Mittendrin in V
Rassismus in Österreich? Nie gehört. Hallo, mein Name ist Maria Amanda Studer. Ich bin 16 Jahre alt, wohne in Dornbirn und erzähle euch heute meine Geschichte und auch, warum die Black Lives Matter Bewegung einen so großen Teil davon ausmacht. Text: Maria Amanda Studer Fotos: Kaya Kantner, Caroline Begle
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Kindheit und Jugend in Österreich
Geboren wurde ich in Äthiopien, im Westen Afrikas. Im Alter von vier Monaten bin ich adoptiert worden und so nach Österreich gekommen, wobei ich leider meinen ursprünglichen Pass abgeben musste, was ich bis heute nicht nachvollziehen kann, denn beide Länder sind meine Heimat. Da ich noch so klein war, kann ich die Amtssprache Amharisch nicht sprechen – dies muss erwähnt werden, da mich immer wieder Leute ansprechen und fragen, ob ich denn „Afrikanisch“ spräche. Hier in Österreich habe ich mich als Kind immer wohlgefühlt. Hauptsächlich war das so, weil mir niemals jemand das Gefühl gab, anders, exotisch oder fremd zu sein. Die Kindergartenzeit verging wie im Flug und so auch die Volksschule, wo ich einige Freunde fand, mit welchen ich bis heute in Kontakt stehe. Mit sechs Jahren kommt man jedoch in ein Alter, wo man sich hin und wieder die Frage stellt, woher man denn eigentlich kommt. Während diese Frage bei anderen Kindern mit ein bis zwei Sätzen geklärt ist, braucht es bei mir schon um einiges länger. Ich bemerkte natürlich bereits früh meine Hautfarbe, die mich vom Rest der Familie unterschied, aber irritiert hat mich das zunächst nie. Bis ich schließlich wissen wollte, weshalb das so sei und wer denn meine „richtigen Eltern“ seien. Um diese Frage zu beantworten, hat meine Familie für mich eine ihrer längsten Reisen in Kauf genommen.
Auf Spurensuche in Afrika
2010. Frankfurter Flughafen. Während andere in den Osterferien auf Eiersuche gehen, saß ich in Afrika und wartete auf meine leibliche Mutter, welche meine Eltern mithilfe von damaligen Kontakten aus meinem Waisenhaus ausfindig gemacht hatten. Mein Flug nach Afrika ging am Mittwoch und ich kann mich noch gut daran erinnern, wie aufgeregt ich war, endlich
die Frage nach meiner Herkunft beantwortet zu bekommen. Als wir ankamen, war alles so neu für mich, obwohl ich ja dort geboren worden war. Wir wussten, dass meine Mama sehr krank war, weshalb es für mich oberste Priorität hatte, sie zu finden. Bereits an Weihnachten 2009 sagte ich meinen Eltern unterm Tannenbaum: „Mama, versprich mir, dass du meine Mutter schnell findest. Ihr geht es nicht gut und es bleibt uns nicht mehr viel Zeit!“ Heute erstaunt es mich, wie bestimmt mich meine Intuition geleitet hat. Kurz nach unserer Ankunft in Afrika mussten mir meine Eltern die Nachricht vom Tod meiner leiblichen Mutter überbringen. Ich habe bitterlich geweint, kann mich heute aber ehrlich gesagt nicht mehr daran erinnern. Den Aufenthalt in Afrika verbrachte ich schließlich damit, das Waisenhaus zu besuchen, aus dem mich meine Eltern adoptiert hatten. Ich besuchte auch eine Organisation für junge Mütter mit Babys, in der die Frauen eine Art Lehre machen konnten. Ich weiß nicht genau, wie lange ich dort war, aber bin mir sicher, dass dies für meine damals erst 17 Jahre alte Mutter eine gute Herberge war. Auch wenn ich sie leider nicht mehr treffen konnte, war es mir wichtig, sie wissen zu lassen, dass sie gesucht wird. Während dieses Aufenthalts in Äthiopien hatte ich noch die Möglichkeit zu ihren bzw. auch meinen Verwandten zu fahren, wo ich einen Koffer in der Größe eines Durchschnitts-Handgepäcks mit all ihrem Besitz vorgelegt bekam, aus dem ich alles mitnehmen durfte, was ich wollte. Diese Situation mag vielleicht für andere befremdlich sein: In einem fremden Land, vor fremden Leuten zu stehen, die plötzlich deine „Familie“ sind, vor dem Koffer deiner Mutter zu stehen, und sich dort Sachen auszusuchen… – aber für mich hat es sich definitiv gelohnt, denn ich habe einen Schal und eine Bluse, welche ich bis heute aufbewahre.