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Feminismus goes Ländle
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Zu den „Drei Schwestern“ zählen inzwischen rund 20 Frauen, die sich seit Anfang 2019 wöchentlich in Feldkirch treffen. Der feministischen Gesinnungsgemeinschaft geht es dabei vorrangig um folgende drei Aspekte: Vernetzung, Solidarität sowie Sichtbarmachung sexistischer Strukturen.
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Text: Simone Fürnschuß-Hofer Fotos: Hannah Johnson

Drei Frastanzer Schwestern sollen eines Sonntags statt zur Heiligen Messe lieber zum Beerensammeln in die Berge gegangen sein. Zur Strafe wurden sie in Stein verwandelt. Von einem Mann. Diese Sage wird den „Drei Schwestern“, einer Berggipfelreihe im Rätikon, zugeschrieben und versetzt heutzutage wohl jedes feministisch schlagende Herz kurzzeitig in Wallung. Mit ihrer Formierung Anfang 2019 hat eine Gruppe von Frauen das steinerne Schwestern-Trio gewissermaßen aus ihrer sagenumwobenen Erstarrung befreit: Als die „Drei Schwestern“ – mit inzwischen über 20 Personen – will dieser lose und divers aufgestellte Frauen-Verbund dem hierzulande noch recht harmlos wehenden Feminismus-Lüfterl Windstärke verleihen. Dabei setzt man auf die Kraft der Vernetzung, gegenseitige Unterstützung und eine künstlerisch wertvolle, immer rundum einladende Auseinandersetzung.
Stammtisch für Frauen
Angefangen hat alles vor knapp zwei Jahren mit ein paar Freundinnen und dem männerfreien Stammtisch „Feministisch“ in Feldkirch. Daraus entwickelt sich der wöchentliche Treff der „Drei Schwestern“. Man thematisiert die starren Rollenzuschreibungen im Ländle, den Gender-Pay-Gap (Anm: geschlechtsspezifisches Lohngefälle) sowie die hauptsächlich weibliche und meist unbezahlte Übernahme der Care-Arbeit. Eine jahrzehntelang christlich-konservative Politik mache eben etwas mit der Gesellschaft, so die 29-jährige Mara Colnago, eine der „Gründungs-Schwestern“. Von Parteipolitik wollen sich die „Drei Schwestern“ dennoch distanzieren. Sozial- und bildungspolitisch relevant ist das Anliegen allemal: „Wir beschäftigen uns mit verschiedenen Achsen der Unterdrückung und beziehen sowohl feministische als auch antikapitalistische und antirassistische Kämpfe mit ein. Nur so können wir sicherstellen, dass wir eine Welt schaffen, in der alle ein gutes Leben führen können.“
Safe space
Die Sängerin Patricia Mathei, 29, ebenfalls bei den „Drei Schwestern“ engagiert, betont die Wichtigkeit eines geschützten Rahmens: „Es geht uns vor allem um Solidarität, gegenseitigen Support und einen Safe Space für Frauen. Um über Themen zu reden, die in gemischten Gruppen vermieden werden.“ Der Zugang solle außerdem niederschwellig bleiben, man wolle auch Frauen erreichen, die sich neu mit dem Thema auseinandersetzen möchten oder nicht wissen, ob sie überhaupt Feministinnen sind. Die Philosophin Silvia Federici würde sehr gut auf den Punkt bringen, was auch ihre treibenden Kräfte sind: „Viele feministische Bewegungen haben verstanden, dass es ein Teil des Kampfes ist, wirksame Beziehungen zwischen uns aufzubauen. Dazu müssen wir soziale Momente schaffen – zum Beispiel nicht nur auf eine Demonstration gehen, sondern auch ein gemeinsames Essen organisieren, gemeinsam tanzen oder Lieder singen. Wir brauchen Räume, in denen wir zusammenkommen, um Freude und Kreativität in unser Leben zu bringen.”
Willkommenes Echo
Genau aus diesen sozialen Momenten würden Ideen für Initiativen erwachsen. So plakatierten die „Drei Schwestern“ zum internationalen Frauentag am 8. März 2020 in der Feldkircher Marktgasse feministische Forderungen. Sofas und Musik luden zum Diskurs ein. Natürlich würden derlei Aktionen von manchen milde belächelt bis skeptisch beäugt. Auch sei man vor bissigen Kommentaren nicht sicher. Das müsse man eben aushalten. Summa summarum überwiege die positive Resonanz, selbst wenn sie manchmal verspätet oder indirekt komme: „Anlässlich von Global Pride haben wir über das Wochenende die Illbrücke in einen Regenbogen verwandelt, um die LGBTQIA+ Community sichtbar zu machen. Obwohl man uns den Ursprungsplan, das Rathaus mit den Regenbogen-Farben zu schmücken, ausschlug, kam dann unsere Illbrücken-Installation sogar als Titelbild auf die offizielle Facebook-Seite der Stadt“, wundern sich die Frauen und sehen es als willkommenes Echo, das neue Kreise erreicht. Das Mittel der Wahl sei jedenfalls die Kunst, denn sie schaffe einfach andere Zugänge zu komplexen Themen. Als nächstes auf dem Programm steht dabei das „Feministival“, ein eigens konzipiertes Festival im Feldkircher Antiquariat Chybulski: kreativ, Genre übergreifend, feministisch.
Factbox Feministival
Das von den „Drei Schwestern“ organisierte „Feministival“ im Chybulski in Feldkirch – gefördert von „Kultur im Jetzt“ des Landes Vorarlberg – muss leider aufgrund der aktuellen Covid-19-Entwicklungen auf das erste Quartal 2021 verschoben werden.
Equal Pay Day
Am 22. Oktober war in Österreich Equal Pay Day, in Vorarlberg, dem Schlusslicht im Bundesländervergleich, sogar bereits am 24. September. Der Equal Pay Day markiert symbolisch jenen Tag, an dem Männer bereits das Einkommen erreicht haben, für das Frauen noch bis Jahresende weiterarbeiten müssen. Der Vergleich der vollzeitbeschäftigten Männer und Frauen weist aktuell eine Lohnschere von über 19 % auf nationaler Ebene und von 27 % in Vorarlberg auf.