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Pille ist nicht gleich Pille
Was bei der (hormonellen) Verhütung in CoronaZeiten zu beachten ist
Seit das Thromboserisiko von SARSCoV2Impfstoffen medial breit diskutiert wird, ist auch jenes unter Anwendung der Antibabypille wieder in aller Munde. Doch Hormonpräparat ist nicht gleich Hormonpräparat – und für jene Patientinnen, bei denen Kontraindikationen vorliegen, gibt es etliche Alternativen, um adäquat zu verhüten. Was bei der Neueinstellung bzw. einem Wechsel der Kontrazeptiva – auch in Zeiten der CoronaPandemie – zu beachten ist, weiß Prim.a Univ.Prof.in DDr.in Barbara Maier, Vorständin der gynäkologischgeburtshilflichen Abteilung der Klinik Ottakring und Präsidentin der Österreichischen Gesellschaft für Familienplanung. Sie betont: „Eine ausführliche Anamnese ist nach wie vor das A und O für den Einsatz einer wirksamen und risikoarmen Verhütung.“
Arten von Verhütungsmitteln
Prinzipiell wird zwischen zwei Formen der hormonellen Verhütung unterschieden: der Verhütung mit … • … ÖstrogenGestagenPräparaten als
Kombinationspille, Vaginalring oder
Kontrazeptionspflaster und • … jener mit GestagenMonopräparaten (natürliches Progesteron oder synthetische Gestagene) als Minipille, Depotpräparat (z. B. Dreimo
natsspritze), Hormonimplantat oder spirale.1 „Die Wirkprinzipien hormoneller Verhütungsmittel umfassen die Verhinderung des Heranreifens einer Eizelle und damit eines Eisprungs, einen verminderten Aufbau der Gebärmutterschleimhaut sowie eine Verdickung des Gebärmutterhalsschleimes, sodass Spermatozoen nicht aufsteigen können“, erklärt Prof.in Maier. Daneben gibt es ein breites Spektrum hormonfreier, reversibler Verhütungsmethoden. Es reicht von Barrieremethoden wie dem Kondom und dem Scheidendiaphragma über die Kupferspirale bzw. kette bis hin zu chemischer Kontrazeption mit Spermiziden. Hormonelle Verhütungsmethoden schneiden ebenso wie KupferIntrauterinpessare (KupferIUP) bei der Sicherheit der Schwangerschaftsverhütung besser ab als Barrieremethoden oder chemische Kontrazeption.2
Ausschlussgründe für Kombinationspräparate
Wird ein hormonelles Verhütungsmittel in Betracht gezogen, muss eine Reihe von Fragen im Rahmen des medizinischen Aufklärungsgesprächs beantwor
X Infobox 1: Ausschlussgründe für eine hormonelle Verhütung
Voraussetzungen der Frau, die keinesfalls eine hormonelle Verhütung erlauben: Body-Mass-Index von mehr als 30 kg/m² (Gewicht in Kilogramm, dividiert durch die Größe in
Quadratmetern), Alter von > 35 Jahren und Vorliegen zusätzlicher Risikofaktoren, Nikotinabusus.
Fragen, die anamnestisch unbedingt gestellt werden müssen und bei Bejahung keine hormonelle Kontrazeption erlauben: Bestehen rezente oder anamnestische Thromboembolien (tiefe Beinvenenthrombose, Lungenembolie, Herzinfarkt, Insult, transitorische ischämische Attacke, Angina pectoris)? Gibt es bekannte Blutgerinnungsstörungen? Tritt Migräne mit fokalen neurologischen Symptomen auf, beispielsweise mit einer Aura? Besteht ein Diabetes mellitus mit Gefäßschädigung? Besteht ein Hypertonus mit systolischen Werten über 160 mmHg und diastolischen über 100 mmHg? Sind die Blutfette stark erhöht? Steht ein größerer chirurgischer Eingriff oder eine längere Immobilisierung bevor?
Expertin zum Thema: Prim.a Univ.-Prof.in DDr.in Barbara Maier
Vorständin der gynäkologischgeburtshilflichen Abteilung der Klinik Ottakring und Präsidentin der Österreichischen Gesellschaft für Familienplanung
tet werden. Diese sind in Infobox 1 dargestellt. „Ist eine Frau Raucherin und außerdem über 35 Jahre alt, besteht für eine hormonelle Kontrazeption eine absolute Kontraindikation“, hebt die Gynäkologin hervor. Auch die Familienanamnese sollte bei der Wahl des Verhütungsmittels berücksichtigt werden: Eine weitere Abklärung des individuellen Risikos ist beispielsweise erforderlich, wenn ein naher Angehöriger vor dem 50. Lebensjahr eine Thrombose oder eine Lungenembolie erlitten hat. Wenn in der Familie Gerinnungsstörungen bekannt sind, kann eine genetische Untersuchung vonnöten sein. „Thrombosen können durch genetische Veränderungen der Blutgerinnungsfaktoren V und II begünstigt werden, wobei die APCResistenz mit etwa 5 % in der Bevölkerung am häufigsten vertreten ist“, so die Expertin. „Das Gesamtrisiko einer Thrombose oder Embolie unter Einnahme einer Pille ist allerdings gering – am höchsten ist es im ersten Jahr der Anwendung oder nach einer Pause von vier Wochen“, erläutert Prof.in Maier. „Deswegen sollte das An und Absetzen im Sinne einer HoponhopoffPillenmedikation tunlichst vermieden werden!“ Jedoch bergen nicht alle oralen Kontrazeptiva ein thromboembolisches Risiko: So können GestagenMonopräparate ohne Bedenken verschrieben werden, wenn die in der Infobox 1 genannten Kontraindikationen bezüglich der Einnahme von Kombinationspräparaten bestehen.1
Thromboembolisches Risiko und SARS-CoV-2
Sowohl eine COVID19Erkrankung als auch eine bevorstehende Impfung können hormonell verhütende Frauen verunsichern, nicht zuletzt wegen der medialen Berichterstattung hinsichtlich thromboembolischer Komplikationen. Die Österreichische Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (ÖGGG) hielt in einer Aussendung im vergangenen Jahr fest: „Derzeit gibt es keine Hinweise dafür, dass eine kontrazeptiv angewandte Methode zu einer Risikoerhöhung in Bezug auf das Outcome einer COVID19Erkrankung führt. Vor allem wegen der thrombogenen Effekte bei schweren COVID19Erkrankungen gibt es aber entsprechende Überlegungen bezüglich der verschiedenen kontrazeptiven Methoden.“3 So beinhalten jene Überlegungen u. a., dass bei einer Neueinstellung auf ein Verhütungsmittel primär reine ProgesteronPräparate in oraler Darreichungsform verschrieben werden sollten, weil v. a. die synthetischen Östrogene das Risiko eines thromboembolischen Ereignisses erhöhen. Falls Erstere für die Patientin nicht geeignet sind, „sollte unbedingt eine komplette ärztliche Einschätzung der medizinischen Indikation für eine kombinierte orale Kontrazeption inklusive einer RR und Gewichtsmessung erfolgen.“ Ebenso wird ein prioritärer Einsatz von „LongactingreversibleContraceptives“ (LARC) empfohlen, zu denen etwa KupferIUP, LevonorgestrelIUP und EtonogestrelImplantate gezählt werden, da jene ebenfalls kein thrombogenes Risiko aufweisen. Lediglich MedroxyprogesteronacetatDreimonatsspritzen könnten diesbezüglich eine Ausnahme unter den LARC darstellen.3 Auch international gibt es Empfehlungen für den Umstieg auf ProgesteronMonopräparate, wenn Frauen sich mit SARSCoV2 infizieren könnten und sie ein entsprechendes thromboembolisches Risiko haben. Bei einer Umstellung von Kombinationspräparaten auf andere Formen der Verhütung muss zusätzlich bedacht werden, dass es etwa zwei Monate dauert, bis sich die Gerinnungsparameter normalisieren. Im Falle einer Hospitalisierung kann also eine prophylaktische Gabe von Heparin nötig werden.4
Rezeptierung während der Lockdowns
Ist es Frauen nicht möglich, die jährliche gynäkologische Untersuchung wahrzunehmen, können Hausärzte beim Rezeptieren der Kontrazeptiva einspringen. „Orale ProgesteronPräparate dürfen auch ohne frauenärztliche Untersuchung für weitere zwölf Monate rezeptiert werden; kombinierte orale Kontrazeptiva für sechs bis zwölf Monate“, erläutert Prof.in Maier. Bei EtonogestrelImplantaten könne aufgrund des geringen Risikos einer Schwangerschaft im 4. Anwendungsjahr eine Neuimplantation um zwölf Monate verschoben werden. Dasselbe sei im Fall von LevonorgestrelIUP (insbesondere bei jenen mit 52 mg Wirkstoff) im 6. Anwendungsjahr machbar.
Mag.a Marie-Thérèse Fleischer, BSc, Mag.a Katharina Maier
Quellen: 1 AMBOSS, Hormonelle Kontrazeption; Stand: 04/2021. 2 AMBOSS, Nicht-hormonelle Kontrazeption; Stand: 04/2021. 3 Österreichische Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (ÖGGG), Empfehlungen zur Kontrazeption in der COVID-19 Pandemie; Stand: 08/2020. 4 Panda SR & Meena M, Correspondence, Eur J Obstet
Gynecol 2021; article in press.
X Infobox 2: Wichtige Warnsymptome bei Einnahme von Hormonpräparaten
Schmerzen und Schwellungen eines Beins, eventuell mit Druckschmerz und Erwärmung, Veränderung der Hautfarbe – Beinvenenthrombose? Plötzliche Atemnot oder schnelle Atmung oder auch Schmerzen in der Brust bzw. plötzlicher, blutiger Husten – Lungenembolie? Schwäche oder Taubheitsgefühl im Gesicht, in den Armen oder Beinen, die bzw. das nur auf einer Körperseite ausgeprägt ist, bzw. Sprech- oder Verständigungsschwierigkeiten, plötzliche
Verwirrtheit, Sehstörungen bzw. Sehverlust und schwere oder länger andauernde Kopfschmerzen – Schlaganfall?