Sonderheft 06/2021

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Hausarzt Gynäkologie/Urologie/Andrologie

COVID-19 unter androgenem Einfluss

Foto: © shutterstock.com/ Jorm S

Zu wenig oder zu viel? „Der Rost macht erst die Münze wert“ *

In vielen Studien wurde beschrieben, dass bei geschlechtsspezifischer Stratifizierung der Inzidenzen Männer eher häufiger von einer SARS-CoV-2-Infektion bzw. von COVID-19 betroffen sind. Dies gilt insbesondere für die Altersgruppe der über 60-jährigen hospitalisierten Männer bzw. für Patienten mit schwerwiegendem Verlauf. Auch eine rezente Übersichtsar­ beit mit internationalen Vergleichsdaten zur Mortalität und zur länderspezifischen Übersterblichkeit zeigt gleichsam für Ös­ terreich einen Genderaspekt zu Unguns­ ten der Männer. Weltweit scheint eine hohe Variabili­ tät bei COVID-19-Erkrankungen in verschiedenen Populationen und eth­ nischen Hintergründen zu bestehen. Selbstverständlich beeinflussen der so­ zioökonomische Faktor sowie gewisse Lebensstilfaktoren die COVID-19-Er­ krankung bzw. die Genderspezifität ebenfalls: Doch selbst nach statistischer Berücksichtigung und Würdigung derar­ tiger Faktoren bleibt für gewisse ethni­ sche Gruppen ein erhöhtes Risiko einer SARS-CoV-2-Infektion bzw. eines kriti­ scheren Krankheitsverlaufs.

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Juni 2021

Interessant ist die Beobachtung, dass die Inzidenz einer COVID-19-Erkrankung präpupertär ausgesprochen gering ist. Wenn eine Infektion in dieser Alters­ gruppe vorkommt, so verläuft sie im Allgemeinen milder. Darüber hinaus verwundert es, dass sich bei Kindern oder Jugendlichen – anders als bei Er­ wachsenen – keine geschlechtsspezifi­ schen Differenzen zeigen. Somit stellt sich die Frage, ob gemäß die­ ser epidemiologischen Daten evtl. die Geschlechtshormone die unterschied­ liche Erkrankungshäufigkeit bei Män­ nern und Frauen begründen können und ob die Testosteronkonzentration bzw. ein Hormonmangel wie im Falle eines Hypogonadismus die Pathogenese, den Krankheitsverlauf oder gar die Mortali­ tät bei COVID-19 beeinflussen kann.

Androgenrezeptoraktivität entscheidend In den letzten Monaten konzentrierte sich die Forschung auf den Infektionsweg von SARS-CoV-2 und es konnte nach­ gewiesen werden, dass SARS-CoV-2 in

den Lungen wie auch in anderen Or­ ganzellen über einen Angiotensin-Con­ verting-Enzym-2(ACE2)-Rezeptor ein­ dringen kann. Hinlänglich bekannt ist: Der genannte ACE2-Rezeptor stellt ein Schlüsselglied im Renin-AngiotensinAldosteron-System dar und greift damit in die endokrinologisch-metabolische Achse, die Blutdruckregulation bzw. Flüssigkeitsbilanz entscheidend ein. Die Bindung von SARS-CoV-2 an den ACE2-Rezeptor erfolgt über spezifische S-Proteine. An diesem Andockmanöver sind noch weitere enzymatische Prozes­ se in modulierender Weise beteiligt – in erster Linie das transmembrane Prote­ ase-Serin 2 (TMPRSS2) oder Furin. Ein durch TMPRSS2 vermittelter Prozess ist entscheidend für das Eindringen von SARS-CoV-2 in die menschliche Zelle und spielt somit eine Schlüsselrolle bei der Infektion mit dem Virus bzw. bei der Krankheitsprogression von COVID-19. Das TMPRSS2-Membranprotein steht seinserseits unter der regulativen Kon­ trolle durch den Androgenrezeptor (AR). Es konnte nachgewiesen werden, dass die Androgenrezeptoraktivität


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