Hausarzt 07-08/2021

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Hausarzt medizinisch

Die Krankheit der 1.000 Gesichter

Foto: © shutterstock.com/ Lightspring

COVID-19-Empfehlungen für Patienten mit Multipler Sklerose sowie innovative Behandlungsoptionen

In Österreich leben etwa 13.000 Menschen mit Multipler Sklerose, und das mit sehr vielschichtigen Beschwerden. Abhängig davon, welcher Teil des zentralen Nervensystems bei der Autoimmunerkrankung betroffen ist, können bekanntlich auch die Symptome unterschiedlich ausfallen. So erschwert das heterogene Erscheinungsbild der „Krankheit der 1.000 Gesichter“ die Diagnose. Die COVID-19-Pandemie hat betroffene Patientinnen und Patienten vor zusätzliche Herausforderungen gestellt.

die Pandemie eine deutliche Reduktion ihrer Behandlungsqualität erfahren“, machte a.o. Univ.-Prof. Dr. Fritz Leutmezer, Präsident der Österreichischen Multiple Sklerose Gesellschaft, im Rahmen der Online-Veranstaltung „Unser Netzwerk = deine Stärke” zum Welt-MS-Tag 2021 am 31. Mai aufmerksam. Der Austausch mit Ärzten, Therapeuten, aber auch mit anderen Betroffenen habe gefehlt. Zahlreiche MS-Patienten hätten erst später mit einer Therapie begonnen und dadurch möglicherweise Schaden genommen.

Die Spuren der Pandemie

Vorausschauendes Impf­ management

Mittlerweile ist bekannt, dass MS kein erhöhtes Risiko mit sich bringt, einen schweren COVID-19-Verlauf zu erleiden. Eine Ausnahme stellen Betroffene mit schwerwiegender körperlicher Behinderung sowie MS-Patienten mit allgemeinen Risikofaktoren wie einem höheren Alter, Bluthochdruck, einem erhöhten Körpergewicht oder Lungenund Herzerkrankungen dar. Aber auch im Leben von Nichtrisikopatienten mit MS hat die Pandemie ihre Spuren hinterlassen: „Viele Menschen mit chronischen Erkrankungen haben durch

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Juli/August 2021

Da MS-Patienten zu den Personengruppen mit erhöhtem Risiko zählen können – aber auch aus generellen Überlegungen heraus – rät die Österreichische Gesellschaft für Neurologie (ÖGN) im Einklang mit internationalen Gesellschaften Betroffenen zu einer SARS-CoV-2-Impfung. Die Diagnose MS stellt laut ÖGN keine Kontraindikation in Bezug auf die Immunisierung dar. Sowohl die mRNAImpfstoffe der Hersteller Biontech/ Pfizer und Moderna als auch das vek-

torbasierte Vakzin von Oxford/AstraZeneca seien konzeptuell Totimpfstoffe bzw. mit einem solchen vergleichbar und somit für diese Patientengruppe zu empfehlen. Allerdings könnten bei MS-Patienten Impfreaktionen zu einem sogenannten Uhthoff-Phänomen bzw. zu einem „Pseudoschub“ führen. Ein vorausschauendes Management sollte daher in Erwägung gezogen werden. So wie bei jeder anderen Impfung wird auch bei jener gegen SARSCoV-2 empfohlen, sie mindestens sechs Wochen vor Beginn einer krankheitsmodifizierenden Therapie (DMT) zu applizieren, da die Wirksamkeit der Impfung durch einzelne Immuntherapien – wie S1P-Agonisten und CD20Antikörper-Therapien – zum Teil erheblich verringert sein kann, wie Untersuchungen des Antikörperstatus bei diesen Patienten zeigten. Für die Verabreichung des Impfstoffes unter einer laufenden DMT gibt es derzeit nur begrenzte Daten und Empfehlungen der ÖGN.1

DMT und COVID-19-Verläufe Für die Behandlung der Multiplen Sklerose gilt: Auch in Zeiten der Pandemie ist es wichtig, dass Betroffene ihre Behandlungstermine wahrnehmen. Medikamentöse Therapien können den Krankheitsverlauf positiv beeinflussen und Nervenschädigungen minimieren. Sie sollten daher weitergeführt oder adaptiert werden, um bessere Wirkungen zu erzielen. Aufgrund der DMT und der damit einhergehenden Immunmodulation bei der Behandlung von MS X Aufruf Die ÖGN bittet um Informationen zu MSPatienten mit vorliegenden oder vergan­ genen SARS-CoV-2-Infektionen, um Daten generieren und entsprechende Erkenntnisse gewinnen zu können. Infos: oegn.at/covid-19/ covid19-und-multiple-sklerose-ms


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