: „Parteipolitik hat mich früher überhaupt nicht interessiert, da bin ich 2014 so hineingerutscht, über einen Bekannten vom Badmintonverein, der bei den Hohenemsern dabei war.“ Sie nimmt an einer Sitzung teil, findet die Gruppe nett, ist die darauffolgenden Monate aber zu beschäftigt, um nochmals hinzugehen. Bis ihr Bekannter wieder fragt. „Es war November 2014 und es ging um die Wahlvorbereitung 2015“, erzählt Tschallener von ihrer zweiten Sitzung bei den Grünen. „Man hat dann gefragt, ob ich nicht auf die Liste gehe und ich habe im Spaß gesagt: ‚Wenn ich nicht auf Nummer Zwei bin, dann werde ich ja nie Vizebürgermeisterin unterm Bernhard Amann.‘ Das war ein Schmäh, eine blöde Klappe. Doch das haben sie ernst genommen und ich habe versucht ihnen beizubringen, ich gehe schon auf die Liste, aber halt irgendwo auf Platz 30...“ Schlussendlich ist Patricia Tschallener auf Platz Drei – und wird auf Anhieb Stadträtin. Ohne großes Thema.

Doch ganz richtig ist das nicht. Denn ein Thema war immer schon ihres, wie sie später im Gespräch selbst sagt: „Ich brenne für Bildung, das Thema begeistert mich.“ Hier hält Patricia Tschallener inne und zu ihrem sachlich-ärmelhochkremplerischen Ton gesellt sich etwas Appellatives. „Bildung passiert tagtäglich und kann etwas ganz Lässiges sein, nämlich dann, wenn Bildung auf meine Talente und Interessen angepasst ist“, sagt sie und ergänzt: „Ich möchte bewirken, dass in der Bevölkerung der Blick wegkommt, der Bildung vorrangig mit Schule verknüpft. Weil mehr oder weniger Menschen nicht unbedingt positive Erfahrungen mit ihrer eigenen Schulzeit verbinden.“ Das beginnt für Tschallener beim spielerischen Lernen mit den Kleinen und geht hoch bis zu Volkshochschulkursen. Es muss aber auch nicht immer ein Kurs sein – wenn Nachbarn sich einander zeigen, wie man etwas macht, gehört das zum lebenslangen Lernen. „Und das ist das, was mir taugt. Weil sich hier jede und jeder individuell weiterentwickeln und selbst einen Spaß dabei haben kann.“

Patricia Tschallener spricht aus eigener Erfahrung. Sowohl beruflich – als Stadtvertreterin widmete sie sich gemeinsam mit dem Bildungsreferat intensiv den Hohenemser Schulen – als auch privat: „Ich bin ein total neugieriger Mensch. Wenn mich ein Thema interessiert, dann forsche ich und lese ich nach und je mehr man sich mit einer Sache beschäftigt, desto interessanter wird sie meistens.“ Zuletzt war so eine Sache das Fagottspiel. Schon als Achtjährige wollte Tschallener das Holzblasinstrument erlernen, damals sagte man ihr, sie sei zu klein. Als sie durch die Ergebnisse der vorletzten Gemeinderatswahl mehr Freizeit zur Verfügung hatte, nahm sie zwei Jahre Unterricht in der Musikschule. Im Moment fehlt jedoch die Zeit zum Üben, weshalb sie pausiert, bis sie wieder mehr Zeit hat.

Dienstzeiten und Auszeiten

Stichwort Zeit. Tschalleners Tage sind gut gefüllt, in erster Linie von ihrem Lehrerberuf und politischen Dienst als Stadträtin, Bodenseerätin, Landessprecherin der Grünen Andersrum und nun als Vizebürgermeisterin mit zahlreichen Sitzungen und Denkarbeiten zuhause. Nebenbei ist sie Obfrau des Badmintonvereins Hohenems und im Vorstand des Camping Club Vorarlberg. >>

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