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Jasons Outdoor-Stammtisch
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Jasons OutdoorStammtisch
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Es ist eine Nachbarschaftsinitiative mit langem Atem – „Ins Haus kommt niemand, höchstens noch aufs Gästeklo, das ist direkt neben dem Eingang“, so beginnt der Herr über die Straßenrunde betont ruppig. Was er aber genau gar nicht ist. Im Gegenteil – „Jason“ Elmar Jussel hat dafür gesorgt, dass mitten im Shutdown die Geselligkeit blüht.
Text und Fotos: Daniela Egger
Mit Beginn des Shutdowns wurde Elmar Jussel, in Feldkirch wohlbekannt als ehemaliger Sportgeschäftsbetreiber unter dem Namen „Jason“, aktiv. Weil er als Pensionist zur Risikogruppe gehört, war er zunächst vorsichtig und schickte einen Kollegen zum Einkaufen. Und weil er gerne kocht und sowieso nicht nur eine Portion kochen kann, hat er die zweite für eben diesen Kollegen zum Mitnehmen gerichtet. So saß man anfangs mit viel Abstand auf der Treppe und es dauerte nicht lange, bis sich mehr und mehr dazu gesellten. Seither trifft sich eine ausgewählte Herrenrunde regelmäßig vor Jasons Haus auf dem Gehsteig. Dort steht ein kleiner Tisch mit Stühlen, ein Überbleibsel seines einjährigen Gastronomie-Abenteuers in der Tostner Eibe. Die Gemütlichkeit geht vom Hausherrn aus und wirkt einladend, auch für nicht Dazugehörende.
Der Zugang zu einer beeindruckenden Anzahl voller Bierkästen in der Garage steht jedem Eingeweihten offen. „Dabei habe ich selten so viel Geld gespart wie in dieser Zeit, trotz dem geschenkten Essen und den Getränken“, berichtet er. „Wir haben uns sonst meistens in irgendeinem Lokal getroffen. Das ist teurer.“ Natürlich bringt immer mal einer einen Kasten Bier mit, oder eine Flasche Wein, es bedient sich aber auch jeder an dem Depot. Solche Dinge sind selbstregulierend, und während der Schmäh rennt, herrscht großes Wohlwollen untereinander.
Immer auf Abstand
„Ich war der Erste...“ setzt Mani an, derjenige, der zu Beginn auf der Treppe sein Essen holen durfte, aber er kommt mit seinem Satz nicht weit: „Und der letzte...“ ruft einer von der Seite und alles lacht. „Wir haben immer Abstand gehalten, wir saßen auf der Treppe zwei Meter entfernt“, will er weiter erläutern und Jason droht damit, das Rednerpult aufzustellen. Aber Mani gibt nicht so schnell auf: „Jedenfalls: Angefangen hat es mit der Corona-Sch... da war alles zu und ich war eine Woche lang alleine daheim. Dann hat Jason mich angerufen, ich soll Essen abholen kommen. Er kocht gerne. Ein, zwei Wochen war das so, dann kamen immer mehr vorbei und man hat sich draußen hingesetzt. So hat das angefangen. Zum Glück.“
Man stimmt ihm zu und der nächste erzählt, dass er zufällig davon erfahren hat, dass man sich bei Jason trifft, und ein anderer berichtet, dass er einen Anruf bekommen hat, er solle zum Essen kommen. Auch die junge Nachbarin, die hin und wieder schon vor dem Monatsende kein Geld mehr übrig hat, wird von der freundlichen Küche gegenüber regelmäßig mitversorgt. „Der Mann hat ein weiches Herz“, sagt der andere Manfred, und Peter neben ihm nickt. Man kommt, wenn man Zeit hat. Manchmal wird gegrillt, dann sind noch etwas mehr Leute da, meistens aber sind es fünf bis sechs, die sich um den kleinen Tisch versammeln.

Diverse Desinfektionsmittel stehen immer zur Verfügung.

Gutes Essen, feine Musik
„Ich bin seit fünf Jahren in Pension, und ich kann mir nicht vorstellen, den ganzen Tag vor dem Fernseher zu sitzen. Das ist mir zu langweilig“, sagt Jason und lacht. „Wenn man nirgends hingehen kann, muss man halt so zusammenkommen.“ Heute gab es Tiroler Gröstl, es ist noch was übrig, und als Mani sich verabschiedet, bekommt er es fein säuberlich in Tupperware verpackt mit nach Hause. Über Politik reden sie nicht, behauptet Jason, weil der eine ist ein Trump-Fan „ ... was soll man da diskutieren?“ und die Meinungen sind eher kontrovers, aber über allem stehen feine Musik, gutes Essen und Akzeptanz. Als ein Sirtaki ertönt, springen Jason und sein Sitznachbar auf und beginnen ein Tänzchen – kurzfristig ohne Corona-Abstand, aber man ist ja draußen und die Dauer des Tanzes reicht nach neuesten Erkenntnissen nicht für eine ernsthafte Gefährdung. Immer wieder fahren fröhlich winkende Nachbarn vorbei, man kennt den Outdoor-Stammtisch von Jason und offensichtlich sind sie gerne gesehen. „Da fahren auch manchmal andere Leute auf dem Fahrrad vorbei“, lacht einer der Männer und erzählt, wie der langzeitarbeitslose Mani friedlich am Tisch saß, als eine Mitarbeiterin des AMS vorbeifuhr. Jason sprach sie an und fragte, ob sie den Mann eigentlich kenne? Am nächsten Tag erhielt der eine Einladung zum Gespräch, was bald zu einer Anstellung bei Aqua
Zwischendurch einen Sirtaki.
Mühle führte. Das viel zu ruhige Leben des Mani P. war damit vorbei, aber man ist am Tisch einer Meinung: „Jason hat dir geholfen, den nächsten Schritt zu tun.“ Und Mani stimmt etwas widerwillig zu und bemerkt, dass er den Vertrag jetzt freiwillig verlängert hat. Er sei der einzige, der täglich um 6 Uhr aufstehen müsse, behauptet er, stößt aber auf deutlichen Widerspruch. Die meisten waren zwar lange in Kurzarbeit und Homeoffice, zwei sind bereits in Pension – aber aufstehen müssen sie alle, täglich und früh. Und wiederkommen werden sie ebenfalls, daran ändert auch der Herbst nichts.