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Erschöpfte Mütter im Wochenbett

Hausarzt Gynäkologie/Urologie/Andrologie Erschöpfte Mütter im Wochenbett

Einen postpartalen Eisenmangel nicht übersehen

Während das Kind im Mutterleib heranwächst, steigt der Eisenbedarf stark an. Damit es in der Schwangerschaft und nach der Geburt zu keinem Mangel des Spurenelements komme, sei ein Umdenken notwendig, betont der Gynäkologe Univ.Prof. Dr. Harald Zeisler, stv. Leiter der Abteilung für Lehre und postgraduelle Fortbildung an der Univ.Klinik für Frauenheilkunde der MedUni Wien, im Gespräch mit dem HAUSARZT.

HAUSARZT: Wie ist es Ihrer Meinung nach um die Awareness von Frauen und ihren Ärzten bestellt, dass ein postpartaler Eisenmangel auftreten könnte?

Univ.-Prof. Dr. Harald ZEISLER: Ehrlich gesagt finde ich, dass es um die Awareness noch nicht gut bestellt ist. Ich weiß nicht, wie es sich österreichweit verhält, aber in unserem Haus wird nach einer normal verlaufenen Geburt routinemäßig kein Blutbild angefertigt. Außer die Patientin ist klinisch auffällig, sprich kreidebleich und hat Kreislaufprobleme, die bis zum Kollaps reichen können. Nur nach einer Sectio gehört ein Blutbild zum Standardprocedere. Und dabei wird auch nicht der Eisenmangel untersucht, sondern nur der Endpunkt desselben, die Eisenmangelanämie. Um auf dieses wichtige Thema aufmerksam zu machen, arbeite ich gemeinsam mit einer Hebamme und einem Allge

X Infobox: Herausforderungen bei der

Eisenbestimmung

„ Der Ferritin-Wert gibt Aufschluss über die

Füllung der Eisenspeicher im Körper. „ Allerdings handelt es sich um ein

Akute-Phase-Protein: Bei entzündlichen

Prozessen (erhöhter CRP-Wert) steigt der Ferritin-Wert – der Eisenspeicher erscheint gefüllt, obwohl er eigentlich leer ist. „ Bei einem erhöhten CRP-Wert kann die

Transferrinsättigung darüber informieren, wie viel Eisen dem Körper tatsächlich zur

Verfügung steht.

Quelle: eisencheck.at meinmediziner an einem KonsensusStatement. Denn es stellt sich im Rahmen der Versorgung die Frage nach der Zuständigkeit: Wem kann der postpartale Eisenmangel auffallen? Der Hebamme? Dem Gynäkologen? Oder dem Hausarzt?

Wie könnte man dieses Problem lösen?

Ein Eisenmangel kann im Krankenhaus nach der Geburt leicht übersehen werden. Üblicherweise ist das CRP nach der Geburt erhöht – was wiederum falsch normale FerritinWerte bedingt (siehe Infobox). Wenn man das Ferritin bestimmt, sollte man es ergo vor der Geburt bestimmen. Darum wäre es gut, bereits bei der ersten Blutabnahme im Rahmen der MutterKindPassUntersuchung – vor der 16. SSW – den FerritinWert zu ermitteln. Eine zweite Messung sollte spätestens zwischen der 25. und der 28. SSW erfolgen.

Welche Folgen hat es, wenn der Eisenmangel übersehen wird?

Während der Schwangerschaft erhöht ein Eisenmangel das Risiko der Frühgeburtlichkeit und es kommt zu einer gesteigerten Notwendigkeit von Sectio bzw. Bluttransfusionen. Zudem leiden Mütter mit Eisenmangel häufiger an postpartalen Depressionen. Generell ist das Spektrum der Symptome breit. Die frischgebackenen Mütter haben mit Müdigkeit und Konzentrationsstörungen, brüchigen Nägeln oder Haarausfall zu kämpfen – und fühlen sich nicht fit genug, um ihr Kind zu versorgen. Bedauerlicherweise kann sich ein Eisenmangel auch negativ auf die kognitive Entwicklung des Kindes auswirken. Probleme mit der Sprachentwicklung, ein schlechteres Beobachtungs und Konzentrationsvermögen sowie ein verminderter IQ können die Folgen sein.

Was ist im Rahmen der Behandlung zu beachten?

Grundsätzlich kann der Eisenspeicher über die Ernährung sowie über orale oder intravenöse Präparate befüllt werden. Wenn es zu einem Mehrbedarf oder einem größeren Verlust des Spurenelements kommt, reicht die Ernährung meist zur Kompensation nicht aus. Aus Studien wissen wir, dass der Eisenbedarf in der Schwangerschaft stark ansteigt, vor allem im letzten Schwangerschaftsdrittel. Die Therapie der ersten Wahl ist die orale Eisentherapie. Bei jener sind aber zwei Dinge zu bedenken: Erstens werden nur zehn Prozent des Eisens resorbiert, das im Medikament enthalten ist, zweitens gibt es ein großes AdhärenzProblem, weil die orale Therapie häufig gastrointestinale Probleme verursacht. Dies führt oft dazu, dass die Medikation nicht oder nicht ausreichend eingenommen wird. Als Alternative kann Eisen intravenös verabreicht werden: EisenCarboxymaltosePräparate sind hier am besten erforscht, Studien beweisen deren Sicherheit und Effizienz – auch in der Schwangerschaft. Normalerweise reicht bereits eine Infusion, um den Bedarf in der Schwangerschaft und auch danach zu decken.

Das Gespräch führte Mag.a Marie-Thérèse Fleischer, BSc.

Experte zum Thema: Univ.-Prof. Dr. Harald Zeisler

FA für Gynäkologie & Geburtshilfe, stv. Leiter der Abt. für Lehre und postgraduelle Fortbildung, Univ.Klinik für Frauenheilkunde, MedUni Wien unikom.atkom.at

„Beim Symptom Müdigkeit sollte man immer auch an einen Eisenmangel denken – eine Behandlung desselben kann die Lebensqualität der Mutter erheblich verbessern.“

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