marie 54/ November 2020

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Mittendrin in V

Jasons OutdoorStammtisch Es ist eine Nachbarschaftsinitiative mit langem Atem – „Ins Haus kommt niemand, höchstens noch aufs Gästeklo, das ist direkt neben dem Eingang“, so beginnt der Herr über die Straßenrunde betont ruppig. Was er aber genau gar nicht ist. Im Gegenteil – „Jason“ Elmar Jussel hat dafür gesorgt, dass mitten im Shutdown die Geselligkeit blüht. 10 |

Text und Fotos: Daniela Egger

M

it Beginn des Shutdowns wurde Elmar Jussel, in Feldkirch wohlbekannt als ehemaliger Sportgeschäftsbetreiber unter dem Namen „Jason“, aktiv. Weil er als Pensionist zur Risikogruppe gehört, war er zunächst vorsichtig und schickte einen Kollegen zum Einkaufen. Und weil er gerne kocht und sowieso nicht nur eine Portion kochen kann, hat er die zweite für eben diesen Kollegen zum Mitnehmen gerichtet. So saß man anfangs mit viel Abstand auf der Treppe und es dauerte nicht lange, bis sich mehr und mehr dazu gesellten. Seither trifft sich eine ausgewählte Herrenrunde regelmäßig vor Jasons Haus auf dem Gehsteig. Dort steht ein kleiner Tisch mit Stühlen, ein Überbleibsel seines einjährigen Gastronomie-Abenteuers in der Tostner Eibe. Die Gemütlichkeit geht vom Hausherrn aus und wirkt einladend, auch für nicht Dazugehörende. Der Zugang zu einer beeindruckenden Anzahl voller Bierkästen in der Garage steht jedem Eingeweihten offen. „Dabei habe ich selten so viel Geld gespart wie in dieser Zeit, trotz dem geschenkten Essen und den Getränken“, berichtet er. „Wir haben uns sonst meistens in irgendeinem Lokal getroffen. Das ist teurer.“ Natürlich bringt immer mal einer einen Kasten Bier mit, oder eine Flasche Wein, es bedient sich aber auch jeder an dem Depot. Solche Dinge sind selbstregulierend, und während der Schmäh rennt, herrscht großes Wohlwollen untereinander.

Immer auf Abstand

„Ich war der Erste...“ setzt Mani an, derjenige, der zu Beginn auf der Treppe sein Essen holen durfte, aber er kommt mit seinem Satz nicht weit: „Und der letzte...“ ruft einer von der Seite und alles lacht. „Wir haben immer Abstand gehalten, wir saßen auf der Treppe zwei Meter entfernt“, will er weiter erläutern und Jason droht damit, das Rednerpult aufzustellen. Aber Mani gibt nicht so schnell auf: „Jedenfalls: Angefangen hat es mit der Corona-Sch... da war alles zu und ich war eine Woche lang alleine daheim. Dann hat Jason mich angerufen, ich soll Essen abholen kommen. Er kocht gerne. Ein, zwei Wochen war das so, dann kamen immer mehr vorbei und man hat sich draußen hingesetzt. So hat das angefangen. Zum Glück.“ Man stimmt ihm zu und der nächste erzählt, dass er zufällig davon erfahren hat, dass man sich bei Jason trifft, und ein anderer berichtet, dass er einen Anruf bekommen hat, er solle zum Essen kommen. Auch die junge Nachbarin, die hin und wieder schon vor dem Monatsende kein Geld mehr übrig hat, wird von der freundlichen Küche gegenüber regelmäßig mitversorgt. „Der Mann hat ein weiches Herz“, sagt der andere Manfred, und Peter neben ihm nickt. Man kommt, wenn man Zeit hat. Manchmal wird gegrillt, dann sind noch etwas mehr Leute da, meistens aber sind es fünf bis sechs, die sich um den kleinen Tisch versammeln.


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